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Früher war mehr Lametta? Von wegen – Gerichte stärken Mutterschutzlohn

„Entschuldigen Sie, Sie sind meine erste Schwangere. Ich übe noch.“

Frei nach Loriot – und daran dürfte sich manch Betroffene erinnert fühlen, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber über Mutterschutzlohn oder den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld streitet. Lustig ist das für Schwangere aber nicht.

Mit kreativen Ansätzen einiger Arbeitgeber bei der Berechnung dieser Leistungen haben sich jüngst wieder Arbeitsgerichte befasst.

Vielleicht erinnern Sie sich an unseren Newsletter vom 23.12.2021, in dem wir über das stark schwankende Arbeitsentgelt einer Flugbegleiterin und das daraufhin ergangene Urteil des Arbeitsgerichts Köln berichtet hatten. Dieser Fall ist nun durch die Instanzen gegangen und das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 31.05.2023 (Az.: 5 AZR 305/22) bestätigt, was auch bereits die Kölner Richter gesagt hatten: Bei saisonal stark schwankender Vergütung bzw. variablen Vergütungsbestandteilen können § 18 Abs. 2 MuSchG und § 20 Abs. 1 S. 2 MuSchG extensiv dahingehend auszulegen sein, dass anstelle des gesetzlich genannten 3-Monats-Zeitraums auf einen 12-monatigen Referenzzeitraum abzustellen ist. Das bedeutet, dass in solchen Fällen sowohl für die Berechnung des Mutterschutzlohns als auch für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der entsprechend längere Referenzzeitraum heranzuziehen ist. Außergewöhnlich schwankende Arbeitsverdienste werden so angemessen berücksichtigt.

Ein anderer, (leider) typischer Fall lag jüngst dem LAG Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vor (Az.: 2 Sa 7/23). Die schwangere Arbeitnehmerin war als Reinigungskraft beschäftigt und wurde von ihrem Arbeitgeber regelmäßig bei drei Kunden eingesetzt, mit zuletzt insgesamt stolzen rund 215 Arbeitsstunden/Monat. Kurz vor Bekanntwerden der Schwangerschaft fielen die Aufträge für zwei dieser Kunden ersatzlos weg. Der Arbeitgeber löste das „pragmatisch“ und schrieb der Mitarbeiterin auf deren Mitteilung über das Bestehen der Schwangerschaft: „[…] Dann passt es ja ganz gut, dass A jetzt nicht mehr ist. Wäre sonst ja sicher zu viel geworden […].“ Er schlug der Arbeitnehmerin vor, ab jetzt nur noch für den verbliebenen Kunden zu arbeiten – damit wäre sie aber nur noch auf 3,5 Stunden/Tag und somit rund 75 Stunden/Monat gekommen.

Als die Schwangere mit einem Beschäftigungsverbot belegt wurde, setzte der Arbeitgeber seinen eigenen Vorschlag selbstbewusst in die Praxis um, indem er bei der Berechnung des Mutterschutzlohns (und später beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld) von der reduzierten Arbeitszeit von 3,5 Stunden/Tag ausging. Er begründete das mit § 21 Abs. 4 MuSchG, weil durch die von ihm angeregte Reduzierung der Arbeitszeit ja eine „dauerhafte Änderung der Arbeitsentgelthöhe“ eingetreten sei, die er bei der Berechnung zugrunde legen müsse.

Die Arbeitnehmerin sah das natürlich anders und klagte schließlich auf die Differenzbeträge – insgesamt etwa € 11.000,00. Leider war sie zu spät – sie hatte die Ausschlussfrist verpasst. Das war natürlich ärgerlich. ABER: Das LAG verhalf der Arbeitnehmerin trotzdem zu einer satten Nachzahlung und zwar über (dramatischer Tusch!) den Mindestlohnanspruch.

Zunächst stellte das LAG fest, dass hier keine Reduzierung der Arbeitszeit vereinbart worden war. Die einseitige Erklärung des Arbeitgebers – seine „pragmatische Lösung“ – war keine Vereinbarung einer geringeren Arbeitszeit. Und allein seine Absicht, die Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft kürzer zu beschäftigen als zuvor, ist keine dauerhafte Reduzierung der Arbeitszeit im Sinne von § 21 Abs. 4 MuSchG.

Das LAG konstatierte dann, dass die Arbeitnehmerin die Ausschlussfrist versäumt hatte. Und jetzt kommt es: Daraus folgt aber nur der Verfall der Ansprüche, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehen. Oder anders gesagt: Der Schutzzweck von § 3 Satz 1 MiLoG gebietet es, den Mutterschutzlohn als Lohnersatzleistung in Höhe des Mindestlohns zu erhalten. Andernfalls stünde die Arbeitnehmerin entgegen der Wertung des § 18 MuSchG schlechter da, als wenn sie gearbeitet hätte; denn dann hätte sie den Mindestlohn auch unbeschadet von Ausschlussfristen erhalten.
Genau dasselbe gilt für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Dass diese Leistung aufgrund von Leistungen der Krankenkasse nicht den vollen Lohn umfasst, ändert nichts an dem Ziel der Regelung, letztlich den Lohnanspruch zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten. Und das hat eben mindestens in Höhe des geschuldeten Mindestlohns zu erfolgen.

Weil die Arbeitnehmerin hier im Referenzzeitraum monatlich sehr viele Stunden gearbeitet hatte, bekam sie insgesamt etwa € 9.000,00 zugesprochen.

Das sind im Ergebnis natürlich gute Nachrichten für Schwangere und Mütter. Die in der Praxis nervenaufreibende Geltendmachung – notfalls auch gerichtlich – wird ihnen aber häufig trotzdem nicht erspart bleiben.

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