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Praxisrelevante Urteile zu Mutterschutz und Elternzeit

Kürzlich sind wieder drei interessante und praxisrelevante Entscheidungen des LAG Baden-Württemberg rund um das Thema Mutterschutz und Elternzeit ergangen, die wir Ihnen heute gerne vorstellen möchten.

Urlaubskürzung während Elternzeit per Gehaltsabrechnung grundsätzlich nicht zulässig

Wie Sie wissen, kann der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) den Erholungsurlaub für jeden vollen Monat Elternteilzeit anteilig kürzen. Wie Ihnen ebenfalls bekannt ist, müssen Arbeitgeber diese Kürzung gegenüber den Beschäftigten erklären. Die Erklärung kann vor, während und nach der Elternzeit erfolgen.

Wichtig ist nur, dass die Erklärung über die Urlaubskürzung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt; ist das Arbeitsverhältnis beendet, geht die Erklärung über die Kürzung der Urlaubsansprüche für volle Kalendermonate ins Leere.

Wichtig ist auch: Eine Kürzung vor dem Elternzeitverlangen der/des Beschäftigten ist ebenfalls nicht möglich. Kürzungsregelungen in Arbeitsverträgen reichen daher nicht, siehe auch unseren Newsletter vom 28.08.2019.

Arbeitgeber möchten den Verwaltungsaufwand für die Kürzung von Urlaubsansprüchen natürlich möglichst klein halten. Daher taucht immer wieder die Frage auf, ob es reicht, wenn die gekürzten Urlaubstage in der Gehaltsabrechnung ausgewiesen werden.

Grundsätzlich reicht das nicht. Lohn- und Gehaltsabrechnungen und die darin enthaltenen Informationen sind nach ständiger Rechtsprechung nämlich in der Regel nur sogenannte Wissenserklärungen und keine Willenserklärungen.

Diesen Grundsatz hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 16.09.2021 (Az.: 4 Sa 62/20) noch einmal bekräftigt, wobei es im konkreten Fall ausnahmsweise entschied, dass die Kürzung via Gehaltsabrechnung ausreichend war.

Diese Ausnahmeentscheidung sollte Sie aber nicht von dem Grundsatz abbringen, die Kürzung des Urlaubs für volle Monate der Elternzeit gesondert zu erklären. Hierfür gibt es im Übrigen einen „sparsamen“ Weg; Sie können die Erklärung nämlich zusammen mit der Bestätigung der Elternzeit, auf die Beschäftigte nach § 16 Absatz 1 Satz 8 BEEG ohnehin Anspruch haben, erklären.

Und Achtung: Für Urlaubsansprüche, die wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz nicht genommen werden können, gilt die Kürzungsregelung nicht.
 
Wenn die Voraussetzungen wegfallen, endet die Elternzeit automatisch und auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers

In seinem Urteil vom 17.09.2021 (Az.: 12 Sa 23/21) hat sich das LAG Baden-Württemberg mit einer anderen Frage zur Elternzeit beschäftigt, die da lautet:

Endet die Elternzeit automatisch, wenn deren Voraussetzungen wegfallen. Das Gericht beantwortete diese Frage mit „Ja“.

Eine Voraussetzung für die Elternzeit ist, dass das betroffene Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind bzw. den Kindern wohnt. Denn Sinn und Zweck der Elternzeit ist die Betreuung der Kinder. Zieht das sich in Elternzeit befindende Elternteil also – wie im dem Urteil zugrunde liegenden Fall geschehen – aus dem gemeinsamen Haushalt aus, liegen die Voraussetzungen für die Elternzeit nicht mehr vor. Laut LAG Baden-Württemberg führt das automatisch zum Ende der Elternzeit, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dem zustimmt oder nicht.

Begründung: § 16 Abs. 3 BEEG, wonach die vorzeitige Beendigung der Elternzeit grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich ist, gilt nicht , wenn die Voraussetzungen der Elternzeit wegfallen.

Das hat natürlich Auswirkungen für beide Seiten:

Die/der Beschäftigte muss dann wieder arbeiten.

Und der Arbeitgeber muss die Arbeitsleistung annehmen. Zwar bringt das das Planungsinteresse des Arbeitgebers durcheinander. Dem Planungsinteresse des Arbeitgebers wird aber dadurch Rechnung getragen, dass die/der Beschäftigte den Arbeitgeber unverzüglich über Änderungen im persönlichen Bereich (wie also z. B. einen geplanten Auszug) informieren muss. Hat der Arbeitgeber für den Zeitraum der Elternzeit eine Ersatzkraft eingestellt, so kann er dieses befristete Arbeitsverhältnis gemäß § 21 Abs. 4 BEEG außerdem vorzeitig ordentlich kündigen, wenn die Elternzeit ohne seine Zustimmung endet.

Alternativvorschlag zur Rückrechnung des Schwangerschaftsbeginns

Wie Sie wissen, setzt der Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) voraus, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine Schwangerschaft vorlag. Das darzulegen und zu beweisen ist Sache der Arbeitnehmerin. Teilweise ist es hierfür notwendig, den Beginn der Schwangerschaft anhand des voraussichtlichen Entbindungstermins rückzurechnen.

Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Beginn der Schwangerschaft 280 Tage vor dem ärztlich festgestellten Entbindungstermin liegt. Das LAG Baden-Württemberg geht in seinem Urteil vom 01.12.2021 (Az.: 4 Sa 32/21) dagegen von nur 266 Tagen zwischen Beginn der Schwangerschaft und voraussichtlichem Entbindungstermin aus und weicht somit bewusst von der Rechtsprechung des BAG ab. Die biologisch höchst komplexe und detaillierte Begründung des LAG Baden-Württemberg sparen wir uns an dieser Stelle.

Im entschiedenen Fall hat die vom LAG Baden-Württemberg eingeschlagene neue Rückrechnungsmethode dem Arbeitgeber jedenfalls geholfen – denn dadurch hatte die Arbeitnehmerin bei Zugang der Kündigung noch keinen Kündigungsschutz.

Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht dieser folgt und in einer (zugelassenen) Revisionsentscheidung seine Rechtsprechung ändert. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

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