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Beitragsbemessungsgrenzen 2023 und was sie mit Überstunden zu tun haben

Wie immer zum Jahresende möchten wir Ihnen gerne die für das neue Jahr geltenden Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen mitteilen.
 
Gleichzeitig möchten wir das zum Anlass für einen Ausflug in das Recht der Überstunden nehmen. Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung hat nämlich auch viel mit der Frage zu tun, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, Überstunden auszugleichen.
 
Zunächst aber die ab 2023 maßgeblichen Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen für die alten und neuen Bundesländer:

Rentenversicherung:
 
Beitragsbemessungsgrenze (allgemeine Rentenversicherung)
West: 7.300,00 Euro monatlich oder 87.600,00 Euro jährlich
Ost: 7.100,00 Euro monatlich oder 85.200,00 Euro jährlich
 
Beitragsbemessungsgrenze (knappschaftliche Rentenversicherung)
West: 8.950,00 Euro monatlich oder 107.400,00 Euro jährlich
Ost: 8.700,00 Euro monatlich oder 104.400,00 Euro jährlich
 
Arbeitslosenversicherung:
 
Beitragsbemessungsgrenze
West: 7.300,00 Euro monatlich oder 87.600,00 Euro jährlich
Ost: 7.100,00 Euro monatlich oder 85.200,00 Euro jährlich
 
Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (bundeseinheitlich):
 
Versicherungspflichtgrenze: Kranken- und Pflegeversicherung
5.550,00 Euro monatlich oder 66.600,00 Euro jährlich
 
Beitragsbemessungsgrenze: Kranken- und Pflegeversicherung
4.987,50 Euro monatlich oder 59.850,00 Euro jährlich
 
Wie eingangs schon gesagt, ist die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung auch für die Frage des Ausgleichs von Überstunden relevant.
Wenn der Verdienst von Arbeitnehmer:innen die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, sind Arbeitgeber nämlich grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden (egal, ob in Freizeit oder Geld) auszugleichen.
Wie immer gibt es auch hier Teufel, die im Detail stecken.
 
Deshalb möchten wir Ihnen gerne folgende weitere Hinweise hierzu geben:
 
a) Welche Vergütung ist maßgeblich?

Liegt schon das laufende Gehalt über der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung, gibt es [abgesehen von den in b) und c) beschriebenen Fallstricken] in der Regel kein Problem.

Kann die Beitragsbemessungsgrenze nur durch Sonderzahlungen überschritten werden, wird es schon schwieriger:

  • Fest vereinbarte Sonderzahlungen pro Kalenderjahr darf man berücksichtigen.
  • Anders ist es bei Sonderzahlungen, die unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt stehen. Die darf man nicht berücksichtigen, da es ja das Wesen eines Freiwilligkeitsvorbehalts ist, dass der Arbeitgeber jedes Jahr aufs neue entscheidet, ob überhaupt gezahlt wird.
  • Bleiben fest vereinbarte Sonderzahlungen, von denen noch nicht klar ist, ob und in welchem Umfang sie gezahlt werden. Bestes Beispiel hierfür sind Zielboni, die ja mittlerweile weit verbreitet sind. Ob Zielboni berücksichtigt werden können, ist umstritten. Dafür, dass man sie berücksichtigen kann, spricht, dass Ziele nach der Rechtsprechung erreichbar sein müssen, sodass eine realistische Chance der Arbeitnehmer:innen auf den Zielbonus besteht.
    Eine gesicherte Erkenntnis ist das aber nicht. Deshalb sollten Arbeitgeber sich gerade in den Fällen, in denen das Grundgehalt von Beschäftigten knapp unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, überlegen, ob sie nicht lieber das Grundgehalt etwas anheben und dafür den Zielbonus kürzen. 

b) Arbeitgeber mit Betriebsrat

In vielen Betriebsvereinbarungen finden sich Regelungen zum Ausgleich von Überstunden und sogar von Zuschlägen. Dies geschieht oft im Wege freiwilliger Betriebsvereinbarungen, also ohne Rücksicht darauf, an welchen Stellen der Betriebsrat insoweit überhaupt ein Mitbestimmungsrecht hat.
Arbeitgeber mit Betriebsrat, die Überstunden bei Gutverdienern nicht ausgleichen möchten, müssen also aufpassen. Denn Betriebsvereinbarungen gelten bekanntlich auch für Gutverdiener, solange diese keine leitenden Angestellten im Sinne von § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes sind (und Leitende im Rechtssinne sind bekanntlich die wenigsten Gutverdiener).
Wichtig ist daher, dass Arbeitgeber bei solchen Betriebsvereinbarungen darauf achten, dass sie auch Gutverdiener, die keine Leitenden sind, aus dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung rausnehmen, wenn es keinen Überstundenausgleich für sie geben soll.
 
c) Tarifverträge
Tarifgebundene Arbeitgeber müssen sich natürlich an den Tarifverträgen orientieren. Sieht der einschlägige Tarifvertrag einen Ausgleich von Überstunden auch für Beschäftigte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung vor, gilt der Tarifvertrag. Erfahrungsgemäß werden sich Beschäftigte mit einem solchen Einkommen aber im außertariflichen Bereich bewegen (anders ist es ggfs. dann, wenn die Beitragsbemessungsgrenze nur durch Sonderzahlungen überschritten wird).
 
Wenn Überstunden nach diesen Grundsätzen nicht ausgeglichen werden müssen, sollte man das auch so mit den Beschäftigten vereinbaren.
Zwar sagt die Rechtsprechung, dass Beschäftigte in dieser Vergütungskategorie grundsätzlich keinen Ausgleich von Überstunden erwarten dürfen. Aber sicher ist bekanntlich sicher und dann wissen Arbeitnehmer:innen auch, woran sie sind.
 
Bei der Überprüfung von Arbeitsverträgen im Zuge der Anforderungen des neuen Nachweisgesetzes haben wir allerdings festgestellt, dass ein „Nicht-Ausgleich“ von Überstunden oft auch mit Beschäftigten vereinbart wird, die die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschreiten.
 
Solche Klauseln sind unwirksam.
 
Und nicht nur das. Solche Arbeitgeber müssen außerdem damit rechnen, dass die für Arbeitgeber eigentlich vorteilhafte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Überstundenprozessen nicht gilt. Zur Erinnerung:
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinen aktuellen Urteilen vom 04.05.2022 (Az.: 5 AZR 474/21 sowie Az.: 5 AZR 359/21) entschieden, dass es trotz der vom Europäischen Gerichtshof und neuerdings auch vom Bundesarbeitsgericht (vgl. dazu unsere Newsletter vom 13.09.2022 „Paukenschlag 1“ und „Paukenschlag 2“) geforderten Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten bei der bisherigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bleibt. Das heißt, dass es Sache der Beschäftigten ist u. a. darzulegen, dass Überstunden angeordnet oder zumindest gebilligt worden sind.
Und genau hier macht das Bundesarbeitsgericht neuerdings eine Ausnahme, wenn Überstunden vereinbarungsgemäß nicht ausgeglichen werden. Das Bundesarbeitsgericht sagt nämlich, dass eine solche Regelung geeignet ist, bei den Beschäftigten den Eindruck zu erwecken, dass der Arbeitgeber Überstunden billige.
Wörtlich heißt es in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 04.05.2022 (Az.: 5 AZR 474/21):
 
„Hinzu kommt im Streitfall eine weitere Besonderheit, die das Landesarbeitsgericht außer Betracht gelassen hat. Die Beklagte wollte sich mit einer - wenngleich unwirksamen - arbeitsvertraglichen Regelung dagegen absichern, Überstunden „extra“ vergüten zu müssen. Dies deutet darauf hin, dass sie bei den dem Kläger obliegenden Arbeiten mit dem Anfall von Überstunden durchaus rechnete und „bei Bedarf“ die Leistung von Überstunden auch erwartete. Damit war die Klausel geeignet, beim Kläger den Eindruck zu erwecken, die Beklagte billige grundsätzlich die Leistung von Überstunden bei einer Position wie derjenigen, die der Kläger innehatte. Dass sie den mit der Klausel verfolgten Zweck, Überstunden nicht gesondert vergüten zu müssen, nicht erreichte, liegt im Risikobereich der Beklagten als Verwenderin der Klausel.“

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