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20. Oktober 2025

Die mehrfache Wahlberechtigung von Matrix-Führungskräften - der Volltext der BAG-Entscheidung ist da!

Die mehrfache Wahlberechtigung von Matrix-Führungskräften - der Volltext der BAG-Entscheidung ist da!

In unserem Beitrag vom 23.05.2025 hatten wir Sie bereits über die Pressemitteilung zur Entscheidung des BAG vom 22.05.2025 (Az.: 7 ABR 28/24) informiert.
 
Daher wissen Sie bereits: Matrix-Führungskräfte dürfen den Betriebsrat in allen Betrieben mitwählen, denen sie (untechnisch gesprochen) angehören.
 
Aufgrund der Pressemitteilung noch unklar war die Frage: Welche Voraussetzungen müssen Matrix-Führungskräfte erfüllen, damit sie den Betriebsrat in mehreren Betrieben wählen dürfen?
 
Antworten gibt der nun vorliegende Volltext der Entscheidung:
Entscheidend ist, ob die Matrix-Führungskraft in mehreren Betrieben eingegliedert ist.
Hier wendet das BAG – wie schon vermutet – die gleichen Grundsätze wie bei § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes, also bei der Frage an, wann mehrere Betriebsräte im Zuge der Einstellung von Matrix-Führungskräften zu beteiligen sind.
 
Das bedeutet laut der aktuellen Entscheidung konkret:

  • Für eine Eingliederung spricht, wenn die Matrix-Führungskraft regelmäßig mit den in den jeweiligen Betrieben tätigen Beschäftigten zusammenarbeitet und damit ihr fachliches Weisungsrecht auch tatsächlich ausübt.

  • Ein disziplinarisches Weisungsrecht der Matrix-Führungskraft ist für ihre Eingliederung nicht erforderlich.

  • Eine Eingliederung kann bereits dann vorliegen, wenn eine Matrix-Führungskraft ein weitgehend selbständig arbeitendes Team leitet und die fachliche Führung im Arbeitsalltag keinen großen Raum einnimmt. Andererseits reicht aber auch nicht jede vereinzelte Vor- oder Zuarbeit. Es entscheiden also die Umstände des Einzelfalls.

  • Für das Wahlrecht in einem anderen Betrieb spielt es keine Rolle, dass die Matrix-Führungskraft arbeitsvertraglich einem bestimmten Standort zugeordnet wurde.

  • Von wo aus die Matrix-Führungskraft tätig wird, ist ebenfalls nicht entscheidend. Das BAG sagt wörtlich: 

    „Für die die Zugehörigkeit zu einem Betrieb vermittelnde Eingliederung ist jedenfalls nicht entscheidend, wo die Tätigkeit räumlich-örtlich ausgeübt wird. Weder ist zwingend erforderlich, dass die Führungskraft ihre Tätigkeit innerhalb von Betriebsräumen verrichtet, noch muss sie in einem bestimmten zeitlichen Mindestumfang „vor Ort“ sein, noch muss sie einer Bindung an Weisungen einer gleichfalls im Betrieb tätigen – ihr gegenüber vorgesetzten – Person unterliegen.“

Die Vorinstanz, das LAG Baden-Württemberg, muss nun nach Zurückverweisung durch das BAG u. a. klären, ob die Voraussetzungen für die Eingliederung erfüllt sind.

Das BAG hat es sich außerdem nicht nehmen lassen, die Kritik am Mehrfachwahlrecht von Matrix-Führungskräften mit folgenden (verkürzt wiedergegebenen) Argumenten zurückzuweisen:

14. Oktober 2025

Der Gesetzesentwurf zur Aktivrente ist da - unsere FAQ

Der Gesetzesentwurf zur Aktivrente ist da - unsere FAQ

Sie haben es schon gehört: Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur steuerlichen Förderung von Arbeitnehmern im Rentenalter (Aktivrentengesetz) vorgestellt.

Wir möchten Ihnen Antworten auf die Fragen geben, die Sie sich mit Sicherheit stellen:

Das Herzstück des Gesetzes – nach Erreichen der Regelaltersgrenze können bis zu EUR 2.000,00 pro Monat steuerfrei verdient werden!

Wer die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht hat und weiterarbeitet, zahlt auf ein Gehalt bis zu einem Betrag von EUR 2.000,00/Monat = EUR 24.000,00/Jahr keine Steuern. Hierdurch sollen personelle Engpässe in vielen Bereichen entschärft und Erfahrungswissen länger in den Betrieben gehalten werden.

Was ist die Regelaltersrente?
Die steuerfreie Aktivrente setzt nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein. Die Regelaltersgrenze wird für die Jahrgänge bis 1963 derzeit stufenweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Alle ab 1964 Geborenen können also erst mit 67 Jahren in die Regelaltersrente gehen.

Achtung: Die Regelaltersrente ist etwas anderes als eine abschlagsfreie Rente, die langjährig Versicherte oder schwerbehinderte Menschen auch schon vor Erreichen ihrer Regelaltersgrenze in Anspruch nehmen können. Oder anders gesagt: Die steuerfreie Aktivrente gilt nicht für Menschen, die eine abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen (können), aber die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben.

Spielt es eine Rolle, ob nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Rente tatsächlich in Anspruch genommen wird?

08. Oktober 2025

Trennungsvergleich kann datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch erledigen!

Trennungsvergleich kann datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch erledigen!

Datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche sind für Arbeitgeber ein Gräuel.
 
Bei Trennungsvergleichen ist jetzt Hoffnung in Sicht.
Einen ersten Hoffnungsschimmer gab es durch den Tätigkeitsbericht der Datenschutzbehörde des Saarlandes, der in einer umfassenden Erledigungsklausel einen zulässigen Verzicht auf Auskunftsansprüche bzgl. vergangener Datenverarbeitungen sieht. Hierüber hatten wir in unserem Beitrag vom 09.10.2024 berichtet.
 
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis ist dem in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 13.05.2025 (Az.: 2 A 165/24) erfreulicherweise gefolgt. Im Zentrum der Entscheidung standen erneut folgende Fragen: 

  • Können Beschäftigte wirksam auf ihren Auskunftsanspruch für vergangene Datenverarbeitungen verzichten?
    Die Antwort des OVG Saarlouis ist Ja.
    Wörtlich heißt es in dem Urteil:
    „Eine Disposition über den Auskunftsanspruch für ein Arbeitsverhältnis, das in der Vergangenheit bestanden hat, ist daher möglich. […] Daher ist ein Verzicht auf den Auskunftsanspruch auf Art. 15 DSGVO in einem zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Vergleich grundsätzlich möglich.
    […]
    Das Datenschutzgrundrecht ist […] kein unabdingbares Gleichheits- oder Menschenwürderecht, sondern ein Freiheitsrecht. Zu diesem gehört es, in eigener Verantwortung bestimmen zu können, ob und inwieweit man von ihm Gebrauch macht.“

  • Liegt ein solcher Verzicht ggf. schon in einer umfassenden Erledigungsklausel?
    Auch das beantwortet das OVG Saarlouis mit Ja, wenn die Erledigungsklausel umfassend ist und sich auch auf unbekannte Ansprüche unabhängig von ihrem Rechtsgrund bezieht.

Was folgt daraus für die Praxis?
Zwar lässt das OVG Saarlouis eine umfassende Erledigungsklausel ohne ausdrückliche Benennung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches genügen. Noch besser ist es aber, Beschäftige in dem Trennungsvergleich explizit auf datenschutzrechtliche Betroffenenrechte bezogen auf vergangene Datenverarbeitungen verzichten zu lassen. Dies gilt umso mehr, als dass umfassende Erledigungsklauseln nicht immer möglich oder sinnvoll sind.

01. Oktober 2025

Was haben Arbeitsverträge mit der Sozialauswahl zu tun? ‘ne Menge!

Was haben Arbeitsverträge mit der Sozialauswahl zu tun? ‘ne Menge!

Ausgangspunkt für betriebsbedingte Kündigungen ist der Wegfall von Arbeit und nicht die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Das haben wir in unserem letzten Beitrag vom 29.09.2025 erläutert.
 
Heute soll es um die Sozialauswahl gehen. Denn ist die Hürde des Wegfalls von Arbeit geschafft, muss eine Sozialauswahl folgen.
 
Was viele Unternehmen nicht wissen:
Die Sozialauswahl fängt schon bei der Gestaltung der Arbeitsverträge an!
 
Und auch hier gilt: Uns hat das ein oder andere Unternehmen bei diesem Satz mit den Worten für verrückt erklärt: Wenn ich jemanden einstelle, denke ich doch nicht gleich schon wieder an Entlassung.
 
Warum Unternehmen bei der Vertragsgestaltung an die Sozialauswahl denken sollten, macht folgendes Beispiel deutlich:
Wir stellen uns ein Unternehmen vor, das in Köln zwei Schuhgeschäfte hat, eins für Damenschuhe und eins für Herrenschuhe. Selbständige Betriebe (die Sozialauswahl ist ja betriebsbezogen durchzuführen) sind die beiden Schuhgeschäfte nicht, da es in keinem Geschäft jemanden gibt, der wichtige Personalentscheidungen – wie insbesondere Einstellungen/Entlassungen – treffen kann.
 
Während die Damenschuhe weiterhin gut laufen, ist das Geschäft mit Herrenschuhen stark rückläufig. Besserung ist nicht in Sicht.
Deshalb entscheidet das Unternehmen sich, das Geschäft mit den Herrenschuhen stillzulegen.
Unternehmerisch ist die Stilllegung katastrophal, arbeitsrechtlich ist sie indes gut; denn bei einer Stilllegung fallen immer Arbeitsplätze weg.
 
Damit sind wir auf der nächsten Stufe, der Sozialauswahl.
Und jetzt kommen die Arbeitsverträge ins Spiel: 

  • Ist im Arbeitsvertrag z.B. vereinbart, dass die Einstellung „als Schuhverkäufer in unseren Geschäften in Köln erfolgt“, muss eine Sozialauswahl zwischen den Verkäufern für Herrenschuhe und den Verkäufern für Damenschuhe erfolgen.
  • Wurde im Arbeitsvertrag dagegen vereinbart, dass die Einstellung für das Herren-Schuhgeschäft erfolgt und gibt es keine Versetzungsklausel, dann können die Verkäufer im Herren-Schuhgeschäft, das stillgelegt wird, gekündigt werden. 

Oder um es ganz allgemein zu sagen: Je enger die vereinbarte Tätigkeit ist, desto enger ist auch der Kreis derjenigen, die in eine Sozialauswahl einzubeziehen sind. Achtung: Versetzungsklauseln erweitern die Tätigkeit und damit auch den Kreis der Beschäftigten, zwischen denen eine Sozialauswahl vorzunehmen ist.
 
Bevor Unternehmen jetzt zu schnell zu einer engen Tätigkeitsbeschreibung greifen: Überlegen Sie, ob aufgrund der Organisationsstruktur und der Art der Beschäftigung eine Versetzungsmöglichkeit nicht doch sinnvoll sein kann.
Eine Versetzungsmöglichkeit ist allerdings nicht der einzige Weg, um vereinbarte Tätigkeiten zu ändern. Auch ohne Versetzungsklausel ist das möglich, wenn die Beschäftigten einverstanden sind.
 
Wichtig ist, dass man sich all diese Dinge vor jedem Vertragsschluss gut überlegt.

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29. September 2025

Betriebsbedingte Kündigung: Rechtsempfinden kontra Recht

Betriebsbedingte Kündigung: Rechtsempfinden kontra Recht

Manchmal wird Recht anders empfunden, als es ist. So auch bei betriebsbedingten Kündigungen.
 
Ausgangspunkt:
Ein Unternehmen in der wirtschaftlichen Krise möchte Personal abbauen und sprach uns an.
 
Das Gespräch (in Kurzfassung):
Der Geschäftsführer: Wir schreiben seit drei Jahren rote Zahlen und schaffen trotz unglaublichem Engagement und vieler Überstunden aller Beschäftigten den Turnaround nicht. Daher müssen wir jetzt einigen Beschäftigten betriebsbedingt kündigen …
 
Meine Antwort: Nach dem Kündigungsschutzgesetz kommt es nicht darauf an, ob Sie rote oder schwarze Zahlen schreiben. Entscheidend ist, dass dauerhaft Arbeit wegfällt.
Nun sagen Sie ja, dass alle Beschäftigten Überstunden machen. Einen Wegfall von Arbeit werden wir so nicht begründen können. Wir müssen uns daher gemeinsam anschauen, wie wir das Unternehmen so umstrukturieren können, dass Arbeit wegfällt. Sicher wird es hier Lösungen geben. Denn wenn die Umsätze trotz des großartigen Engagements aller Beschäftigten schlecht bleiben, wird es dafür ja Gründe geben, und genau da müssen wir ran.
 
Zur Demonstration der Rechtslage drehte ich den Fall anhand zweier aktueller Urteile um:
Stellen Sie sich einen funktionieren Betrieb vor, der stillgelegt wird, weil der Kunde weggefallen ist oder der Mietvertrag nicht verlängert wird.
Für das Arbeitsgericht ist nicht entscheidend, dass Sie noch andere Auftraggeber haben (LAG Köln, Urteil vom 20.03.2025, Az.: 8 SLa 310/24) oder einfach nur hätten umziehen müssen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.03.2025, Az.: 5 SLa 134/24).
Dass Sie in beiden Fällen hätten weitermachen können, weil die Betriebe funktionieren, ist egal. Kündigungsschutzrechtlich entscheidend ist, dass durch die Betriebsstilllegung die Arbeitsplätze der dort Beschäftigten auf jeden Fall wegfallen.
 
Das LAG Köln sagt in seinem Urteil wörtlich:
„Denn auch die Schließung eines funktionierenden Betriebs ist im Grundsatz von der Unternehmerfreiheit, Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, geschützt (vgl. …). Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, ob nach dem Wegfall des Hauptauftrags weitere Auftraggeber ihre Zusammenarbeit mit der Beklagten haben fortsetzen wollen.“
 
Und beim LAG Mecklenburg-Vorpommern heißt es:
„Aus welchen Gründen sich die Beklagte letztlich zur Schließung des Marktes entschieden hat, ist unerheblich. Ausschlaggebend ist allein, dass sie sich hierzu entschlossen und diese Entscheidung in die Tat umgesetzt hat, insbesondere durch Entlassung aller in dem Markt tätigen Arbeitskräfte. Mit der Schließung dieses Betriebs entfiel die Möglichkeit, die Klägerin dort zu den bisherigen oder ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.“
 
Der Mandant hatte jetzt verstanden, worauf es kündigungsschutzrechtlich ankommt. Aus unternehmerischer Sicht kann er das allerdings nicht wirklich verstehen.

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