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Update Whistleblowing – Aktuelles zur konzerninternen Meldestelle und zur Beweislastumkehr

In unserem heutigen Update Whistleblowing soll es um die Themen konzerninterne Meldestelle und Beweislastumkehr gehen.

1. Der Streit um die konzerninterne Meldestelle

Wie Sie durch unsere bisherigen Newsletter wissen, wird kontrovers über die Möglichkeit einer konzernweiten Meldestelle diskutiert.
Was konzernweite Meldestellen anbelangt, sind die EU-Kommission und der deutsche Gesetzgeber nämlich unterschiedlicher Meinung:
Die EU-Kommission hält eine konzernweite Meldestelle für unzulässig – nach dem deutschen Gesetzgeber reicht eine zentrale Meldestelle im Konzern aus.

Worum geht es genau in dem Streit?

Sowohl nach EU- als auch deutschem Recht haben Unternehmen aller Größenordnungen die Möglichkeit, einen Dritten (externe Plattformbetreiber, externe Anwälte, Berater etc.) mit dem Betrieb einer Meldestelle zu beauftragen.
Und hier setzt der deutsche Gesetzgeber an. Er argumentiert in der Gesetzesbegründung zum Hinweisgeberschutzgesetz, dass auch selbstständige Unternehmen innerhalb eines Konzerns „Dritter“ sein können.
Die EU-Kommission ist dagegen der Meinung, dass konzernangehörige Unternehmen gerade keine „Dritten“ sind.

Ein weiterer Konflikt liegt darin, was dieser „Dritter“ darf. Auch hier gehen die Ansichten von EU-Kommission und deutschem Gesetzgeber auseinander.
Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass bei der Beauftragung von Dritten die Aufgaben klar aufgeteilt werden müssen: Der externe Dritte darf nur die Meldungen entgegennehmen und deren Eingang bestätigen. Die Weiterbearbeitung der Beschwerden und die Kommunikation mit dem Hinweisgeber sind dagegen Aufgabe des jeweiligen Unternehmens.
Der deutsche Gesetzgeber versteht die Kompetenzen des Dritten weiter und gestattet dem Dritten auch, Ermittlungen vorzunehmen. Die Verantwortlichkeit, ggfs. erforderliche Maßnahmen zu ergreifen und Verstöße zu verfolgen, bleibt aber in jedem Fall (also auch nach der deutschen Sichtweise) bei dem betroffenen Tochterunternehmen.

Allerdings gibt es auch nach Meinung der EU-Kommission Möglichkeiten, konzernweite Meldestellen in den Prozess einzubinden. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur, für mittelgroße Konzerne und Unternehmen, die in der Regel 50 bis 249 Beschäftigte haben.

Die folgende Übersicht soll vereinfacht zeigen, welche Aufgaben auch nach EU-Recht wer übernehmen kann, unabhängig davon, ob es sich um ein mittelgroßes oder großes Konzernunternehmen handelt.

  mittelgroße Unternehmen (50-249 Beschäftigte) Große Unternehmen (≥ 250 Beschäftigte)
Entgegennahme der Meldung inklusive Eingangsbestätigung
  • Unternehmen selbst
  • Gemeinsame Meldestelle
    (für Konzernunternehmen bis 249 Beschäftigte)
  • Konzernweite Meldestelle
    nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist
  • Externer Dritter
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist
  • Externer Dritter
Ermittlungen
  • Unternehmen selbst
  • Gemeinsame Meldestelle
    (für Konzernunternehmen bis 249 Beschäftigte)
  • Konzernweite Meldestelle
    (für Konzerne, bei denen ein oder mehrere Konzernunternehmen mehr als 249 Beschäftigte haben) Wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist:
    • Teilen der Ermittlungskapazität
    • Unternehmensübergreifende Beschwerde
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    Wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist: Unternehmensübergreifende Beschwerde
Kommunikation/ Feedback an hinweisgebende Person
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    (für Konzerne, bei denen ein oder mehrere Konzernunternehmen mehr als 249 Beschäftigte haben) nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist
Vornahme der ggfs. zu ergreifenden Maßnahmen
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    (für Konzerne, bei denen ein oder mehrere Konzernunternehmen mehr als 249 Beschäftigte haben) nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist
  • Unternehmen selbst
  • Konzernweite Meldestelle
    nur, wenn Hinweisgeber damit einverstanden ist

 

2. Beweislastumkehr
 
Zum Schutz von Hinweisgebern sieht § 36 Abs. 2 des Hinweisgeberschutzgesetzes eine Beweislastumkehr vor. Wörtlich heißt es dort:
„Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.“
 
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf musste sich in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 18.04.2023 (Az.: 3 Sa 377/22) mit folgender interessanter Frage beschäftigen:
 
Gilt die Beweislastumkehr auch für interne Beschwerden in Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten?
 
In dem vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschiedenen Fall kam es aus folgenden Gründen auf diese Frage an:
Im zeitlichen Zusammenhang mit einer internen Meldung erhielt der Kläger eine Kündigung. Da das Kündigungsschutzgesetz für ihn nicht galt, machte er die Unwirksamkeit der Kündigung wegen verbotener Maßregelung (§ 612 a des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend.
Für den Unwirksamkeitsgrund der verbotenen Maßregelung gilt grundsätzlich, dass die Beschäftigten, die sich auf die verbotene Maßregelung berufen, hierfür die Darlegungs- und Beweislast tragen.
Da die Beweisführung für den Kläger schwierig war, berief er sich auf die für Hinweisgeber geltende Beweislastumkehr.
 
Die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter lehnten die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr jedoch ab. Sie begründeten das damit, dass der Kläger nicht in den Schutzbereich der Vorschrift falle, da der beklagte Arbeitgeber unter 50 Beschäftigten läge und damit nicht zur Errichtung einer internen Meldestelle bzw. der internen Behandlung von Beschwerden verpflichtet gewesen sei.
Wörtlich sagen die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter:
„Interne Hinweise unterfallen in Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, zu denen die Beklagte unzweifelhaft zählt, nicht dem Schutzbereich der Richtlinie EU/2019/1937. Das folgt aus Art. 6 Abs. 1 lit. b) Richtlinie EU/2019/1937, wonach Hinweisgeber nur Anspruch auf Schutz nach der Richtlinie haben, wenn sie u. a. intern gemäß Art. 7 oder extern gemäß Art. 10 Meldung erstattet haben oder eine Offenlegung nach Art. 15 vorgenommen haben.“
 
Damit konnten die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter die ebenfalls spannende Frage offenlassen, ob die Beweislastumkehr aufgrund „europarechtskonformer Auslegung ggfs. schon vor Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 02.07.2023 galt, wie dies in der Literatur durchaus vertreten wird.
Der Fall spielte nämlich vor dem 02.07.2023, weshalb das Landesarbeitsgericht Düsseldorf auch mit der EU-Richtlinie argumentierte. Nach dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes kann aber nichts anderes gelten.

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