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Was ist der Unterschied zwischen einer Probezeit- und einer Wartezeit-Kündigung?

Für viele Menschen sind Probezeit und Wartezeit das Gleiche. In Wahrheit (und vor den Arbeitsgerichten) sind das aber zwei unterschiedliche Paar Schuhe.

Gerade wenn in Arbeitsverträgen eine kürzere Probezeit vereinbart wird, als die im Kündigungsschutzgesetz vorgesehene 6-monatige Wartezeit, sind Konflikte allerdings vorprogrammiert.

Das kürzlich veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.07.2021 (Az.: 5 Sa 387/20) ist hierfür ein gutes Beispiel. In dem entschiedenen Fall war mit einem Arbeitnehmer eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart worden. Nach Ablauf der 3 Monate fühlte der Arbeitnehmer sich sicher und mietete am Ort der Betriebsstätte noch eine Zweitwohnung an.

Kurz vor Ablauf der 6-monatigen Wartezeit erhielt er dann die Kündigung und zog dagegen vor Gericht.
Mit seiner Klage scheiterte er jedoch auch in 2. Instanz.

Die wesentlichen Feststellungen der rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter möchten wir gerne folgendermaßen auf den Punkt bringen:

  • Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht (sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde) erst nach Ablauf der 6-monatigen Wartezeit. 
    Allgemeiner Kündigungsschutz bedeutet, dass der Arbeitgeber einen gesetzlich definierten Kündigungsgrund braucht, um dem Arbeitnehmer wirksam kündigen zu können. 

  • Die Probezeit ist etwas anderes als die Wartezeit.
    Die Bedeutung der Probezeit erschöpft sich darin, dass beide Parteien innerhalb einer vereinbarten Probezeit mit verkürzter Frist kündigen können, vgl. § 622 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
    Mit der Erlangung von Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hat die Probezeit dagegen nichts zu tun.

  • Wird (wie im entschiedenen Fall) eine Probezeit vereinbart, die kürzer ist als die 6-monatige Wartezeit, ist es Arbeitgebern daher nicht verboten, bis zum Ablauf der 6-monatigen Wartezeit eine Kündigung auszusprechen, solange die Kündigung nicht gegen eine gesetzliches Verbot verstößt, sitten- oder treuwidrig ist. Einen Kündigungsgrund, der den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes standhält, braucht der Arbeitgeber jedoch (noch) nicht.

  • Kündigungen, die nach Ablauf der Probezeit, aber bis zum Ablauf der Wartezeit ausgesprochen werden, sind daher auch nicht per se treuwidrig.
    Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der 3-monatigen Probezeit eine Zweitwohnung am Ort des Betriebs angemietet hatte, macht die Kündigung nicht treuwidrig. O-Ton des rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgerichts: 

    „Der Kläger konnte mangels Kündigungsschutzes nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte in den ersten 6 Monaten keine Wartezeit-Kündigung erklärt.“

    Eine Sittenwidrigkeit, die nochmals schärfere Anforderungen als die Treuwidrigkeit beinhaltet, liegt erst recht nicht vor.

Was lernen wir daraus?
 
Um solche Auseinandersetzungen von vorneherein zu vermeiden, können Arbeitgeber Folgendes tun:

  • Sie können eine Probezeit vereinbaren, die genauso lang ist wie die kündigungsschutzrechtliche Wartezeit, sich also auf 6 Monate beläuft. Tarifgebundene Arbeitgeber sollten vorher im Tarifvertrag nachsehen, ob darin ggf. eine kürzere Probezeit vorgeschrieben ist.

  • Wenn die / der Beschäftigte partout eine kürzere Probezeit haben möchte, tun Sie gut daran, schon im Arbeitsvertrag klarzustellen, dass eine Probezeit im Sinne von § 622 Absatz 3 BGB von xy Monaten vereinbart wird.

Erforderlich wäre das aber - zumindest nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz - nicht.
Wenn Sie die Auseinandersetzung nicht scheuen, können Sie also auch bewusst eine kürzere Probezeit vereinbaren; es bleibt Ihnen im Fall der Fälle unbenommen, sich trotzdem auf die  Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes zu berufen.

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