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Wirksame Kündigung trotz fehlerhafter Massenentlassungsanzeige?

In unserem Newsletter vom 20. Juli 2023 hatten wir bereits darüber berichtet, dass sich eine wichtige Rechtsprechungsänderung andeutet.

Hintergrund unseres damaligen Newsletters war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der die Verpflichtung des Arbeitgebers, der zuständigen Behörde im Rahmen des Massenentlassungsverfahrens eine Abschrift seiner Mitteilung an den Betriebsrat zu übermitteln, nicht den Zweck hat, den von Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren.

Nicht entschieden hatte der EuGH die Frage, ob die Massenentlassungsanzeige insgesamt Individualschutz vermittelt, was aber Voraussetzung dafür wäre, dass Verstöße zu Unwirksamkeit der Kündigungen führen können.

Der 6. Senat des BAG hat sich zu dieser Frage offenbar eine eigene Meinung gebildet. Er möchte die bisherige Recht­spre­chung zu den Folgen einer feh­ler­haf­ten Massenentlassungsanzeige auf­ge­ben:

Ver­stö­ße gegen § 17 Abs. 1 und 3 KSchG sol­len nach Auffassung des 6. Senats des BAG nicht mehr zur Un­wirk­sam­keit der Kün­di­gungen füh­ren.

Achtung: § 17 Abs. 1 und 3 KSchG betreffen die Massenentlassungsanzeige. Verstöße gegen das in § 17 Abs. 2 KSchG geregelte Konsilitationsverfahren mit dem Betriebsrat sind von der beabsichtigten Änderung der Rechtsprechung nicht betroffen.

Die Kehrtwende, die der 6. Senat bei der Massententlassungsanzeige vollziehen möchte, widerspricht allerdings der bisherigen Rechtsprechung des BAG, genauer des 2. Senats, nach der Verstöße gegen die im Zusammenhang mit Massenentlassungen bestehenden Anzeigepflichten nach § 17 KSchG zur Nichtigkeit der Kündigungen führen.

Deshalb hat der 6. Senat an den 2. Senat eine s.g. Divergenzanfrage nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet; er hat also gefragt, ob der 2. Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten möchte.
Entweder, der 2. Senat gibt seine bisherige Rechtsauffassung auf, oder der Streit zwischen den Senaten muss vom Großen Senat des BAG entschieden werden.

Da Massenentlassungsanzeigen sehr fehlerträchtig sind, würde eine Änderung der Rechtsprechung, wie sie der 6. Senat anstrebt, erhebliche Erleichterungen für Unternehmen bedeuten.

Es bleibt also spannend! Natürlich halten wir Sie auf dem Laufenden.

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