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Das BAG hat entschieden: Kein Urlaub für ganze Kurzarbeitstage

In unserem Newsletter vom 30.11.2021 hatten wir bereits über die Pressemitteilung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2021 (Az.: 9 AZR 225/21) berichtet, in dem entschieden wurde:
 
Ganze Kurzarbeitstage reduzieren den Urlaub.

Nun liegt das Urteil auch im Volltext vor. Und die Begründung, die das Bundesarbeits-gericht für seine Kernaussage abgeliefert hat, lohnt einen nochmaligen „Post“ zu diesem Thema.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Urteilsbegründung nämlich mit allen und auch für die betriebliche Praxis wichtigen Gegenargumenten auseinandergesetzt und gesagt:

  • § 11 Absatz 1 Satz 3 des Bundesurlaubsgesetzes steht der Urlaubskürzung für ganze Kurzarbeitstage nicht entgegen. Die dortige Regelung, wonach Verdienstkürzungen u.a. wegen Kurzarbeit für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht bleiben, betrifft  nämlich nur den Faktor „Geld“ und nicht den Faktor „Zeit“ (im Sinne von Urlaubslänge). 

  • Der in § 96 Absatz 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III angeordnete Vorrang der Gewährung von Urlaub vor der Kurzarbeit ist nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts ebenfalls kein Grund, den Urlaub nicht für volle Kurzarbeitstage zu kürzen. Denn § 96 Absatz 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III regelt zwar den Vorrang, aber nicht den Umfang des Urlaubsanspruchs, um den es hier geht. 

  • Eine solche Kürzung verstößt auch nicht gegen den Sinn und Zweck von Urlaub.
    Fallen ganze Urlaubstage infolge von Kurzarbeit weg, verringert sich nämlich auch die arbeitsmäßige Belastung der Arbeitnehmer:innen. 

  • Das Argument, Arbeitnehmer:innen könnten die Freizeit für ihre durch Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage nicht rechtzeitig planen (infolge der unberechenbaren Entwicklungen während der Pandemie hat es ja viele nicht planbare Kurzarbeitstage gegeben), lässt das Bundesarbeitsgericht ebensowenig gelten.
    Auch hier unterscheidet das Bundesarbeitsgericht scharfsinnig, indem es sagt:

    „Im Gegensatz zur Gewährung von Urlaub ist es für dessen Berechnung nicht entscheidend, ob es sich bei den Arbeitstagen, die aufgrund von Kurzarbeit ausfallen, um eine für Arbeitnehmer:innen im Voraus planbare und frei gestaltbare Freistellung handelt oder diese damit rechnen müssen, ggfs. kurzfristig aus der Kurzarbeit wieder herausgenommen zu werden.“

    Und weiter: 

    „Die in einer Kurzarbeitsvereinbarung geregelte Möglichkeit, Arbeitnehmer:innen unter Einhaltung von Fristen wieder zur Rückkehr zur normalen Arbeitszeit aufzufordern, kann zwar zu Einschränkungen in der Freizeitgestaltung und -planung führen. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei aufgrund von Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstagen um Freizeit handelt, die Arbeitnehmer:innen frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen können.“

  • Selbst den Umstand, dass Arbeitgeber ohne die Kurzarbeit ggfs. das Gehaltsrisiko tragen müssten (vgl. hierzu unseren Newsletter vom 14.10.2021), lässt das Bundesarbeitsgericht nicht gelten. Kurzarbeitstage zählen – anders als in anderen Fällen – also nicht wie Tage mit Arbeitspflicht.
    Als andere Fälle, bei denen Tage der Nichtarbeit wie Arbeitstage gezählt werden, nennt das Bundesarbeitsgericht:
    - Feiertage,
    - Freistellungen für Bildungsveranstaltungen,
    - Vorübergehende Arbeitsverhinderungen nach § 616 des BGB oder
    - Suspendierungen nach §§ 2, 3 des Pflegezeitgesetzes.

    Diese Fälle sind laut Bundesarbeitsgericht anders als durch die Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage zu behandeln. Denn in diesen Fällen verändert sich der arbeitsvertragliche Arbeitsrhythmus durch die Nichtarbeit nicht, bei der Kurzarbeit dagegen schon.

Und was ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz bezogen auf Beschäftigte, die schon vor der Kürzung aufgrund von Kurzarbeit ihren vollen Urlaub hatten?

Die Kürzung der Urlaubsdauer um volle Kurzarbeitstage führt natürlich dazu, dass Arbeitgeber den Urlaubsanspruch ggfs. mehrfach während des Kalenderjahres neu berechnen müssen.
Die Arbeitnehmer:innen, die ihren vollen Jahresurlaub schon vor der Neuberechnung genossen haben, sind daher klar im Vorteil. Denn zu viel genommenen Urlaub bekommen Arbeitgeber bekanntlich nicht zurück.
 
Infolgedessen hat das Bundesarbeitsgericht sich in der heute besprochenen Entscheidung auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz beschäftigt.
Eine sachwidrige Ungleichbehandlung zwischen beiden Gruppen hat es aber im Ergebnis ebenfalls verneint.
 
Alles in allem also ein ausführlich und gut begründetes Urteil, mit dem Arbeitgeber leben und auch arbeiten können.

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