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11. November 2021

Bei den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates bahnt sich eine Rechtsprechungsänderung an

Bei den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates bahnt sich eine Rechtsprechungsänderung an

In den in § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) genannten Fällen haben Betriebsräte ein echtes Mitbestimmungsrecht. Das heißt, dass Unternehmen eine nach § 87 Absatz 1 des BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme erst umsetzen dürfen, wenn sie mit dem Betriebsrat eine Einigung gefunden haben. Diese Einigung kann dann im Wege der formlosen Regelungsabrede oder per Betriebsvereinbarung erfolgen. Neuerdings ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht nur schriftlich, sondern auch in elektronischer Form, d. h. mit qualifizierter elektronischer Signatur möglich, § 77 Absatz 2 BetrVG in der seit dem 18.06.2021 geltenden Fassung.
Wann Unternehmen eine formlose Nebenabrede und wann eine Betriebsvereinbarung machen sollten, hatten wir in unserem Newsletter vom 20.05.2020 besprochen.

Egal ob Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede: Geschäftsführung und Betriebsrat sind bei den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 87 Absatz 1 BetrVG gleichwertige Verhandlungspartner.
Daraus folgt gleichzeitig, dass beide Seiten bezogen auf die in § 87 Absatz 1 BetrVG geregelten "Tatbestände" ein sogenanntes Initiativrecht haben. Sowohl die Geschäftsführung als auch der Betriebsrat können also von der jeweils anderen Seite Verhandlungen über einen der in § 87 Absatz 1 des BetrVG geregelten "Tatbestände" verlangen.
Hiervon gibt es nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Ausnahme. Die Ausnahme betrifft die in § 87 Absatz 1 Nr. 6 des BetrVG geregelten technischen Kontrolleinrichtungen. Hier hat das Bundesarbeitsgericht bislang ein Initiativrecht des Betriebsrats abgelehnt.

Mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung will das Landesarbeitsgericht Hamm nun brechen.

In seiner Entscheidung vom 27.07.2021 (Az.: 7 TaBV 79/20) hat das Landesarbeitsgericht Hamm nämlich gesagt:

09. November 2021

Pauschale Vereinbarungen zur Durchführung von Kurzarbeit - das Arbeitsgericht München gibt vorerst Entwarnung

Pauschale Vereinbarungen zur Durchführung von Kurzarbeit - das Arbeitsgericht München gibt vorerst Entwarnung

Die Unberechenbarkeit der Pandemie hat Personalabteilungen (und im Übrigen auch Jurist:innen) bei der Kurzarbeit vor teils unlösbare Aufgaben gestellt:

Wie soll man Umfang und betroffene Beschäftigte in einer Vereinbarung über die Durchführung von Kurzarbeit konkretisieren, wenn man noch gar nicht weiß, was einen in dieser unberechenbaren Pandemie erwartet?

So ging es auch dem Unternehmen in dem vom Arbeitsgericht München am 19.07.2021 (Az.: 33 Ca 13634/20) entschiedenen Fall.
Da das Unternehmen nicht wusste, wie sich die Pandemie auf die Auftrags- bzw. Beschäftigungssituation konkret auswirken wird, schloss es mit seinen Arbeitnehmer:innen folgende "abstrakte" Vereinbarung über die Durchführung von Kurzarbeit ab:

"Sehr geehrte Mitarbeiterinnen,
sehr geehrte Mitarbeiter,
aufgrund des Wegfalls von festeingeplanten Aufträgen ist für verschiedene Abteilungen zu befürchten, dass der Betrieb nur eingeschränkt weitergeführt werden kann.
Wir beabsichtigen daher, zumindest in der Zeit vom 01. April 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit einzuführen. Der Umfang der Kurzarbeit ist derzeit nicht absehbar und kann bis hin zur Kurzarbeit "null" reichen, wenn ein Arbeiten in den Standorten nicht möglich sein sollte.
Wir bitten Sie, Ihr Einverständnis zur Durchführung und zum Umfang der Kurzarbeit durch Unterzeichnung dieses Schreibens schriftlich zu erklären."


Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wurden die Beschäftigten dann je nach Auftragslage in Kurzarbeit bis hin zur "Kurzarbeit Null" geschickt. Eine Arbeitnehmerin, der infolgedessen auch der Urlaub für die Zeiten mit "Kurzarbeit Null" gekürzt wurde, wollte sich damit nicht zufriedengeben und klagte vor dem Arbeitsgericht München.

Zur Erinnerung:
Lange vor der Pandemie hatten verschiedene Kammern des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für betriebsratslose Betriebe geurteilt, dass eine Vereinbarung mit Arbeitnehmer:innen über die Durchführung von Kurzarbeit folgende Inhalte haben muss:

05. November 2021

BAG aktuell: Zustimmung des Integrationsamtes gilt bis zu rechtskräftiger Aufhebung

BAG aktuell: Zustimmung des Integrationsamtes gilt bis zu rechtskräftiger Aufhebung

Wie Sie wissen, muss das Integrationsamt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer schwerbehinderten oder gleichgestellten Person vorher zustimmen. Diese Zustimmung ist ein sog. Verwaltungsakt, der auch das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess bindet. Mit anderen Worten: Das Arbeitsgericht muss seiner Entscheidung die Zustimmung des Integrationsamts zu Grunde legen, egal, ob sie seiner Meinung nach richtig oder falsch ist. Das Arbeitsgericht ist allerdings nicht gehindert, der Kündigungsschutzklage aus anderen Gründen stattzugeben.

Beschäftigte, die sich alle Optionen offenhalten möchten, müssen daher zweigleisig vorgehen:
Sie müssen die Zustimmung des Integrationsamts im Verwaltungsverfahren (Widerspruch, Klage vor dem Verwaltungsgericht) angreifen und gleichzeitig das Kündigungsschutzverfahren betreiben.

Diese Zweigleisigkeit im Verfahren wirft folgende Frage auf:
Was passiert im laufenden Kündigungsschutzverfahren, wenn die Zustimmung des Integrationsamts während des Kündigungsschutzverfahrens aufgehoben wird?

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 22.07.2021 (Az.: 2 AZR 193/21) folgendermaßen beantwortet:

Die Arbeitsgerichte sind an die einmal erteilte Zustimmung des Intergrationsamtes solange gebunden, bis diese rechtskräftig aufgehoben worden ist.

Das bedeutet:
Solange es an einem rechtskräftigen Urteil der:des Beschäftigten fehlt, dürfen Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren jedenfalls nicht mit der Begründung unterliegen, dass das Integrationsamt der Kündigung nicht zugestimmt hat.

Und was passiert, wenn die/der Beschäftigte das Kündigungsschutzverfahren rechtskräftig verloren hat und erst danach die Zustimmung des Integrationsamtes rechtskräftig gekippt wird?

02. November 2021

3G auch am Arbeitsplatz?

3G auch am Arbeitsplatz?

Italien, Österreich und auch Frankreich machen es vor: Dort gilt die sogenannte 3G-Regel auch an allen Arbeitsplätzen mit Außenkontakt.

In Deutschland ist der Gesetzgeber (noch) zurückhaltend. Und Arbeitgeber, die freiwillig die 3G-Regel einführen, können sich nicht sicher sein, dass das auch hält. Bisher herrscht nämlich noch die Ansicht vor, dass es für 3G am Arbeitsplatz an einer Rechtsgrundlage fehle. In der juristischen Fachliteratur mehren sich jedoch die Stimmen, die eine Testpflicht am Arbeitsplatz per Direktionsrecht für zulässig halten. Und das mit guten Argumenten, finden wir.

Auch die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat sich vor Kurzem mit diesem Thema befasst, konnte sich jedoch nicht auf eine bundeseinheitliche Regelung einigen. Daher gibt es mal wieder einen Flickenteppich an Regelungen zur Testpflicht am Arbeitsplatz.

Was derzeit in welchem Bundesland gilt, haben wir für Sie in alphabetischer Reihenfolge zusammengefasst:

28. Oktober 2021

"Corona-Urteile": Kündigung von Maskenverweigernden/§ 616 BGB versus § 56 IfSG/Urlaub während der Quarantäne?

"Corona-Urteile": Kündigung von Maskenverweigernden/§ 616 BGB versus § 56 IfSG/Urlaub während der Quarantäne?

In unserer Reihe der "Corona-Urteile" möchten wir Ihnen heute drei weitere Entscheidungen vorstellen.

Ist eine Kündigung von Maskenverweigernden rechtmäßig?
Über diese Frage hat das Arbeitsgericht Cottbus am 17.06.2021 (Az.:11 Ca 10390/20) geurteilt.

Der Fall: Der Arbeitgeber hatte nach Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsanalyse eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz angeordnet. Die klagende Arbeitnehmerin verweigerte die Maskenpflicht unter Vorlage eines nicht aussagekräftigen ärztlichen Attests. Nachdem mehrere Kompromissversuche gescheitert waren und die Arbeitnehmerin das Arbeiten mit Maske endgültig abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin.

Das Ergebnis vorneweg: Das Arbeitsgericht Cottbus hielt diese Kündigung für rechtmäßig.

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Anordnung der Maskenpflicht im konkreten Betrieb – ein Dienstleistungsbetrieb mit Kundenkontakt – zulässig war.

Zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Kündigung führte das Gericht dann aus: Verweigere ein:e Beschäftigte:r das Tragen einer Maske, so sei sie oder er für die Ausübung der geschuldeten Tätigkeit nicht geeignet. Gebe es auch keine andere Einsatzmöglichkeit im Betrieb, könne dann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Zwar lag im konkreten Fall ein Kleinbetrieb vor, sodass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fand. Netterweise sagte das Arbeitsgerichts Cottbus aber auch:
„Unter diesen Voraussetzungen wäre die Kündigung auch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt gewesen, und zwar sowohl wegen fehlender Einsatzmöglichkeit der Klägerin (betriebsbedingt) als auch wegen fehlender Eignung (personenbedingt) oder aufgrund einer Arbeitspflichtverletzung wegen Verweigerung der Arbeit (verhaltensbedingt).“