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Inflationsprämie oder Weihnachtsgeld?

Seit dem Inkrafttreten der Inflationsprämie am 26.10. fragen sich viele Arbeitgeber, ob sie die Inflationsprämie anstelle eines Weihnachtsgeldes zahlen können.
Die Antwort auf die Frage hängt davon ab, ob die Beschäftigten einen Anspruch auf das Weihnachtsgeld haben.
Wenn ja, läge eine unzulässige Umwandlung vor, wenn Arbeitgeber die Inflationsprämie anstelle des Weihnachtsgeldes zahlen, mit der Folge, dass der gezahlte Betrag nicht steuer- und sozialversicherungsfrei an die Beschäftigten fließen kann.

Arbeitgebern, die so vorgehen und die Inflationsprämie anstelle des Weihnachtsgeldes zahlen möchten, bleibt daher nichts anderes übrig, als für alle Beschäftigten zu prüfen, ob ein arbeits- oder tarifvertraglicher Anspruch auf das Weihnachtsgeld besteht.
Wenn sich Regelungen zum Weihnachtsgeld o. ä. in Arbeitsverträgen befinden, müssen alle Arbeitsverträge geprüft werden, da Arbeitsverträge sich ja im Laufe der Jahre ändern.
Denn eines ist klar: Da eine steuer- und sozialversicherungsfreie Auszahlung von EUR 3.000,00 kein Pappenstiel ist, werden die zuständigen Stellen bei der nächsten Betriebsprüfung sehr genau hinsehen, ob Inflationsprämien wirklich zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt gezahlt wurden.
 
Wie wir in unserem Newsletter vom 20.10.2022 bereits berichtet hatten, ist die Prüfung der arbeitsrechtlichen Situation nicht „ohne“.
 
Welche Probleme es bei der Prüfung geben kann, ist vielen Arbeitgebern allerdings nicht bewusst.
Jedenfalls haben uns nach einem Interview, das wir für Impulse gegeben haben, etliche Anfragen von Unternehmen erreicht, die der irrigen Meinung sind, dass ihre Beschäftigten keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld haben.
 
Mit solchen Irrtümern möchten wir daher gerne aufräumen.
 
Keinen Anspruch haben Beschäftigte vor allem dann, wenn Arbeitgeber die Zahlung von Weihnachtsgeld (oder Sonderzahlungen im Allgemeinen) unter einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt haben.
Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entscheiden Arbeitgeber jedes Jahr aufs Neue, ob sie eine bestimmte Zahlung z. B. also ein Weihnachtsgeld, leisten möchten oder aber nicht.
Wollen sie nicht (mehr) zahlen, müssen sie auch nichts weiter tun. Oder anders gesagt: Wenn es für 2022 keine Entscheidung pro Weihnachtsgeld gibt, besteht für 2022 auch kein Anspruch.
 
Das setzt aber voraus, dass das Weihnachtsgeld auch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt wurde, der sich mit rechtlichen Maßstäben messen lassen kann.
 
Und das ist bei vielen Arbeitgebern nicht der Fall.
 
Durch die Reaktionen auf das Interview in Impulse sind uns viele Klauseln aus Arbeitsverträgen oder Rundschreiben an die Belegschaft begegnet, die gerade keinen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt bedeuten.
 
Das betrifft z. B. die immer noch weit verbreitete Klausel, die so oder so ähnlich lautet:
„Sonstige Sonderleistungen des Arbeitgebers sind freiwillig und jederzeit widerruflich.“
 
Das ist kein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt! Bei dieser Klausel scheitert der Freiwilligkeitsvorbehalt gleich aus mehreren Gründen:

  • Das Adjektiv freiwillig bedeutet noch keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Oder um es mit dem Bundesarbeitsgericht zu sagen: Die Bezeichnung einer Sonderzahlung als „freiwillige“ Leistung schließt noch keinen vertraglichen Anspruch aus. Dass eine Leistung „freiwillig“ erfolgt, kann nämlich auch lediglich ein Hinweis darauf sein, dass es keine (tarif-)vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung zu dieser Leistung gibt. Das Wörtchen „freiwillig“ bedeutet also noch lange nicht, dass die Leistung, und das ist für den Freiwilligkeitsvorbehalt entscheidend, ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolgt.
  • Bei der genannten Klausel krankt der Freiwilligkeitsvorbehalt außerdem daran, dass Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt miteinander vermischt werden (freiwillig und jederzeit widerruflich).
    Da Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt aber zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, verstößt eine solche Kombination gegen das Transparenzgebot und macht den Freiwilligkeitsvorbehalt ebenfalls zunichte.
  • Als Widerrufsvorbehalt geht die Klausel ebenfalls nicht durch. Erstens nicht, weil sie Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt in unzulässiger Weise miteinander kombiniert (s. o.). Und zweitens nicht, weil Widerrufsvorbehalte nach aktueller Rechtslage nur wirksam sind, wenn die Widerrufsgründe zumindest rahmenmäßig beschrieben sind, was in der Beispielsformulierung ebenfalls nicht der Fall ist (abgesehen davon dürfte es auch keinen Widerrufsgrund geben, der eine Umwandlung einer steuer- und sozialversicherungspflichtigen Sonderzahlung in eine steuer- und sozialversicherungsfreie Sonderzahlung ermöglicht).

Weitergehende Anforderungen an wirksame Freiwilligkeitsvorbehalte gibt es für Arbeitgeber, die ihren Freiwilligkeitsvorbehalt schon im Arbeitsvertrag verankert haben und ihn nicht in jährlichen Rundschreiben an die Belegschaft kundtun.
Arbeitsvertraglich vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte müssen nämlich insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Der Freiwilligkeitsvorbehalt muss klar und verständlich formuliert sein. Dass eine Leistung freiwillig erbracht wird, reicht hierfür nicht aus, s. o.
  • Der Freiwilligkeitsvorbehalt darf sich nicht auf laufende Vergütungsbestandteile beziehen; auch das muss aus der Klausel hervorgehen.
  • Der Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht im Widerspruch zu anderen vertraglichen Vereinbarungen stehen. Gemeint sind hiermit vor allem die praxisrelevanten Fälle, in denen der Arbeitgeber in einer Vertragsklausel zunächst vorbehaltlos eine Sonderzahlung zusagt und diese dann im darauffolgenden Satz plötzlich doch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellt. Solche Formulierungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ebenfalls widersprüchlich und der Freiwilligkeitsvorbehalt deshalb unwirksam.
  • Der Freiwilligkeitsvorbehalt darf sich auch nicht auf Sonderzahlungen beziehen, die zu einem späteren Zeitpunkt vertraglich vereinbart werden. Und auch das muss in der Klausel klargestellt werden, vgl. hierzu auch unseren Newsletter vom 11.08.2022.

Die Anforderungen an Freiwilligkeitsvorbehalte sind also hoch, zumal wenn diese schon in Arbeitsverträgen vereinbart werden.
 
Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn sie Weihnachtsgelder nicht vorschnell in Inflationsprämien umwandeln.

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