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Entschädigungsanspruch für Ungeimpfte?

Folgender Fall aus der aktuellen betrieblichen Praxis: Beschäftigte sind selbst mit Corona infiziert und müssen in Isolation. Sie haben keine Symptome und sind nicht arbeitsunfähig, Homeoffice kommt nicht in Betracht. Sie sind ungeimpft.

Preisfrage: Haben diese ungeimpften Beschäftigen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG?

Zum Hintergrund: § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) schließt die Entschädigungsleistungen dann aus, wenn (kurz gesagt) eine empfohlene Schutzimpfung „die Absonderung hätte vermeiden können“. Wie die Praxis mittlerweile sehr deutlich zeigt, ist dies aber bei Corona nicht der Fall: Denn auch vollständig Geimpfte infizieren sich (und das ist keine Ausnahme) und müssen sich dann absondern. Die fehlende Impfung ist also nicht ursächlich für die Absonderung – und das Gesetz schließt die Entschädigung nicht aus. Anders war das, als es noch die vormals geltende Absonderungspflicht für ungeimpfte Kontaktpersonen gab – hier war die fehlende Impfung der Grund für die Absonderung.

Obwohl das Infektionsschutzgesetz diese doch recht deutliche Vorgabe macht, ist der tatsächliche Umgang mit der Situation im Moment etwas unübersichtlich. Soweit wir es überblicken können, handhaben die Bundesländer nämlich genau den oben geschilderten Fall aktuell unterschiedlich:

In Nordrhein-Westfalen z. B. erhalten vollständig Geimpfte bzw. Immunisierte bei positivem PCR- oder Bürgertest eine Entschädigung für die Dauer der Absonderung, alle anderen nicht; siehe dazu https://www.mags.nrw/coronavirus-faq-quarantaene-arbeitswelt.

Ebenso ist es z. B. in Baden-Württemberg; auch hier gibt es für Ungeimpfte keine Entschädigung.

Entgegen der gesetzlichen Regelung soll demnach in einigen Bundesländern der Impfstatus entscheidend für die Frage sein, ob ein Entschädigungsanspruch besteht – und damit auch für die Frage, ob Arbeitgeber in entsprechender Höhe in Vorleistung treten müssen oder nicht.

Wer als „vollständig geimpft“ bzw. immunisiert gilt, wird im Übrigen auf Länderebene ebenfalls unterschiedlich beurteilt.

Leistet ein Bundesland wegen eines unvollständigen Impfstatus keine Entschädigung, kann das für betroffene Arbeitnehmer:innen weitreichende Folgen haben: Denn ist § 616 BGB im Arbeitsvertrag ausgeschlossen, haben sie keinen Vergütungsanspruch. Die Beschäftigten gehen mit anderen Worten leer aus!

Hinter dem Ausschluss Ungeimpfter vom Entschädigungsanspruch steht bzw. stand sicherlich der politische Wunsch, die Impfquote zu erhöhen und die finanziellen Belastungen durch fehlende Impfungen nicht der Allgemeinheit aufzubürden. Solange man davon ausging, dass ein vollständiger Impfstatus Infektionen und damit auch die Isolation verhindern konnte, war dies sicherlich richtig. Seitdem feststeht, dass die Impfung gerade nicht vor Infektion, sondern nur vor schweren Verläufen schützt – und deshalb auch die Isolation nicht verhindern kann – ist das allerdings überholt.

Das Ergebnis ist in vielen Fällen wenig erfreulich, denn: Betroffene Beschäftigte werden sich nun Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen „besorgen“ – mit dem Ergebnis, dass die (Entgeltfortzahlungs-)Kosten die Arbeitgeber treffen. Toll!
Bayern und Sachsen machen es übrigens „richtig“ und schließen Ungeimpfte nicht vom Entschädigungsanspruch aus.

Letztlich ist für jedes Bundesland die aktuelle Situation gesondert zu prüfen.

Wir sind gespannt, wann über die ersten Verfahren gegen die unseres Erachtens rechtswidrige Handhabung in einigen Bundesländern berichtet wird …

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