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Wann müssen Bewerberinnen eine Schwangerschaft offenbaren?

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat sich in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 26.01.2022 (Az.: 3 Sa 1087/21) mit der praxisrelevanten Frage beschäftigt, wann Bewerberinnen eine Schwangerschaft offenbaren müssen.
 
1. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat hierauf folgende Antworten gegeben:
Bei „unbefristeten“ Einstellungen besteht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts keine Pflicht, eine Schwangerschaft zu offenbaren. Begründung: Die durch den Mutterschutz bedingten Einschränkungen der Beschäftigung sind nur vorübergehender Natur und fallen bei einem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis nicht ins Gewicht.

2. Streitig ist eine Offenbarungspflicht und das damit korrespondierende Fragerecht bei einem befristeten Arbeitsverhältnis.

  • Das Landesarbeitsgericht Köln hat vor etwa 10 Jahren ein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer bestehenden Schwangerschaft auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis abgelehnt – und das sogar in einem Fall, in dem die Arbeitnehmerin als befristete Schwangerschaftsvertretung eingestellt wurde; vgl. Landesarbeitsgerichts Köln, Urteil vom 11.10.2012 (Az.: 6 Sa 641/12).
  • In der Literatur sind die Meinungen geteilt:
    Nach Meinung 1 darf auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht nach einer Schwangerschaft gefragt werden, und zwar unabhängig von der Dauer der Befristung.
    Eine Pflicht, die Schwangerschaft auch ohne eine dementsprechende Frage des Arbeitgebers zu offenbaren, besteht nach dieser Auffassung erst recht nicht.
    Nach Meinung 2 besteht ein Fragerecht jedenfalls dann, wenn die Befristungsdauer in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Länge von Beschäftigungsverboten bzw. Mutterschutzfristen steht. Oder anders gesagt: Je länger der Zeitraum von Beschäftigungsverboten bzw. Mutterschutz, in der die Arbeitnehmerin nicht beschäftigt werden kann und darf, gemessen an der Befristungsdauer ist, desto eher besteht ein Fragerecht und eine dementsprechende Offenbarungspflicht.

3. Das Landesarbeitsgericht Hamm orientiert sich an Meinung 2. Die Hammer Arbeitsrichter stellen aber zusätzlich darauf ab, ob schon bei Vertragsabschluss feststand, ob die Arbeitnehmerin während eines wesentlichen Teils der Befristungsdauer nicht arbeiten konnte. Wenn nicht, besteht nach Auffassung der Hammer Arbeitsrichter auch kein Fragerecht und erst recht keine ungefragte Offenbarungspflicht.

4. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage noch nicht eindeutig entschieden.

Fazit:
 
Bei „unbefristeten“ Arbeitsverhältnissen ist die Frage nach einer Schwangerschaft/Beschäftigungsverboten fehl am Platz (wir haben „unbefristet“ deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil ja auch die übliche Befristung auf die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung eine Befristung ist). Arbeitgeber riskieren mit einer solchen Frage sogar Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
 
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen hängt das Fragerecht des Arbeitgebers nach aktuell herrschender Meinung von der Dauer der Befristung und davon ab, wie lange die Arbeitnehmerin während der Befristungsdauer nicht beschäftigt werden darf. Klar ist, dass Arbeitnehmerinnen während der vor- und nachgeburtlichen Mutterschutzfristen nicht beschäftigt werden dürfen (das sind in den meisten Fällen 14 Wochen). In aller Regel werden die vor- und nachgeburtlichen Schutzfristen gegenüber der Befristungsdauer aber nicht ins Gewicht fallen.
Bei (anderen) Beschäftigungsverboten ist die Situation eine andere. Deshalb sollte vor der Einstellung zweierlei getan werden:
Zum einen sollten Arbeitgeber prüfen, ob eine Schwangere die Tätigkeiten, um die es bei der befristeten Stelle geht, ausüben darf oder ob ein gesetzliches Beschäftigungsverbot (vgl. § 11 MuSchG) besteht. Dann ist die Frage nach einer Schwangerschaft nicht nur ausreichend, sondern sogar geboten.
Zum anderen sollte nach (individuellen) mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten für die auszuübende Tätigkeit gefragt werden.
 
Wird das Beschäftigungsverbot erst später ausgesprochen, haben Arbeitgeber (auch) nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm Pech gehabt.
 
Und noch etwas ist für die betriebliche Praxis wichtig:
 
Beschäftigte müssen auf Fragen im Bewerbungsprozess nur dann richtig antworten, wenn auch die Frage zulässig ist. Falsche Antworten auf unzulässige Fragen nutzen dem Arbeitgeber folglich nichts.
Jetzt haben Sie aber einen Wegweiser, wann Sie nach aktueller Rechtslage was in Bezug auf Schwangerschaften fragen dürfen.

 

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