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Niedrigere Stundenlöhne für geringfügig Beschäftigte - ein No-Go!

Auch geringfügig Beschäftigte („Minijobber*innen“) sind „ganz normale“ Beschäftigte. Sie haben – um nur zwei verbreitete Irrtümer aufzugreifen – Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und Elternzeit. Dass sie auch Anspruch auf denselben Stundenlohn haben wie andere, „hauptamtliche“ Beschäftigte, hat das LAG München in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 19.01.2022 (Az.: 10 Sa 582/21) noch einmal bekräftigt.

In dem zugrundeliegenden Fall verdiente ein Rettungssanitäter, der im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung beim Arbeitgeber beschäftigt war, € 12,00/Stunde. Die „hauptamtlichen“ Voll- und Teilzeitbeschäftigten erhielten demgegenüber € 17/Stunde. Der Arbeitgeber meinte, dieser Unterschied sei gerechtfertigt. Der Arbeitgeber begründete das damit, dass die geringfügig beschäftigten Rettungssanitäter die zeitliche Lage ihrer Einsätze selbst auswählen könnten und damit einen „zeitlichen“ Vorteil gegenüber den hauptamtlich Beschäftigten hätten; die würden nämlich ohne Mitspracherecht in Dienstpläne eingeteilt.
 
Das Landesarbeitsgericht München ließ diese Begründung für den Vergütungsunterschied wegen § 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nicht gelten.
 
Nach § 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes dürfen Teilzeitbeschäftigte nicht wegen der Teilzeitbeschäftigung schlechter gestellt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung.
Sachliche Gründe liegen laut Landesarbeitsgericht München aber nur vor, wenn sich

„der Grund für die unterschiedliche Behandlung aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung nicht. Die Sachgründe müssen anderer Art sein.“
 
Als mögliche sachliche Gründe nennt das LAG beispielhaft:
- Arbeitsleistung,
- Kommunikation,
- Berufserfahrung oder
- unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen.
 
Außerdem müsse die getroffene Unterscheidung dem Zweck der jeweiligen Leistung entsprechen. Es müsse objektive Gründe geben, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen und für die Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich sind.
 
Diese Hürden sind für den Arbeitgeber nur schwer zu nehmen, wenn er geringfügig Beschäftigte schlechter bezahlen will. An diesen hohen Hürden scheiterte auch dieser Arbeitgeber: Sein Hauptargument war, der Kläger könne selbst entscheiden, welche Dienste er übernimmt bzw. Wunschtermine festlegen. Hauptamtliche hätten diese Möglichkeit nicht, sondern seien laut Arbeitsvertrag und § 106 GewO an die Einteilungen des Arbeitgebers in die Dienstpläne gebunden. Deshalb sei eine geringere Vergütung gerechtfertigt.
Das half nichts. Das Gericht konnte darin keine Gründe erkennen, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen und eine Differenz von nahezu 43 % des Stundenlohns rechtfertigen könnten.
 
Die spannende Frage, ob es grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, den Verzicht auf die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO durch die Zahlung eines geringeren Stundenlohns aufzuwiegen, hat das Gericht nicht abschließend beantwortet – die Differenz von fast 43 % war dem Gericht in jedem Fall zu hoch.
 
In der Praxis heißt das für Arbeitgeber:

  • Schauen Sie bei geringfügig Beschäftigten genau hin und machen Sie die Probe aufs Exempel: Würde ich den gleichen Stundenlohn zahlen, wenn es sich um eine Vollzeitkraft oder eine „reguläre“ Teilzeitkraft handeln würde?
  • Wenn nicht: Kann ich das durch sachliche Gründe rechtfertigen, die mit dem geringeren Arbeitspensum nichts zu tun haben?

Gerade dann, wenn Sie qualifizierte Beschäftigte im Rahmen von Minijobs beschäftigen, werden Sie feststellen, dass sich genaues Hinsehen lohnt. Und damit wären wir beim nächsten und für heute letzten Punkt:
 
Gehaltsdifferenz und Phantomlohn:
Stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber zu wenig Stundenlohn gezahlt hat, können die Betroffenen die Gehaltsdifferenz einklagen. Damit sind sie in den allermeisten Fällen dann auch keine Minijobber mehr – mit entsprechenden Folgen für die Sozialversicherungsbeiträge …
Und das i-Tüpfelchen: Sie haben ein „Phantomlohnproblem“: Ganz unabhängig davon, ob Betroffene die Differenz geltend machen, haben Arbeitgeber in den beschriebenen Fällen Arbeitsentgelt vorenthalten, auf das die AN (eigentlich) einen Anspruch haben. Fällt das bei der Betriebsprüfung auf, werden auf die (fiktive) Gehaltsdifferenz die Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert – in der Regel wird der Arbeitgeber dann die vollständige Last aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag tragen (müssen). Und das kann teuer werden, besonders deshalb, weil der „Minijob“ in den hier relevanten Konstellationen dann kein „Minijob“, sondern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist.
 
Also: Es gibt viele gute Gründe, beim Minijob genauer hinzuschauen!

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