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BAG neu: Volle Rückforderung von Ausbildungskosten ist möglich!

Das Thema Übernahme von Fortbildungskosten bewegt aktuell nicht nur viele Arbeitgeber, sondern auch die Gerichte. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Fortbildungen laut vieler Statistiken ganz oben auf der „Wunschliste“ von Arbeitnehmer:innen stehen, um die Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels kämpfen müssen.

Wie Sie aus unserem Newsletter vom 31.05.2022 bereits wissen, hat das Bundesarbeitsgericht am 01.03.2022 (Az.: 9 AZR 260/21), zu Lasten der Arbeitgeber geurteilt:

Von der Rückzahlungspflicht auszunehmen sind auch die Fälle, bei denen Beschäftigte sich zur Eigenkündigung entschließen, weil sie vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene Qualifikation bei dem Arbeitgeber nicht (mehr) nutzen können.

Wichtig ist: Diese Entscheidung ist zu dem „Klassiker“ ergangen, in dem Arbeitgeber den auf ihre Kosten fortgebildeten Beschäftigten die Möglichkeit geben, der Rückzahlungspflicht durch eine Betriebstreue von X Jahren zu entgehen.

In seinem gerade veröffentlichen Urteil vom 25.01.2022 (Az.: 9 AZR 144/21) musste das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ob Arbeitgeber überhaupt verpflichtet sind, den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, ihre Rückzahlungspflicht mit zunehmender Betriebstreue auf bis zu 0 EUR zu reduzieren. Oder ob Arbeitgeber das nicht müssen und eine „bedingungslose“ Rückzahlungspflicht vereinbaren dürfen.
Etliche (Landes-)Arbeitsgerichte und auch die Vorinstanz dieses Urteils vertreten nämlich die Auffassung, dass „bedingungslose“ Rückzahlungsverpflichtungen unzulässig sind.

Das Bundesarbeitsgericht sieht dies anders!
Laut Bundesarbeitsgericht ist es also durchaus legitim, Beschäftigte „bedingungslos“ zur Rückzahlung zu verpflichten.

Das hat für Arbeitgeber sogar rechtliche Vorteile. Denn bei „bedingungslosen“ Rückzahlungsverpflichtungen müssen Arbeitgeber sich erst gar keinen Kopf über zulässige Bindungsfristen und all die Tatbestände machen, die sie aus der Rückzahlungspflicht ausdrücklich ausnehmen müssen.

Komisch, werden viele von Ihnen nun sagen. Denn die „bedingungslose“ Rückzahlungsverpflichtung ist für Arbeitnehmer:innen wirtschaftlich gesehen doch schlechter als eine Rückzahlungspflicht, die sich mit zunehmender Beschäftigungsdauer nach abgeschlossener Fortbildung bis auf 0 EUR reduziert.

Das Bundesarbeitsgericht aber sieht es genau umgekehrt. Schlimmer ist in seinen Augen der „Klassiker“, da die an den Verbleib im Unternehmen gekoppelte Rückzahlungsverpflichtung in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit (Artikel 12 des Grundgesetzes) eingreift.

Auch bei der Variante der „bedingungslosen“ Rückzahlungspflicht gibt es jedoch ein Aber. Es muss (wie in anderen Fällen auch) immer geprüft werden, ob die Fortbildungsmaßnahme für die Beschäftigten einen über das konkrete Arbeitsverhältnis hinausgehenden Mehrwert hat. Und je höher die vom Arbeitgeber vorgeschossenen Kosten sind, desto größer muss auch dieser Mehrwert für die Beschäftigten ausfallen.
 
Und noch etwas: Der entschiedene Fall war deshalb "speziell", weil der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer das Geld für die Finanzierung eines Lehrgangs zum Erwerb einer Musterberechtigung als Co-Pilot als zinsloses Darlehen ausgezahlt hatte.
Nach unserem Verständnis der Entscheidung würden die gleichen Grundsätze aber auch gelten, wenn der Arbeitgeber die Kosten direkt an den Träger der Fortbildung zahlt.

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