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Die tausend Tücken von „freiwilligen“ Sonderzahlungen

in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sind „freiwillige“ Sonderzahlungen wieder angesagt. Und damit der Verwaltungsaufwand hierfür möglichst gering gehalten wird, möchten viele Arbeitgeber die Freiwilligkeit von Sonderzahlungen bereits im Arbeitsvertrag verankern.
Allerdings geht das oft schief. Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an Sonderzahlungen, bei denen Arbeitgeber jedes Jahr aufs Neue darüber entscheiden, ob, in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen sie Sonderzahlungen leisten, mittlerweile so hochgeschraubt, dass Fehler vorprogrammiert sind.

Bereits entschiedene Beispiele für solche Fehlerquellen:

  • Die Aussage, dass eine Zahlung freiwillig erfolgt, genügt nicht. Das Zauberwort lautet vielmehr Freiwilligkeitsvorbehalt. Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist etwas anderes als freiwillige Leistungen. Oder anders gesagt: Freiwillige Leistungen schließen eine vertragliche Bindung nicht aus. So sind z. B. auch vereinbarte übertarifliche Zahlungen freiwillige Leistungen.
    Wollen Arbeitgeber nicht nur freiwillige, sondern unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Leistungen erbringen, müssen sie das daher deutlich zum Ausdruck bringen.
    Und das können Arbeitgeber wie schon gesagt nur durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt tun. Arbeitgeber sollten den Beschäftigten auch erläutern, was der Freiwilligkeitsvorbehalt bedeutet, nämlich, dass der Arbeitgeber jedes Jahr aufs Neue entscheidet, ob, in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen er Sonderzahlungen leistet.

  • Solche Freiwilligkeitsvorbehalte sind allerdings dann unwirksam, wenn Arbeitgeber im ersten Satz schreiben, dass die Beschäftigten diese oder jene Sonderzahlung in Höhe von EUR XY brutto erhalten und erst im nächsten Satz einen Freiwilligkeitsvorbehalt hinzufügen.
    Oder anders gesagt: Das, was im ersten Satz der Klausel im Arbeitsvertrag versprochen wurde, darf im zweiten Satz nicht wieder relativiert werden.

  • Unwirksam sind ferner Freiwilligkeitsvorbehalte, die mit einem Widerrufsvorbehalt kombiniert werden. So liest man immer noch in vielen Arbeitsverträgen, dass der Arbeitgeber eine freiwillige und jederzeit widerrufliche Leistung gewährt.
    Solche Regelungen scheitern schon daran, dass sie widersprüchlich sind. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist nämlich etwas völlig anderes als ein Widerrufsvorbehalt. Abgesehen davon sind in der gerade genannten beispielhaften Formulierung sowohl Freiwilligkeitsvorbehalt als auch Widerrufsvorbehalt unzureichend formuliert.

  • Unwirksam sind außerdem Klauseln, die jedwede zusätzlich zum Arbeitsvertrag erbrachten Leistungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen.

    - Zum einen deshalb, weil es nach der Rechtsprechung verboten ist, laufende Zahlungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen (bei laufenden Zahlungen würde nur ein Widerrufsvorbehalt helfen).

    - Zum anderen, weil sich aus der arbeitsvertraglich vereinbarten Klausel ausdrücklich ergeben muss, dass Leistungen, die künftig zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden, ebenfalls nicht von Freiwilligkeitsvorbehalten erfasst sind.
    Das hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 10.01.2022 (Az.: 9 Sa 66/21) entschieden. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

    „Gleichwohl hält die erkennende Kammer die Freiwilligkeitsklausel für unwirksam, da sie intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Sie stellt auch nachträglich vereinbarte Sonderzahlungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt. Die Klausel macht nicht deutlich, dass auf Sonderzuwendungen jedenfalls dann ein Rechtsanspruch besteht, wenn diese zuvor zwischen den Parteien vereinbart worden sind […]“

Wenn man dann noch bedenkt, dass das Bundesarbeitsgericht Zweifel hegt, ob ein einmal in einem Arbeitsvertrag verankerter Freiwilligkeitsvorbehalt, der allen Anforderungen genügt, auch noch nach vielen Jahren ohne erneuten Hinweis auf den Freiwilligkeitsvorbehalt genügt, kann es eigentlich nur einen Ratschlag für Arbeitgeber geben:
Verzichten Sie auf Freiwilligkeitsvorbehalte in Arbeitsverträgen.
Machen Sie dann, wenn Sie solche Leistungen erbringen möchten, lieber ein Rundschreiben, in dem Sie die Zahlung ankündigen, den Freiwilligkeitsvorbehalt formulieren und die Auszahlungsbedingungen für die in diesem Jahr gezahlte Sonderzuwendung hinzufügen.
Wichtig ist, dass Sie den Beschäftigten ein solches Rundschreiben zugänglich machen, bevor die Sonderzahlung geleistet wird. Und wichtig ist natürlich auch, dass Sie für Streitfälle einen Zugangsnachweis haben.

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