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EuGH zum Urlaub: 
Keine Verjährung ohne Erfüllung der Initiativlast!
Kein Verfall und keine Verjährung ohne Initiativlast bei Langzeiterkrankungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute zwei wichtige Fragen beantwortet, die unser Bundesarbeitsgericht ihm gestellt hatte:

1. Zur grundsätzlichen Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen

In unserem Newsletter vom 08.06.2022 hatten wir die Arbeitgeber bereits darauf vorbereitet, was der Europäische Gerichtshof nach dem Votum seines Generalanwalts wahrscheinlich entscheiden wird, nämlich dass

die Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber seine Initiativlast erfüllt hat.

Eine bittere Nachricht ist das vor allem für die Arbeitgeber, die ihre Initiativlast bisher nicht erfüllt haben, weil sie davon ausgingen, dass Urlaubsansprüche wenigstens mit Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist "untergehen".

Dieser Rettungsanker ist jetzt futsch. Denn auch die Verjährungsfrist läuft nun erst mit Ablauf des Jahres an, in dem der Arbeitgeber seiner Initiativlast genügt und seine damit einhergehenden Informationspflichten erfüllt hat.
Gerade bei langjährig Beschäftigten könnte sich so einiges angesammelt haben.

2. Zur Initiativlast bei Langzeiterkrankten

In den anderen heute vom EuGH gefällten Entscheidungen ging es um die Initiativlast des Arbeitgebers im Falle von langzeiterkrankten Beschäftigten. 

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.09.2021, über die wir in unserem Newsletter vom 10.02.2022 berichtet hatten, verfällt der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, auch wenn der Arbeitgeber seine Initiativlast nicht erfüllt hat, sofern die Beschäftigten das gesamte Kalender- bzw. Urlaubsjahr über krank gewesen sind.

Vorgelegt hat das Bundesarbeitsgericht dem EuGH aber die Frage, ob der Verfall auch die Urlaubsansprüche des vorherigen Kalenderjahres erfasst, in dessen Verlauf die Erkrankung eingetreten ist.

Der EuGH hat diese Frage heute mit "Nein" beantwortet.
Für die Jahre, in deren Verlauf die Langzeiterkrankung erstmalig auftritt, bleibt es also bei der Initiativlast des Arbeitgebers.

Für einen Mitarbeiter, der seit dem 01.04.2019 durchgehend krank ist, bedeutet das  Folgendes:

  • Für die Kalenderjahre, in denen der Beschäftigte vollständig erkrankt war, ist die Erfüllung der Initiativlast nicht erforderlich; der Urlaubsanspruch verfällt also zum 31.03. des übernächsten Jahres.
    In unserem Beispiels bedeutet das, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 – ohne jeglichen Hinweis des Arbeitgebers – am 31.03.2022 verfallen ist, der Anspruch für das Jahr 2021 würde am 31.03.2023 verfallen.

  • Der Urlaubsanspruch des Jahres, in dem die Erkrankung begonnen hat (in unserem Beispiel also das Jahr 2019) verfällt hingegen nur, wenn der Arbeitgeber seiner Initiativlast ordnungsgemäß nachgekommen ist.

3. Praxistipp

Arbeitgeber tun gut daran, die Initiativlast im eigenen Interesse ernst zu nehmen, da nur so eine unkontrollierte Ansammlung von Urlaubsansprüchen über Jahre hinweg verhindert werden kann.

Da ein Hinweis nach Eintritt des Krankheitsfalls – in unseren Augen – keinen Sinn ergibt, bedeutet das, dass die Initiativlast bereits zu Beginn des Kalenderjahres erfüllt werden sollte, um jeglicher Langzeiterkrankung zuvor zu kommen.
Gleichzeitig halten wir den Hinweis zum Ende des Kalenderjahres weiterhin für sinnvoll, so dass an einer mehrmaligen Information der Beschäftigten kein Weg vorbei zu führen scheint.

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