Skip to main content

Das kann teuer werden: Zu Unrecht abgelehnte Teilzeit während der Elternzeit

Die Teilzeit während der Elternzeit ist ein Dauerbrenner. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 20.07.2022 (Az. 4 Sa 847/21) einige zentrale und wegweisende Feststellungen getroffen, die Arbeitgeber hellhörig werden lassen sollten:

Was war passiert? Ein Arbeitnehmer begehrte fristgerecht eine zweijährige Elternzeit und zeitgleich eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit im Umfang von 30 Stunden pro Woche; die Arbeitszeit sollte auf die Tage Montag bis Freitag zu jeweils 6 Stunden verteilt werden. Der Arbeitgeber lehnte das ab und beschäftigte den Arbeitnehmer während der zweijährigen Elternzeit nicht. Bei der Ablehnung berief er sich auf „dringende betriebliche Gründe“. Der betroffene Arbeitnehmer zog vor Gericht und verlangte, dass

  • die Zustimmung zu der begehrten Verringerung der Arbeitszeit rückwirkend erteilt wird und
  • er für den gesamten Zeitraum so vergütet wird, als hätte er entsprechend der begehrten Teilzeit tatsächlich gearbeitet.

Während der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht noch scheiterte, bekam er in der Berufungsinstanz recht. Dringende betriebliche Gründe sah das Berufungsgericht nämlich nicht. Mit Blick auf die Folgen ist dieses Urteil wegweisend für die betriebliche Praxis. Arbeitgeber sollten sich daher genau mit Teilzeitwünschen während der Elternzeit und möglichen Ablehnungsgründen auseinandersetzen – sonst kann es teuer werden!
 
Die wesentlichen Aussagen des LAG Berlin-Brandenburg lauten:

  • Der Anspruch auf Zustimmung zu einer begehrten Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung kann auch rückwirkend geltend gemacht werden. Die Verurteilung zur Zustimmung durch das Gericht bewirkt, dass die begehrte Vertragsänderung ab dem ursprünglich begehrten Zeitpunkt in Kraft tritt.
  • Es entsteht also rückwirkend ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer ist dann für die gesamte Dauer des Teilzeitarbeitsverhältnisses so zu vergüten, als hätte er im begehrten Umfang tatsächlich gearbeitet. Begründet wird dies damit, dass der Arbeitgeber durch eine fahrlässige Verweigerung der Zustimmung zu der Teilzeitbeschäftigung selbst die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.
  • Auf Ausschlussfristen kann der Arbeitgeber sich mit Blick auf die Zahlungsansprüche nicht berufen: Die rechtzeitige Geltendmachung der Zustimmung zur Teilzeittätigkeit genügt – damit ist auch die Ausschlussfrist für daraus folgende Zahlungsansprüche gewahrt!
  • Und für Fortgeschrittene: Gestützt hatte sich der Arbeitgeber bei der Ablehnung des Teilzeitbegehrens auf „entgegenstehende dringende betriebliche Gründe“: Es gab Pläne für eine Umstrukturierung und einen entsprechenden Sozialplan mit Interessensausgleich und Namensliste. Auf dieser Liste stand auch der Kläger. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass die Vermutungswirkung von § 1 Abs. 5 KSchG für das Vorliegen „dringender betrieblicher Erfordernisse“ für die Ablehnung des Teilzeitantrags nach § 15 Abs. 7 BEEG analog herangezogen werden könne. Der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG zugunsten des Arbeitgebers erteilte das Gericht eine Absage. Da der Arbeitgeber dringende betriebliche Gründe insgesamt nicht darlegen konnte, hatte der Arbeitnehmer den begehrten Teilzeitanspruch.

Die Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers für die Dauer der 2-jährigen beschäftigungslosen Elternzeit beliefen sich auf mehr als € 100.000 brutto!
 
Fazit:
Prüfen Sie Teilzeitverlangen sehr gründlich und überlegen, dokumentieren und begründen Sie eine Ablehnung gut.
 
Ergänzender Hinweis:
Die vom Landesarbeitsgericht bezogen auf die Vermutungswirkung von § 1 Abs. 5 KSchG und die Wahrung der Ausschlussfrist zugelassene Revision beim Bundesarbeitsgericht läuft. Sobald es Neuigkeiten gibt, melden wir uns natürlich.

 

  • Erstellt am .