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Neues vom BSG zur SV-Pflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern

das Bundessozialgericht hat seine Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern weiter verschärft.
Dies gilt sowohl für die Beurteilung von Tätigkeiten für die eigene GmbH als auch für die Beurteilung der Aktivitäten von Gesellschafter-Geschäftsführern von Ein-Personen-Kapitalgesellschaften für Dritte.
 
Der Reihe nach:
 
1. Tätigkeiten von Gesellschafter-Geschäftsführern für die eigene GmbH
Wie Sie aus unseren früheren Berichterstattungen wissen, gilt hier folgende Faustregel:
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH sind nur dann von der Sozialversicherungspflicht befreit, wenn sie zu mindestens 50 % an der Gesellschaft beteiligt sind.
Im Umkehrschluss heißt das: Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die nur eine Beteiligung von 49 % haben, sind grundsätzlich sozialversicherungspflichtig.

Welche ärgerlichen Folgen das haben kann, zeigt ein Fall einer unserer Mandantinnen, bei der Folgendes passiert war:
Die GmbH hatte zwei Gesellschafter, die zu jeweils 50 % an der Gesellschaft beteiligt waren. So weit, so gut. Denn mit jeweils 50 % bestand für beide Gesellschafter-Geschäftsführer keine Sozialversicherungspflicht. Dann entschieden sich beide, jeweils 1 % der Anteile auf die jeweiligen Kinder zu übertragen. Die GmbH hatte nun folglich vier Gesellschafter, zwei Hauptgesellschafter zu jeweils 49 % und zwei Gesellschafter mit jeweils 1 %.
Das hatte für die beiden Hauptgesellschafter, die zugleich auch die Geschäftsführer der GmbH waren, nicht bedachte Folgen: Denn durch die Anteilsübertragung auf die jeweiligen Kinder waren sie plötzlich sozialversicherungspflichtig. Da sie das nicht wussten, ja noch nicht einmal ahnten, war der Frust natürlich groß, als bei der nächsten SV-Prüfung die Sozialversicherungsbeiträge für ein paar Jahre nachgefordert wurden.
 
Anteilsübertragungen sollten auch vor diesem Hintergrund überdacht und fachkundig begleitet werden.
 
Diese Rechtsprechung ist gerade für Familiengesellschaften unbefriedigend. Gerade Familiengesellschaften sind von dieser Regelung auch besonders betroffen, da die Rechtsprechung für Familiengesellschaften vor einigen Jahren noch eine andere war. Für die damalige sogenannte „Kopf- und Seele-Rechtsprechung“ des Bundessozialgerichts reichte salopp gesprochen nämlich auch die familiäre Macht des Faktischen, um Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht der Sozialversicherungspflicht zu unterstellen. Seitdem diese Rechtsprechung aufgegeben wurde, zählt die Macht des Faktischen nichts mehr. Seither kommt es vielmehr nur noch auf die „Rechtsmacht“, also darauf an, dass Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer auch gesellschaftsrechtlich in der Lage sind, Entscheidungen zu beeinflussen.
Für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit weniger als 50 % Beteiligung gibt demnach es nur einen Ausweg aus dem Dilemma: Es muss im Gesellschaftsvertrag sichergestellt werden, dass diese Geschäftsführer trotz ihrer Minderheitsbeteiligung Entscheidungen auf Gesellschafterebene beeinflussen können (Gesellschaftsrechtler sprechen insoweit von einer sogenannten Sperrminorität). Die oft diskutierte Frage war nun die, wie umfassend die Sperrminorität sein muss.
 
So hatte das Sozialgericht Reutlingen beispielsweise noch 2016 geurteilt, dass es ausreicht, wenn dem Minderheitsgesellschafter im Gesellschaftsvertrag eine Sperrminorität in Bezug auf Änderungen seines Geschäftsführervertrages eingeräumt wird, sofern der Geschäftsführervertrag die weisungsfreie Ausübung der Tätigkeit gestattet.
 
Dem Bundessozialgericht reicht das allerdings nicht. Das Bundessozialgericht entschied im Jahr 2022: Es reicht nicht, dass der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer durch seine Gesellschafterstellung Einfluss auf die Geschäftsführer nehmen und Weisungen der Gesellschafter an die Geschäftsführer dadurch verhindern kann. Vielmehr muss sich die dem Minderheitsgesellschafter eingeräumte Sperrminorität auf die gesamte Unternehmenstätigkeit (und nicht nur die Geschäftsführertätigkeit) erstrecken. Nur dann hat der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer laut Bundessozialgericht die Rechtsmacht eines Selbständigen, die Geschicke der Gesellschaft mitzubestimmen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 01.02.2022, (Az.: B 12 R 19/19 R sowie B 12 KR 37/19 R).
 
Ob eine GmbH einen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer lieber sozialversicherungspflichtig werden lässt als ihn mit einer umfassenden Sperrminorität auszustatten, ist sicher keine leicht zu beantwortende Frage und sehr stark von der Konstellation abhängig.
 
2. Die Tätigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft für Dritte
Um dem Problem der „Scheinselbständigkeit“ zu entrinnen, wurde in den letzten Jahren häufig Folgendes gemacht:
Personen, die ihre Dienste Dritten anbieten möchten, gründen eine Ein-Personen-GmbH oder -UG. Das Unternehmen, für das sie tätig werden möchten, schließt dann mit der GmbH oder UG einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen o. ä.
Wie das Bundessozialgericht in seinen brandaktuellen und noch nicht im Volltext veröffentlichten Urteilen vom 20.07.2023 (Az.: B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R) entschied, reicht dieses Konstrukt alleine aber nicht aus, um der Sozialversicherungspflicht zu entgehen.
Entscheidend ist laut Bundessozialgericht nicht, zwischen wem die Vertragsbeziehung besteht. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Tätigkeit für das andere Unternehmen gestaltet. Das bedeutet: Ist der Gesellschafter-Geschäftsführer der Ein-Personen-Kapitalgesellschaft bei Ausübung seiner Tätigkeit in den Geschäftsbetrieb eingegliedert, ist er auch sozialversicherungspflichtig.
 
Sollten sich nach Vorlage der Volltexte neue Erkenntnisse ergeben, kommen wir gerne noch einmal auf das Thema zurück.

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