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Low Performance als (fristloser) Kündigungsgrund?

Gerade wurden zwei Urteile des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven veröffentlicht, in denen das Gericht die fristlose Kündigung von Low Performern bestätigt hat (Urteile des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 14.12.2023, Az.: 2 Ca 2206/23 sowie 2 Ca 2207/23).

Die fristlosen Kündigungen betrafen Verwaltungsbeschäftigte im Bereich des Bürgertelefons. Die durchschnittliche Telefoniezeit lag unter Berücksichtigung der sonstigen Aufgaben bei mindestens 60 %.

Die technischen Auswertungen ergaben, dass der eine Kläger in dem Zeitraum von März bis Mai 2023 bloß eine durchschnittliche Telefoniequote von 41 % und der andere Kläger im selben Zeitraum eine durchschnittliche Telefoniequote von nur 33 % erreichte.

Die technischen Auswertungen ergaben darüber hinaus, dass die Kläger an einigen Tagen weniger als drei Stunden telefonierten, obwohl ihnen hierfür acht Stunden zur Verfügung standen.
Welchen Arbeiten die Kläger in der restlichen Zeit nachgegangen waren, konnten sie nicht darlegen. Tatsache war jedoch, dass es an diesen Tagen jede Menge Anrufe gegeben hat, die die Kläger außerhalb der von ihnen geleisteten Telefoniezeit hätten annehmen können.
Aufgrund dieser zusätzlichen Umstände (Telefoniezeit von knapp drei Stunden trotz zahlloser weiterer Anrufe, die hätten entgegengenommen werden können) ging das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven von einer vorsätzlichen Arbeitsverweigerung aus und entschied sich deshalb für die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigungen.
Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen.

Da Low Performance, zumal in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten, ein aktuelles Thema ist, möchten wir das Urteil gerne arbeitsrechtlich einordnen.

In sehr vielen Fällen wissen Arbeitgeber nur, dass Beschäftigte unterdurchschnittliche Leistungen erbringen. Warum das so ist, insbesondere also, ob eine höhere Leistung möglich gewesen wäre, wissen sie nicht.

Hier war das anders. Hier wusste der Arbeitgeber, dass die beiden Verwaltungsmitarbeiter an etlichen Tagen nur knapp drei Stunden telefoniert hatten, obwohl es zahllose weitere Anrufe gab.
Anders als in vielen anderen Fällen, gab es hier also belegbare Umstände, die dafür sprachen, dass die Kläger einfach nichts taten, obwohl es genug Arbeit gegeben hätte.

Die Entscheidungen, gegen die im Übrigen bereits jeweils Berufung eingelegt wurde, können also nicht ohne Weiteres auf die Fälle übertragen werden, in denen Arbeitgeber nur die Minderleistung als solches, nicht aber ansatzweise deren Ursachen kennen.

Grund genug für uns, die Rechtsprechung zu diesen Fällen noch einmal zusammenzufassen:

Unter Low Performern versteht man gemeinhin Beschäftigte, deren Arbeitsmenge hinter dem Durchschnitt zurückbleibt („quantitative Minderleister“).

Auch wenn Arbeitgeber die Ursachen für solche Minderleistungen in der Regel nicht kennen, sind sie nicht machtlos.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die im Jahr 2003 begann, gilt Folgendes:

Unterschreiten Beschäftigte die quantitative Durchschnittsleistung der mit ihnen vergleichbaren Kolleg:innen über einen längeren Zeitraum (in dem damals vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall waren es rund zwölf Monate) durch die Bank um mehr als 33 %, kommt sowohl eine verhaltens- als auch eine personenbedingte Kündigung in Betracht (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2003, Az.: 2 AZR 667/02 und auch Urteil vom 03.06.2004, Az.: 2 AZR 386/03).

Bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen quantitativer Minderleistung wirft man den Beschäftigten vor, dass sie nicht mehr leisten wollen, und bei einer personenbedingten Kündigung hält man ihnen vor, dass sie nicht mehr leisten können.

Das „Tolle“ daran ist, dass Arbeitgeber sich nicht entscheiden müssen, ob sie verhaltens- oder personenbedingt kündigen wollen. Denn gerade weil Arbeitgeber ja nicht wissen können, ob Beschäftigte nicht besser wollen oder nur nicht besser können, gestattet die Rechtsprechung dem Arbeitgeber, sowohl aus verhaltens- als auch personenbedingten Gründen zu kündigen. Da man für verhaltensbedingte und mittlerweile auch für personenbedingte Schlechtleistungen aber eine Abmahnung braucht, muss vor dem Ausspruch einer sowohl verhaltens- als auch personenbedingten Kündigung immer mindestens eine Abmahnung ausgesprochen werden.
Der Erfolg einer verhaltens- oder personenbedingten Kündigung wegen Minderleistungen hängt dann laut Bundesarbeitsgericht von der Verteidigung der Beschäftigten ab. Im Grunde genommen müssen Beschäftigte, die die quantitativen Durchschnittsleistungen der mit ihnen vergleichbaren Kolleg:innen um mehr als 33 % unterschreiten, zweierlei tun:
Erstens müssen sie darlegen, dass sie ihr Leistungsvermögen ausgeschöpft haben und ihnen die Minderleistungen daher nicht vorgeworfen werden können (mit einer solchen Einlassung könnten sie den verhaltensbedingten Kündigungsvorwurf ausräumen).
Und zweitens müssen sie dartun, dass sie eine positive Zukunftsprognose haben, weil aufgrund bestimmter Umstände damit zu rechnen ist, dass sie kurzfristig wieder an den Leistungsdurchschnitt der mit ihnen vergleichbaren Kolleg:innen herankommen (diese Einlassung könnte den personenbedingten Kündigungsvorwurf entkräften).
In vielen Fällen wird den Beschäftigten das aber nicht gelingen.

So verlockend diese neue Rechtsprechung auch klingen mag – einfach ist sie in der betrieblichen Praxis nicht durchzusetzen. Diese Rechtsprechung funktioniert nämlich nur, wenn – grob gesagt – folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es dürfen immer nur Leistungen miteinander verglichen werden, die auch tatsächlich vergleichbar sind. Die Arbeitsbedingungen der miteinander verglichenen Beschäftigten müssen also praktisch identisch sein. 
  • Die unterdurchschnittliche Arbeitsmenge muss der einzelnen Person zuzurechnen sein. In den Fällen, in denen mehrere Beschäftige (womöglich noch aus unterschiedlichen Abteilungen) an einem Arbeitsergebnis mitwirken, ist das folglich schon ein Problem.
  • Eine arbeitsrechtlich relevante Minderleistung liegt außerdem nur dann vor, wenn die Leistung der Beschäftigten – wie eingangs schon gesagt – den Leistungsdurchschnitt der vergleichbaren Kolleginnen und Kollegen über einen längeren Zeitraum um mehr als 33 % verfehlt.
  • Die Leistungen der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer müssen verlässlich erfasst werden.
  • Schließlich müssen quantitative Minderleistungen, bei denen nur der Misserfolg, aber keine Arbeitsverweigerung oder andere Fehlverhalten feststellbar sind, vorher abgemahnt werden. Und auch hier gibt es eine Spezialität: Wenn nur die unterdurchschnittliche Leistung feststellbar ist, muss der abgemahnte Vorwurf nämlich lauten, dass die Beschäftigten ihr Leistungsvermögen nicht angemessen ausschöpfen

Erst wenn Arbeitgeber diese Voraussetzungen darlegen können, müssen Beschäftigte nach den gerade dargestellten Grundsätzen in einem späteren Kündigungsschutzprozess widerlegen, dass ihre Leistungsdefizite weder verhaltens- noch personenbedingte Ursachen haben.
 
Die vom Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven entschiedenen Fälle haben also mit der „klassischen“ Low-Performer-Rechtsprechung, bei der die Minderleistungen nicht mit Fehlverhalten einhergehen bzw. Fehlverhalten nicht nachweisbar ist, wenig zu tun.
 
Man darf die Urteile daher nicht überbewerten. Interessant wird auch sein, wie die Berufungsverfahren ausgehen. Das gilt übrigens auch für die Frage, ob hier nicht doch Abmahnungen erforderlich gewesen wären. Denn es gibt auch etliche Gerichte, die bei einer Kündigung wegen Arbeitsverweigerungen Abmahnungen fordern.

Wir werden weiter berichten.

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