Skip to main content

"Corona-Urteile": Kündigung von Maskenverweigernden/§ 616 BGB versus § 56 IfSG/Urlaub während der Quarantäne?

In unserer Reihe der "Corona-Urteile" möchten wir Ihnen heute drei weitere Entscheidungen vorstellen.

Ist eine Kündigung von Maskenverweigernden rechtmäßig?
Über diese Frage hat das Arbeitsgericht Cottbus am 17.06.2021 (Az.:11 Ca 10390/20) geurteilt.

Der Fall: Der Arbeitgeber hatte nach Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsanalyse eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz angeordnet. Die klagende Arbeitnehmerin verweigerte die Maskenpflicht unter Vorlage eines nicht aussagekräftigen ärztlichen Attests. Nachdem mehrere Kompromissversuche gescheitert waren und die Arbeitnehmerin das Arbeiten mit Maske endgültig abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin.

Das Ergebnis vorneweg: Das Arbeitsgericht Cottbus hielt diese Kündigung für rechtmäßig.

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Anordnung der Maskenpflicht im konkreten Betrieb – ein Dienstleistungsbetrieb mit Kundenkontakt – zulässig war.

Zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Kündigung führte das Gericht dann aus: Verweigere ein:e Beschäftigte:r das Tragen einer Maske, so sei sie oder er für die Ausübung der geschuldeten Tätigkeit nicht geeignet. Gebe es auch keine andere Einsatzmöglichkeit im Betrieb, könne dann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Zwar lag im konkreten Fall ein Kleinbetrieb vor, sodass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fand. Netterweise sagte das Arbeitsgerichts Cottbus aber auch:
„Unter diesen Voraussetzungen wäre die Kündigung auch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt gewesen, und zwar sowohl wegen fehlender Einsatzmöglichkeit der Klägerin (betriebsbedingt) als auch wegen fehlender Eignung (personenbedingt) oder aufgrund einer Arbeitspflichtverletzung wegen Verweigerung der Arbeit (verhaltensbedingt).“

Zum gleichen Ergebnis kam im Übrigen das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 07.10.2021 (Az.: 10 Sa 867/21), in dem es die Kündigung eines Lehrers, der sich ohne aussagekräftiges Attest weigerte, eine Maske zu tragen, ebenfalls für rechtmäßig erklärte.

Arbeitgeber sollten sich jedoch nicht zu früh freuen:
Den Arbeitgebern kam in den entschiedenen Fällen zugute, dass die Gekündigten nicht ohne Kontakt mit Kunden bzw. Kindern hätten eingesetzt werden können. Und genau das mag in anderen Fällen bzw. Branchen anders sein.

Des Weiteren spielte es den Arbeitgebern in den Urteilen in die Karten, dass ihnen kein Attest vorgelegt wurde, das die Voraussetzungen für ein ärztlich attestiertes Maskenverbot erfüllt. Welche Anforderungen für ärztlich attestierte Maskenverbote gelten, hatten wir z. B. in unserem Newsletter vom 09.02.2021 besprochen.

Ob die Gerichte bei "wirksam" attestierten Maskenverboten genauso entscheiden würden, ist fraglich. Denn sowohl bei einer krankheitsbedingten Kündigung (bei wirksam attestierten Maskenverboten gelten die Arbeitnehmer:innen in der Regel als arbeitsunfähig) als auch bei einer betriebsbedingten Kündigung müsste den betroffenen Arbeitnehmer:innen die Einsatzfähigkeit auf unbestimmte Zeit, zumindest aber noch lange Zeit fehlen. Einerseits ließe sich das angesichts des ungewissen Endes der Pandemie bejahen. Andererseits wird bereits jetzt diskutiert, die Maskenpflicht - wie etwa in Dänemark geschehen - weitestgehend aufzuheben. Und, wie gerade schon gesagt, könnte die fehlende Einsatzmöglichkeit in einigen Fällen bzw. Branchen auch daran scheitern, dass die Arbeitnehmer:innen auch ohne Maske, dafür aber mit anderen Schutzvorrichtungen, eingesetzt werden können.

§ 616 BGB geht § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vor.
Über das strittige Verhältnis der Lohnfortzahlungspflicht aus § 616 BGB und dem staatlichen Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG für Quarantänefälle haben wir schon oft und zuletzt in unserem Newsletter vom 06.07.2021 berichtet:

Nun gibt es mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 02.07.2021 (Az.: 13 LA 258/21) erstmals eine obergerichtliche Aussage. Und die lautet: Solange ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB besteht, scheidet ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG aus.

Der generelle Vorrang von § 616 BGB scheint sich nun also in der Rechtsprechung zu verfestigen. Weiter ungeklärt bleibt jedoch die mindestens genauso wichtige Frage, ob bzw. bis zu welcher Dauer eine Quarantäne noch eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ im Sinne von § 616 BGB ist. Hier scheiden sich wie Sie wissen die Geister; in der Rechtsprechung wird ein Zeitrahmen von 5 Tagen bis 6 Wochen vertreten!

Diese letzte Frage hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner Entscheidung nicht beantworten müssen, da es im konkreten Fall um eine Quarantäne von nur 4 Tagen ging und diese Zeitspanne in jedem Falle von § 616 BGB erfasst wird.

Für Arbeitgeber heißt das also: Ist § 616 BGB nicht arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen, so steht vorerst fest, dass jedenfalls im Fall einer Quarantäne von einigen wenigen Tagen eine Lohnfortzahlungspflicht aus § 616 BGB besteht. Nur bei längeren Quarantänezeiträumen von 10 bis 14 Tagen bleibt noch die Hoffnung, dass dann § 616 BGB von § 56 IfSG „abgelöst“ wird und Arbeitgeber das gezahlte Geld vom Land erstattet bekommen.

LAG Düsseldorf bestätigt: Nur bei AU keine Anrechnung von Urlaub auf Quarantäne.
In unserem Newsletter vom 17.08.2021 hatten wir Ihnen Entscheidungen des Arbeitsgerichts Bonn (Urteil vom 07.07.2021, Az.: 2 Ca 504/21) und des Arbeitsgerichts Halle (Urteil vom 23.06.2021, Az.: 4 Ca 285/21) vorgestellt. Darin haben die Gerichte folgende wichtige Aussage getroffen: Erhält ein:e Beschäftigte:r während des Urlaubs eine behördliche Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus, hat die:der Beschäftigte keinen Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage.

Begründung: § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht einen Anspruch auf Nachgewährung der betroffenen Urlaubstage nur im Fall einer nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs vor. Und die Quarantäne sei keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 9 BUrlG.

Zum gleichen Ergebnis mit gleicher Begründung kam nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 15.10.2021 (Az.: 7 Sa 857/21). Auch die Düsseldorfer Richter:innen waren der Ansicht, dass eine Nachgewährung der Urlaubstage nur dann in Betracht kommt, wenn die:der Beschäftigte seine Arbeitsunfähigkeit nachweist.

Das LAG ließ aber die Revision zu, sodass abzuwarten bleibt, wie sich das Bundesarbeitsgericht positionieren wird.

  • Erstellt am .