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Gutes Zeugnis – keine Kündigung!

Arbeitgeber, die sich von Beschäftigten trennen möchten, verfolgen häufig folgende Strategie:
Sie sagen den Beschäftigten, dass die Beschäftigten sich einen neuen Job suchen sollen, da man nicht länger mit ihnen zusammenarbeiten möchte.
Klar ist dann aber auch: Die Beschäftigten brauchen ein gutes Zeugnis, damit die Jobsuche auch gelingt.
 
Und genau das ist das Problem:
 
Erteilt der Arbeitgeber einer/einem Beschäftigten ein gutes oder sogar sehr gutes Zwischenzeugnis, kann er die Kündigung nämlich nicht mehr auf Fehlverhalten stützen, die sich bis zur Ausstellung des Zeugnisses zugetragen haben!

Dies hat das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 03.05.2022 (Az.: 14 Sa 1350/21) entschieden. Wörtlich sagen die Hammer Landesarbeitsrichter:
 
„Durch die Aushändigung dieses Zeugnisses hatte sich die Beklagte gegenüber dem Kläger dahin gebunden, dass sie die ggf. eine schlechtere Leistungs- und Verhaltensbeurteilung rechtfertigenden Vorgänge nicht mehr zu seinen Lasten berücksichtigen wollte. Das schloss die der Zeugniserteilung unmittelbar vorausgehenden Geschehnisse mit ein. […] Der Kläger konnte, […] darauf vertrauen, dass die Beklagte sich darauf nicht mehr zu seinem Nachteil berufen wird, nachdem sie ihm dieses überdurchschnittliche Zwischenzeugnis erteilt hatte. Denn sie hatte es weder für gravierend noch einer sehr guten Beurteilung entgegenstehend eingestuft. Vielmehr hatte sie ihm bescheinigt, sich bislang "immer einwandfrei" verhalten zu haben. Die Berufung auf einen vor Abfassung dieser Beurteilung liegenden verhaltensbedingten (wichtigen) Kündigungsgrund ist dann nicht mehr möglich. […]“
 
Daraus folgt: Es gibt nicht nur eine Sperrwirkung von Abmahnungen, sondern auch von Zwischenzeugnissen für Fehlverhalten, die bereits bei Ausstellungen des Zeugnisses vorgelegen haben.
Zur Erinnerung: Bei der Abmahnung ist es ähnlich: Verstöße, die zu einer Abmahnung geführt haben, können nicht mehr für eine Kündigung herangezogen werden.
 
Arbeitgeber, die die eingangs genannte Strategie verfolgen möchten, müssen daher Folgendes tun:
 
Sie müssen den Beschäftigten neben dem zu guten Gefälligkeitszeugnis ein Begleitschreiben (am besten mit Empfangsnachweis) geben, in dem steht, dass der Zeugnisinhalt nicht der wirklichen Sichtweise des Arbeitgebers entspricht und das Zeugnis nur erteilt worden ist, um den Beschäftigten die Suche nach einem neuen Job zu erleichtern.
 
Nebenbei bemerkt:
Die Strategie, das Problem mit Beschäftigten dadurch zu lösen, dass man sie einen neuen Job suchen lässt, sollte unabhängig davon überdacht werden. Unsere Erfahrung hat uns gelehrt, dass viele Arbeitnehmer:innen sich erst dann in Bezug auf die Jobsuche in Bewegung setzen, wenn der Arbeitgeber aktiv bzw. konkret wird.
Auch in den vielen Fällen, in denen Arbeitgeber keinen „handfesten“ Kündigungsgrund haben, sollten Arbeitgeber ein solches „Tachelesgespräch“ nicht scheuen.
Trennungsgespräche, die eine einvernehmliche Trennung zum Ziel haben, haben häufig selbst dann Erfolg, wenn es noch keinen richtigen Kündigungsgrund gibt und der Arbeitgeber das auch offen kommuniziert. Denn vernünftige Arbeitnehmer:innen wissen sehr wohl: Um einen Kündigungsgrund im Rechtssinne zu erlangen, müssen ggfs. Weisungen erteilt und Abmahnungen ausgesprochen werden, was das Arbeitsverhältnis und vor allem die Beschäftigten stark belastet. Vernünftige Menschen wissen es daher durchaus zu schätzen, wenn Arbeitgeber ihnen diese Tortur ersparen.
 
Exkurs:
Die Frage des Verhältnisses zwischen Zwischenzeugnis und Kündigung ist das eine.
Das andere ist das Verhältnis zwischen einem Zwischen- und Abschlusszeugnis.
 
Auch hier können Arbeitgeber sich Folgendes merken:
Nach der Rechtsprechung sind Arbeitgeber grundsätzlich bei Erstellung des Abschlusszeugnisses an die Beurteilung im Zwischenzeugnis gebunden.
Etwas anderes gilt ausnahmsweise in folgenden Fällen:

  • Es werden nachträglich Tatsachen bekannt, die eine Abweichung vom Zwischenzeugnis rechtfertigen.
  • Die nach Erstellung des Zwischenzeugnisses erbrachten Leistungen bzw. das danach gezeigte Verhalten rechtfertigen eine abweichende Beurteilung.

Allein die Zeit, die seit der Erteilung des Zwischenzeugnisses vergangen ist, erlaubt für sich genommen dagegen grundsätzlich noch keine Abweichung.

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