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Pauschale Vereinbarungen zur Durchführung von Kurzarbeit - das Arbeitsgericht München gibt vorerst Entwarnung

Die Unberechenbarkeit der Pandemie hat Personalabteilungen (und im Übrigen auch Jurist:innen) bei der Kurzarbeit vor teils unlösbare Aufgaben gestellt:

Wie soll man Umfang und betroffene Beschäftigte in einer Vereinbarung über die Durchführung von Kurzarbeit konkretisieren, wenn man noch gar nicht weiß, was einen in dieser unberechenbaren Pandemie erwartet?

So ging es auch dem Unternehmen in dem vom Arbeitsgericht München am 19.07.2021 (Az.: 33 Ca 13634/20) entschiedenen Fall.
Da das Unternehmen nicht wusste, wie sich die Pandemie auf die Auftrags- bzw. Beschäftigungssituation konkret auswirken wird, schloss es mit seinen Arbeitnehmer:innen folgende "abstrakte" Vereinbarung über die Durchführung von Kurzarbeit ab:

"Sehr geehrte Mitarbeiterinnen,
sehr geehrte Mitarbeiter,
aufgrund des Wegfalls von festeingeplanten Aufträgen ist für verschiedene Abteilungen zu befürchten, dass der Betrieb nur eingeschränkt weitergeführt werden kann.
Wir beabsichtigen daher, zumindest in der Zeit vom 01. April 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit einzuführen. Der Umfang der Kurzarbeit ist derzeit nicht absehbar und kann bis hin zur Kurzarbeit "null" reichen, wenn ein Arbeiten in den Standorten nicht möglich sein sollte.
Wir bitten Sie, Ihr Einverständnis zur Durchführung und zum Umfang der Kurzarbeit durch Unterzeichnung dieses Schreibens schriftlich zu erklären."


Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wurden die Beschäftigten dann je nach Auftragslage in Kurzarbeit bis hin zur "Kurzarbeit Null" geschickt. Eine Arbeitnehmerin, der infolgedessen auch der Urlaub für die Zeiten mit "Kurzarbeit Null" gekürzt wurde, wollte sich damit nicht zufriedengeben und klagte vor dem Arbeitsgericht München.

Zur Erinnerung:
Lange vor der Pandemie hatten verschiedene Kammern des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg für betriebsratslose Betriebe geurteilt, dass eine Vereinbarung mit Arbeitnehmer:innen über die Durchführung von Kurzarbeit folgende Inhalte haben muss:

  • Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist für den Beginn der Kurzarbeit,
  • Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit,
  • betroffene Abteilung(en),
  • betroffener Personenkreis und
  • Art und Weise der Einbeziehung dieses Personenkreises.

Vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wurden somit die gleichen Kriterien aufgestellt, wie sie, mit Ausnahme der Ankündigungsfrist, allgemeiner Auffassung zur Folge für notwendige Betriebsvereinbarungen in Betrieben mit Betriebsrat gelten.

Anders urteilte das Arbeitsgericht München in seiner Entscheidung vom 19.07.2021 (Az.: 33 Ca 13634/20).

Nach Meinung der Münchener Arbeitsrichter ist die von dem Unternehmen geschlossene Vereinbarung, die in der Not so oder so ähnlich von vielen Unternehmen geschlossen worden ist, wirksam: Eine Vereinbarung über die abstrakte Befugnis von Arbeitgebern zur Anordnung von Kurzarbeit müsse möglich sein, um auf Umstände zu reagieren, die bei Abschluss der Vereinbarung nicht vorhersehbar seien.
Dem für arbeitsvertragliche Vereinbarungen geltenden Transparenz- und Bestimmbarkeitsgebot sei daher schon dann Genüge getan, wenn die Vereinbarung den Anlass, die zeitliche Dauer und den mutmaßlichen Umfang einer Kurzarbeit enthalte.

Diese Mindeststandards seien hier erfüllt. Die Vereinbarung enthalte eine Begründung, aus welchem Anlass Kurzarbeit eingeführt werden soll ("aufgrund des Wegfalls von festeingeplanten Aufträgen"), ab wann sie beginnt (April) und wann sie endet (Dezember), welche Arbeitnehmer davon betroffen seien (zunächst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und dass die Höhe der Kurzarbeit je nach Auftragslage festgesetzt werde. Wenn es in der Vereinbarung heißt, dass die Kurzarbeit "bis hin zur Kurzarbeit 'null' reichen" könne, sei dies unschädlich; denn die betroffenen Arbeitnehmer:innen könnten erkennen, dass auch Kurzarbeit "null" für die gesamte Dauer angeordnet werden könne, wenn sie die Vereinbarung unterschreiben.

Nach Meinung der Münchener Arbeitsrichter sind Beschäftigte hierdurch nicht schutzlos gestellt. Schließlich müsse auch die konkrete Anordnung von Kurzarbeit gegenüber den betroffenen Arbeitnehmer:innen rechtens sein, und diese Anordnung könne und müsse im Streitfall von den Arbeitsgerichten geprüft werden.

Das unseres Erachtens sachgerechte Urteils des Arbeitsgerichts München gibt Hoffnung, auch wenn es nur eine erstinstanzliche Entscheidung ist und daher noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss.
Unternehmen, die sich mit Beschäftigten über die Rechtmäßigkeit von Kurzarbeit streiten oder deren Kurzarbeit derzeit von der Arbeitsagentur auf Herz und Nieren geprüft wird, können jedenfalls erstmal mit dieser Entscheidung aufwarten.
Wurde die Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt, kann das den Unternehmen auch noch bei der Prüfung durch die Arbeitsagenturen auf die Füße fallen und die Arbeitsagenturen können dann das geleistete Kurzarbeitergeld zurückverlangen.
Es lohnt sich daher, für die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen zu streiten.

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