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Update zum Thema Massenentlassungsanzeige

Wir hatten im vergangenen Jahr mehrfach über die vom 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigte Rechtsprechungsänderung bei fehlenden oder falschen Massenentlassungsanzeigen berichtet. Den letzten Stand hatten wir Ihnen in unserem Newsletter vom 08.01.2024 mitgeteilt.
Danach war der 6. Senat entschlossen, die bisherige Rechtsprechung aufzugeben und fortan zu entscheiden, dass fehlende oder fehlerhafte Massenentlassungsanzeigen nicht mehr zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen.

Da der beabsichtigte Rechtsprechungswandel auch die bisherige Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts betrifft, hat der 6. Senat beim 2. Senat angefragt, ob er die beabsichtigte Rechtsprechungsänderung mitträgt.

Die Einzelheiten zu diesem vom 6. Senat eingeleiteten Anfrageverfahren und deren Folgen können Sie wie gesagt noch einmal in unserem Newsletter vom 08.01.2024 nachlesen.

Dumm ist nur, dass der 2. Senat dem 6. Senat nicht ohne Weiteres folgen möchte; zumindest nicht in den Fällen, in denen der Arbeitgeber gar keine Massenentlassungsanzeige erstattet hat. Grund für die Zweifel des 2. Senats ist die in § 18 des Kündigungsschutzgesetzes geregelte Entlassungssperre.
In § 18 des Kündigungsschutzgesetzes heißt es:

„(1) Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, werden vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden.
(2) Die Agentur für Arbeit kann im Einzelfall bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.
(3) (weggefallen)
(4) Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.“
 
Nach Meinung des 6. Senats kann es ohne eine von der Agentur für Arbeit für richtig befundene Massenentlassungsanzeige keine Entlassungssperre und damit auch keine wirksame Entlassung geben.
Dabei räumt der 6. Senat allerdings ein, dass es ausreichen muss, wenn die Agentur für Arbeit die Massenentlassungsanzeige geprüft und für ordnungsgemäß befunden hat. Sollte die Arbeitsagentur also einen Fehler übersehen bzw. nicht erkannt haben, könnten die Kündigungen (so verstehen wir den 2. Senat) also durchaus wirksam sein.

Der 2. Senat sieht sich hierbei durch die EU-Massenentlassungsrichtlinie und auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestätigt.

Deshalb hat der 2. Senat nun (im Rahmen des Anfrageverfahrens vom 6. Senat) eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemacht, Az.: 2 AS 22/23.
Das hat man auch nicht alle Tage: Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Rahmen einer Anfrage zwischen zwei Senaten des Bundesarbeitsgerichts!

Nun liegt der Ball also wieder im Feld des Europäischen Gerichtshofs und Sie können schon ahnen, dass es länger dauern wird, bis der Europäische Gerichtshof zunächst die an ihn gerichtete Anfrage und dann der 2. Senat die Anfrage des 6. Senats beantwortet hat.

Das bedeutet für die betriebliche Praxis: Bei der Massenentlassungsanzeige kann noch lange keine Entwarnung gegeben werden.

Arbeitgeber tun nach wie vor gut daran, eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige zu erstatten, auch wenn das nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit vielen Fallstricken behaftet ist.

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