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Ist die Übernahme einer Leitungsfunktion ein Befristungsgrund?

Viele Unternehmen beschäftigen heutzutage Top-Führungskräfte, die unterhalb von GmbH-Geschäftsführern oder Vorständen angesiedelt sind. In vielen Fällen (vor allem dann, wenn die für das deutsche Unternehmen eingetragenen Geschäftsführer oder Vorstände im Ausland bei der ausländischen Muttergesellschaft sitzen) haben Top-Führungskräfte hierzulande sogar oft die Funktion von Geschäftsleitern. Der Wunsch, auch die Arbeitsverhältnisse mit solchen Top-Führungskräften analog GmbH-Geschäftsführern oder Vorständen zu befristen, ist daher groß.

Aber kann man diesen Wunsch auch rechtlich erfüllen?
 
Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 01.06.2022 (Az.: 7 AZR 151/21) befasst.
 
In dem Fall ging es um einen „geschäftsführenden Direktor“, dessen zunächst auf fünf Jahre befristetes Vertragsverhältnis noch einmal um rund 1½ Jahre verlängert worden war. Der geschäftsführende Direktor zog wegen der Befristung vors Arbeitsgericht und bekam zuletzt auch vom Bundesarbeitsgericht recht!
 
Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

  • Im Gegensatz zu eingetragenen GmbH-Geschäftsführern und Vorständen einer Aktiengesellschaft sind Top-Führungskräfte in aller Regel „normale“ Arbeitnehmer. Daran ändern auch gewisse Freizügigkeiten von Top-Führungskräften (z. B. zur freien Einteilung ihrer Arbeitszeit o. ä.) nichts.
  • Auch für Top-Führungskräfte gilt daher das Teilzeit- und Befristungsgesetz.
    Und das Teilzeit- und Befristungsgesetz sagt bekanntlich, dass eine Befristung über 2 Jahre hinaus nur mit sachlichem Grund möglich ist.
    Fraglich ist (und diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil ausführlich diskutiert), ob eine solche Befristung einer Top-Führungskraft auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gestützt werden kann.
    Danach liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn die Befristung durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist.

    Für Geschäftsleitungspositionen trifft das nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aber nicht zu.
    Wörtlich sagt das Bundesarbeitsgericht:

    „So bildet etwa der Umstand, dass ein Arbeitnehmer leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, keinen die Befristung rechtfertigenden Sachgrund. Nach Inkrafttreten des TzBfG bedarf auch die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem leitenden Angestellten – wenn die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nicht vorliegen – eines Sachgrundes […], dessen Vorliegen grundsätzlich nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei anderen Arbeitnehmern […]. Entsprechend stellen Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitenden Positionen – die typischerweise mit einem geringeren Grad der Bindung an (Einzel-)Weisungen des Arbeitgebers einhergehen und aufgrund der übertragenen Verantwortung Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber bewirken können – keine befristungstauglichen Eigenarten der Arbeitsleistung dar […].“ 

Und nun?
 
Eine Möglichkeit wäre eine Befristung ohne sachlichen Grund für maximal 2 Jahre, § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes.
Das wird den meisten Top-Führungskräften aber zu kurz sein.
Unternehmen sollten sich daher überlegen, ob sie den deutschen Geschäftsleiter o. ä. nicht doch zum eingetragenen Geschäftsführer (bei GmbHs) machen möchten. Denn auch wenn eingetragene GmbH-Geschäftsführer "dank" des europäischen Rechts teilweise wie Arbeitnehmer behandelt werden – für das Befristungsrecht und auch das Kündigungsschutzrecht gilt der deutsche Arbeitnehmerbegriff und in Deutschland sind eingetragene GmbH-Geschäftsführer (und erst recht Vorstände von Aktiengesellschaften) keine Arbeitnehmer.
Wer das nicht möchte, müsste auf einen echten Dienstvertrag bzw. eine echte freie Mitarbeiterschaft ausweichen. Allerdings führt allein eine geschickte Vertragsgestaltung bekanntlich nicht zu einer selbständigen Tätigkeit. Vielmehr muss die selbständige Tätigkeit auch gelebt werden und das ist gerade in Konzernen mit Muttergesellschaften im Ausland erfahrungsgemäß nicht der Fall und auch nicht gewünscht.
 
Guter Rat ist also teuer.
 
Für Fälle echter Führungskräfte gibt es aber Trost. Zwar nicht im Befristungsrecht, aber im Kündigungsschutzrecht.
Im § 14 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes heißt es nämlich:
 
„Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.“
 
Die Vorschrift meint kurz gesagt Folgendes:
Zwar gilt auch für Top-Führungskräfte, die keine eingetragenen Geschäftsführer/Vorstände sind, das Kündigungsschutzgesetz (für eingetragene Geschäftsführer/Vorstände gilt das Kündigungschutzgesetz nach § 14 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes per se nicht).
Ist die Kündigung sozialwidrig, können Arbeitgeber aber die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum ordentlichen Kündigungstermin gegen Abfindungszahlung beantragen, ohne dass dieser sogenannte Auflösungsantrag besonders begründet werden muss.
 
Vorsicht ist allerdings bei den in § 14 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes genannten ähnlichen leitenden Angestellten angebracht. Denn diese müssen – und zwar nicht nur im Außen- sondern auch im Innenverhältnis – zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmer:innen befugt sein. Und nicht nur das: Diese Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis muss sich auch entweder auf eine Vielzahl von Arbeitnehmer:innen oder auf besonders wichtige Arbeitnehmer:innen beziehen.
 
Und was ist mit Karrieremodellen, also in Fällen, in denen Bestandsmitarbeiter als Führungskräfte erprobt werden sollen?
 
Diesen Beschäftigten kann man die Führungsposition bei ansonsten fortbestehendem Arbeitsverhältnis erstmal nur befristet übertragen. Da hierdurch nicht der gesamte Arbeitsvertrag befristet wird, gilt hierfür auch nicht das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Nach allgemeinen arbeitsvertragsrechtlichen Grundsätzen muss die Befristungsdauer allerdings angemessen sein. Und das ist sie in der Regel nur bis zur Dauer von 6 Monaten (vgl. hierzu das ebenfalls aktuelle Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 04.03.2021, Az.: 5 Sa 99/20), das die 6-Monatsfrist aus § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (6-monatige Wartezeit) und § 622 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (6-monatige Probezeit) ableitet .

Es ist also mal wieder alles gar nicht so leicht, auch nicht bei Führungspersonal.

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