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BAG aktuell: Urlaub / Vertragsgestaltung / Verfall

In zwei aktuellen Urteilen hat das Bundesarbeitsgericht wieder wichtige Fragen zum Thema Urlaub geklärt:

1. Eine gute Vertragsgestaltung ist das A und O
In dem gerade veröffentlichen Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 05.07.2022 (Az: 9 AZR 341/21) ging es unter anderem um die Wirksamkeit folgender und immer noch weit verbreiteter Urlaubsklausel:

Der Jahresurlaub beträgt ____ Arbeitstage (auf der Basis einer 5-Tage-Woche). In dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis beginnt oder endet, hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs.“

Diese Klausel, die sich auf den gesamten Urlaub (also auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht) ist unwirksam! So urteilte das Bundesarbeitsgericht.
Denn diese Klausel weicht zu Lasten der Beschäftigten vom Bundesurlaubsgesetz ab. Aus § 5 Abs. (1) des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich nämlich für die Fälle a) des Eintritts und b) des Austritts im laufenden Kalenderjahr:
a) Eintritt im laufenden Kalenderjahr:
Besteht das Arbeitsverhältnis im ersten Beschäftigungsjahr länger als 6 Monate, haben Beschäftigte den vollen Urlaubsanspruch.
b) Austritt im laufenden Kalenderjahr:
Scheiden Beschäftigte in der zweiten Jahreshälfte, also ab 01.07. oder später aus, haben sie ebenfalls den vollen Urlaubsanspruch.
Da die zitierte Klausel davon abweicht, ist sie laut Bundesarbeitsgericht unwirksam.

Was also müssen Arbeitgeber tun?
 Getreu dem schon oft von uns genannten Grundsatz, dass das Bundesurlaubsgesetz nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt, hätte die Klausel den Mindesturlaub garantieren und daher lauten müssen:

„Der Jahresurlaub beträgt ____ Arbeitstage (auf Basis einer regelmäßigen 5-Tage-Woche). Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr, wird der Jahresurlaub zeitanteilig gewährt, wobei der Arbeitnehmer immer mindestens den ihm gesetzlich zustehenden Urlaub erhält.“

Da es (nur) in Bezug auf den vertraglichen Mehrurlaubs noch Verhandlungsfreiheit gibt, sollten nicht tarifgebundene Arbeitgeber überlegen, ob sie nicht auch weitere Spielräume als bloß die „pro-rata-Regelung“ beim vertraglichen Mehrurlaub nutzen möchten.
Denkbar wären beim vertraglichen Mehrurlaub z. B. folgende Regelungen:

  • Generelle Kürzung des vertraglichen Mehrurlaubs für Zeiten ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung.
  • Verfall von Mehrurlaubsansprüchen zu bestimmten, ggf. sogar früheren Zeitpunkten als beim gesetzlichen Mindesturlaub, und auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner Initiativlast genügt und die Beschäftigten rechtzeitig auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat.
  • Ausschluss von § 9 des Bundesurlaubgesetzes (wonach nachgewiesene Krankheitstage während des Urlaubs nicht auf den Urlaub angerechnet werden) im Hinblick auf den vertraglichen Mehrurlaub. Dann wäre zumindest insoweit die noch nicht abschließend geklärte Frage der Anwendbarkeit von § 9 des Bundesurlaubgesetzes auf Quarantänefälle erledigt (vgl. dazu auch unser Newsletter vom 16.08.2022).
  • Auch die Probleme, die es nach der Rechtsprechung bei der Urlaubsberechnung beim Wechsel von der Vollzeit in die Teilzeit geben kann, können bezogen auf den vertraglichen Mehrurlaub arbeitsvertraglich geregelt werden. Und zwar in dem Sinne, dass der noch aus der Vollzeit stammende Urlaub auf die neue Teilzeit gekürzt wird.

Es macht also durchaus Sinn, arbeitsvertragliche Urlaubsklauseln zu prüfen bzw. mit professioneller Hilfe überprüfen zu lassen, da der Teufel wie immer im Detail und vor allen Dingen auch in der richtigen Formulierung steckt. Das gilt natürlich umso mehr, als Urlaubsansprüche finanziell gesehen für Arbeitgeber keine Peanuts sind.

2. Die bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ggf. fällige Urlaubsabgeltung ist von einer arbeits-/tarifvertraglichen Ausschlussfrist erfasst
Nach den letzten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, über die wir in unserem Newsletter vom 22.09.2022 berichtet hatten, gibt es im bestehenden Arbeitsverhältnis keinen Verfall, ja sogar keine Verjährung von Urlaubsansprüchen mehr, wenn Arbeitgeber ihrer Initiativlast nicht nachgekommen sind.
Bei der finanziellen Urlaubsabgeltung, die nur bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses fällig wird, ist das anders.
Gibt es im Arbeits- oder anwendbaren Tarifvertrag eine wirksame Ausschlussfristenregelung ist davon auch die Urlaubsabgeltung erfasst. Das hat das Bundesarbeitsgericht per Urteil vom 24.05.2022 (Az.: 9 AZR 461/21) entschieden.

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