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Weitere BAG-Urteile, die die Herzen von Arbeitgebern zum Jahresende höherschlagen lassen

Mit zwei gerade im Volltext veröffentlichten Urteilen hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Jahresende noch einmal gut mit den Arbeitgebern gemeint.

1. BAG erweitert Verwertbarkeit von Informationen aus „vertraulichen“ Gesprächen

In unserem Newsletter vom 24.08.2023 hatten wir Ihnen bereits von der Pressemitteilung des BAG-Urteils vom 24.08.2023 (Az.: 2 AZR 17/23) berichtet.
Nun, da das Urteil im Volltext vorliegt, lohnt es sich, das Thema noch einmal aufzugreifen. Denn die kompletten Entscheidungsgründe machen deutlich, dass es für Arbeitgeber in Zukunft generell leichter sein wird, Informationen aus „vertraulichen“ Gesprächen zwischen Beschäftigten zu verwerten.

In vielen Unternehmen gibt es Beschäftigte, die über das Unternehmen, Vorgesetzte oder Arbeitskolleg:innen in einer Art und Weise herziehen, die salopp gesprochen nicht mehr feierlich ist. So war es, wie Sie aus unserem Newsletter vom 24.08.2023 wissen, auch in dem vom BAG entschiedenen Fall. Werden solche Gesprächsinhalte an den Arbeitgeber weitergegeben und kommt es infolgedessen zu Kündigungen, sehen sich Unternehmen im anschließenden Kündigungsschutzprozess oft der Frage ausgesetzt, ob diese Äußerungen gegen die Beschäftigten verwertet werden dürfen. Schließlich, so die Argumente von gekündigten Beschäftigten, seien diese Äußerungen ja vertraulich gewesen und sie, die Gekündigten, hätten darauf vertrauen dürfen, dass sie nicht nach außen dringen.

Mit solchen Einlassungen werden Beschäftigte es in Zukunft nicht mehr so leicht haben.

Beschäftigte können nach dem Urteil des BAG vom 24.08.2023 (Az.: 2 AZR 17/23) nämlich nur unter strengen Voraussetzungen erwarten, dass solche Äußerungen nicht weitergegeben werden.

Die wesentlichen Feststellungen des BAG möchten wir in gewohnter Manier folgendermaßen für Sie auf den Punkt bringen:

  • Eine grundsätzlich "beleidigungsfreie" Sphäre gibt es nur in der Kommunikation mit nahen Familienangehörigen oder Personen, die in einem vergleichbaren Verhältnis wie nahe Familienangehörige stehen.
    Bei Arbeitskolleg:innen wird dieses besondere Näheverhältnis nur in seltenen Fällen erreicht werden.

  • Zwar kann es auch in Gesprächen unter Arbeitskolleg:innen einen „geschützten Raum“ geben. Eine bloß einseitige Vertraulichkeitserwartung der Beschäftigten, die andere beleidigen o. ä. reicht laut BAG insoweit aber nicht aus.
    Entscheidend ist also, ob solche Beschäftigte sicher davon ausgehen dürfen, dass die anderen am Gespräch Beteiligten das Gesagte für sich behalten.
    Und hieran sind laut BAG vor allem in folgenden Fällen Zweifel angebracht:
    👉 Es handelt sich um eine Zusammenkunft einer größeren Anzahl von Beschäftigten.
    👉 In dem Gespräch sind Äußerungen gefallen, durch die der Betriebsfrieden in besonderem Maße gestört und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber besonders belastet wird.

    Je größer die Gruppe und je feindseliger die Äußerungen, desto weniger ist Vertraulichkeit zu erwarten.

    Wörtlich sagt das BAG:
    „Bei der danach gebotenen Würdigung hat das Landesarbeitsgericht nicht alle relevanten Aspekte berücksichtigt, die für die Beurteilung einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung des Klägers von Bedeutung sind. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer angesichts der Größe und Zusammensetzung des beteiligten Personenkreises berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben. In einer Konstellation wie der vorliegenden wird eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung daher nur im Ausnahmefall in Betracht kommen.

  • Auch der Umstand, dass die beleidigenden, ja menschenverachtenden Äußerungen in einer „Ende-zu-Ende“ verschlüsselten WhatsApp-Kommunikation erfolgten, ändert daran nichts.
    Das BAG wischt dieses Argument zu Recht mit folgender Begründung vom Tisch: „Die vermeintliche sichere Übermittlung der Äußerungen an andere Gesprächsteilnehmer begründet aber kein Vertrauen ihres Absenders dahingehend, dass die Empfänger die an sie übermittelten Inhalte vertraulich behandeln.
    Maßgeblich ist insoweit nicht, das Ausspähen während des Nachrichtenaustauschs, sondern die Weitergabe durch ein Gruppenmitglied, das die Vertraulichkeit nicht in dem – möglicherweise nur einseitig – erwarteten Umfang wahrt.“

  • Last, but not least verwirft das BAG auch die datenschutzrechtlichen Argumente der „Übeltäter“.
    Ein Verwertungsverbot kommt laut BAG nur in Betracht, wenn das aus unions- oder verfassungsrechtlichen Gründen zwingend geboten ist.
    In allen anderen Fällen gilt: Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Bestimmungen, die die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken. Das gilt grundsätzlich sogar für Erkenntnisse oder Beweismittel, die rechtswidrig erlangt wurden.
    Im entschiedenen Fall hat das BAG einen zwingenden und durch unsere grundgesetzlichen Bestimmungen gebotenen Schutz der „Übeltäter“ mit der Begründung verneint, dass die Äußerungen nicht den unantastbaren Intim-, sondern allenfalls den Privatbereich betrafen.

    Nach seiner ebenfalls bemerkenswerten Entscheidung zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer offenen Videoüberwachung entgegen den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung (siehe dazu unseren Newsletter vom 18.08.2023) hat das BAG also einmal mehr bekräftigt:

    Datenschutz ist kein Täterschutz!

2. Frei ist manchmal doch nicht frei
 
In unserem Newsletter vom 20.01.2023 hatten wir vom Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27.09.2022 berichtet.
Darin hatten die Schleswig-Holsteiner Landesarbeitsrichter einem Arbeitnehmer Recht gegeben, der sich geweigert hatte, an seinem freien Tag eine SMS mit seinen Dienstzeiten für den Folgetag zur Kenntnis zu nehmen und auch telefonisch nicht erreichbar war.
„Frei sei schließlich frei“, so dass LAG Schleswig-Holstein.
Dem ist das BAG in seinem Urteil vom 23.08.2023 (Az.: 5 AZR 349/22) nicht gefolgt.
Laut BAG war der Arbeitnehmer verpflichtet, seine ihm per SMS mitgeteilten Dienstzeiten für den Folgetag auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.
Entscheidend hierfür war laut BAG allerdings eine betriebliche Regelung, der zufolge der Arbeitgeber das Recht hatte, Zeit und Ort der Arbeitsleistung am Folgetag zu konkretisieren. Die Entscheidung kann mit anderen Worten nicht auf Fälle übertragen werden, in denen Beschäftigte nicht damit rechnen müssen, während ihrer Freizeit Weisungen zu erhalten.
 
Frei ist also doch nicht immer frei.
 
Frei ist vor allen Dingen dann nicht gleich frei, wenn Beschäftigte erwartbar etwas tun müssen, was sie so wenig beeinträchtigt, dass die Grenze zur Arbeitszeit nicht erreicht wird. Auch das hat das BAG in diesem Urteil klarstellt.
 
Alles in allem also wieder gute Nachrichten für Arbeitgeber.

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