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Aktuelle Rechtsprechung zum Urlaub – ein Überblick

Die aktuellen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Verfall und der Verjährung von Urlaubsansprüchen haben zu einer gewissen Verunsicherung geführt. 

Gerne wollen wir die unterschiedlichen Entscheidungen daher anhand eines Beispiels transparent zusammenfassen:

Mitarbeiter M hat einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen / Jahr. Am 01.07.2018 wird M krank. Zu diesem Zeitpunkt hat er für das Jahr 2018 noch keinen Urlaub in Anspruch genommen, Resturlaubsansprüche aus 2017 bestehen aber auch nicht mehr; es bleiben also 20 Tage offen. 

Ein Schreiben, in dem die Beschäftigten aufgefordert werden, den ihnen individuell zustehenden Urlaub rechtzeitig in Anspruch zu nehmen, gibt es in dem Unternehmen nicht.

In den Jahren 2019, 2020 und 2021 bleibt M krank, erst am 01.10.2022 wird er wieder gesund.

Es stellt sich also die Frage, wie viele Urlaubstage M (noch) zustehen.

Die Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2018 ist Ihnen sicherlich noch in Erinnerung. 

Dort hatte der EuGH erstmalig entschieden, dass Urlaubsansprüche nur dann verfallen können, wenn Arbeitgeber

  • ihre Beschäftigten dazu auffordern den Urlaub in der entsprechenden Höhe zu nehmen und
  • ihnen klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht bis zum Ende des Bezugszeitraums in Anspruch genommen wird.

Dem hatte sich das BAG im Jahr 2019 grundsätzlich angeschlossen. 

Ebenfalls bereits entschieden hat das BAG allerdings, dass diese Anforderungen bei langzeiterkrankten Beschäftigten nicht in vollem Umfang gelten.

Auf unser Beispiel bezogen hat das BAG gesagt, dass die Urlaubstage der Jahre 2019 bis 2021, also der Jahre, in denen M durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, auch dann verfallen können, wenn der Arbeitgeber keinen entsprechenden Hinweis erteilt hat. 

Wie Sie wissen, ist das bei Langzeiterkrankungen allerdings erst 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres der Fall. Das bedeutet: Der Urlaub aus dem Jahr 2019 ist am 31.03.2021 und der Urlaub aus dem Jahr 2020 am 31.03.2022 verfallen. 

Der Urlaub aus dem Jahr 2021 wäre am 01.10.2022 aber noch nicht verfallen und könnte von M in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt (natürlich) für den Anspruch für das Jahr 2022.

So viel zum „alten“ Stand. 

Die neuen Entscheidungen des EuGH beziehen sich nun auf den Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2018, also dem Jahr, in dem die Erkrankung erstmalig aufgetreten ist.

Im Gegensatz zu den Jahren 2019 bis 2021, in denen eine Inanspruchnahme des Urlaubs (Hinweis des Arbeitgebers hin oder her) aufgrund der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit denklogisch nicht in Frage kam, wäre ein Hinweis zu Beginn des Jahres 2018 durchaus sinnvoll gewesen, weil sich M möglicherweise dazu entschlossen hätte, wenigstens einen Teil seiner 20 Urlaubstage in Anspruch zu nehmen. 

Deshalb hat der EuGH nun entscheiden, dass die 15 Monats-Frist für den Urlaubsanspruch des Jahres, in dem die Erkrankung auftritt, erst dann zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht genügt hat. Da der Arbeitgeber in unserem Beispiel keinen Hinweis erteilt hat, beginnt die Frist nicht zu laufen, so dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2018 auch am 01.10.2022 noch nicht verfallen ist und zu den 40 Tagen aus den Jahren 2021 und 2022 hinzutritt.

Da das Jahr 2018 ganz schön lange her ist, haben viele Unternehmen in der Vergangenheit damit argumentiert, dass der Urlaubsanspruch – wenn er schon nicht verfallen sein sollte – wenigstens der gesetzliche Regelverjährung von drei Kalenderjahren unterliegen müsste. 

Auch das hat der EuGH aber in seiner zweiten aktuellen Entscheidung anders gesehen. 

Danach erfordert auch die gesetzliche Verjährung von Urlaubsansprüchen – genau wie der Verfall –, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten zur Inanspruchnahme auffordern und auf den drohenden Verfall hinweisen muss. 

Tut er das nicht, bleibt der nicht in Anspruch genommene Urlaubsanspruch unbegrenzt bestehen; und zwar nicht nur im Krankheitsfall. 

Vielmehr gilt das (gemäß der Ausgangsentscheidung des EuGH aus dem Jahr 2018) für sämtliche Urlaubsansprüche, die nicht im Laufe des Urlaubsjahres in Anspruch genommen wurden und bei denen der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist. 

Abgesehen von dem vom BAG entschiedenen Ausnahmefall, der ausschließlich die Urlaubsansprüche für Kalenderjahre betrifft, in denen eine Inanspruchnahme aufgrund der Langzeiterkrankung vollständig unmöglich war, gilt daher das Prinzip: 

Ohne Hinweis kein Verfall und keine Verjährung von Urlaubsansprüchen. 
Die Verfalls- und Verjährungsfristen beginnen erst zu laufen, wenn der Hinweis durch den Arbeitgeber erteilt wurde.

Wenn Arbeitgeber das unbegrenzte Ansammeln von Urlaubsansprüchen verhindern wollen, müssen sie also ein entsprechendes Prozedere einführen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Verjährungs- und Verfallsfristen zu laufen beginnen. 

Alles andere kann teuer werden.

Natürlich unterstützen wir gerne bei der Entwicklung und Einführung eines passenden Konzepts! Melden Sie sich bei uns, dann überlegen wir uns einen Weg.

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