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Was Arbeitgeber tun müssen, um Vertragsbedingungen der AGB-Kontrolle zu entziehen

Seit dem 01.01.2002 gilt bekanntlich auch für Arbeitsbedingungen (Arbeitsverträge u. ä.), die vom Arbeitgeber formuliert wurden, die strenge Wirksamkeitskontrolle der der §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches, die sogenannte AGB-Kontrolle.
Diese AGB-Kontrolle hat dazu geführt, dass bei Arbeitsvertragsklauseln u. ä. fast nichts mehr beim Alten geblieben ist.
Klauseln, die vor dem 01.01.2002 wirksam waren, wurden plötzlich unwirksam, z. B. weil sie gegen das Transparenzgebot (§ 307 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verstoßen, überraschend sind ( § 305c des Bürgerlichen Gesetzbuches), Beschäftigte unangemessen benachteiligen (§ 307 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) oder mit den besonderen Klauselverboten der §§ 308, 309 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht in Einklang zu bringen sind.
Dumm ist auch, dass die AGB-Kontrolle keine Mehrfachverwendung von vorformulierten Arbeitsbedingungen voraussetzt; vielmehr lösen sogar vorformulierte Arbeitsbedingungen, die nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, die AGB-Kontrolle (mit gewissen Einschränkungen) aus, § 310 Absatz 3 Nr. 2. des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Die AGB-Kontrolle geht also weiter als manch einer denkt.
Für Arbeitgeber ist das deshalb ein Problem, weil sie (und nicht die Beschäftigten) es sind, die die Arbeitsbedingungen in aller Regel formulieren.



Gefuchste Arbeitgeber gehen daher vermehrt dazu über, Arbeitsbedingungen bewusst mit Beschäftigten zu verhandeln, um sie der strengen AGB-Kontrolle zu entziehen.

Rechtsgrundlage für diese „Verhandlungstaktik“ sind § 305 Absatz 1 Satz 3 und § 310 Absatz 3 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Danach findet eine AGB-Kontrolle nämlich dann nicht statt, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind.

In der Praxis sieht das meistens so aus, dass bestimmte Inhalte von Arbeitsverträgen diskutiert werden, die dann vom Arbeitgeber „zu Papier“ gebracht werden.

Aber reicht das?
Nein, das reicht nicht!
Es reicht nicht, wenn Arbeitgeber Inhalte verhandeln und sie dann selbst „zu Papier“ bringen.
Erforderlich wäre vielmehr, dass Arbeitgeber die von ihnen aufgrund von Verhandlungen formulierten Klauseln ebenfalls zur Disposition stellen. Arbeitgeber müssen Beschäftigte daher ausdrücklich dazu einladen, mit dem Arbeitgeber über die Formulierungen zu verhandeln bzw. eigene Formulierungsvorschläge zu unterbreiten.
Eine andere Möglichkeit, die aber wohl nur für die wenigsten Arbeitgeber in Betracht kommen wird, wäre die, den Arbeitnehmer zu bitten, das Verhandlungsergebnis selbst zu vertexten.

So hat es z. B. das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem gerade erst im Volltext veröffentlichten Urteil vom 22.02.2023 (Az.: 6 Sa 155/22) entschieden.

Wörtlich sagen die rheinlandpfälzischen Landesarbeitsrichter:
„Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte [Anmerkung: gemeint sind die vom Arbeitgeber vorgetragenen Diskussionen über bestimmte Inhalte], ist dem Vortrag der Beklagten jedenfalls nicht zu entnehmen, dass die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden und deshalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht auszugehen wäre. Dafür, dass die Klägerin die zuletzt gewählten Formulierungen in die Vereinbarung eingebracht hätte oder auf den Inhalt der letztlich vereinbarten Klausel in Abs. 1 Vereinbarung Jahresprämie Einfluss nehmen konnte, hat die Beklagte keine Anhaltpunkte vorgetragen [vgl. zu den Anforderungen des „Aushandelns“ BAG 19. August 2015 – 5 AZR 500/14 – Rn. 16 ff. (17), zitiert nach Juris.“

Neu ist diese Erkenntnis nicht, geht sie doch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zurück.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zitierten Urteil vom 19.08.2015 Aushandeln wie folgt definiert:

„Die Möglichkeit der Einflussnahme, die sich auf die konkrete Klausel beziehen muss, ist nur gegeben, wenn der Verwender einer AGB deren Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Dies setzt zumindest voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dies dem Verwendungsgegner bei Abschluss des Vertrags bewusst war. Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die im Streit stehende Klausel freiwillig akzeptiert (BAG, NJW 2010, 2827 = NZA 2010, 939 Rn. 25 ff. mwN).“

Wir erleben es in unserer Beratungspraxis allerdings immer wieder, dass Unternehmen nicht genau wissen, was sie tun müssen, um Arbeitsbedingungen auszuhandeln und sie damit der strengen AGB-Kontrolle zu entziehen.
Jetzt sind Sie schlauer.

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