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Urlaubsentgeltberechnung bei Provisionen, Zielboni und Co.

Mit dem neuen Jahr hat auch ein neues Urlaubsjahr begonnen. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, Ihnen das gerade veröffentlichte spannende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.07.2021 (Az.: 9 AZR 376/20) vorzustellen, das sich mit der Berücksichtigung von variablen Vergütungsbestandteilen (Provisionen, Zielboni, etc.) bei der Urlaubsentgeltberechnung beschäftigt.

Vorweg der Sachverhalt: Ein Vertriebsmitarbeiter machte Provisionsansprüche für vergangene Urlaubszeiten geltend. Streng genommen handelte es sich um Bonusansprüche, die aber im Arbeitsvertrag als Provisionen bezeichnet worden waren. Die sog. Provisionen, die von der Erreichung bestimmter individueller Zielvorgaben (die sich wiederum an vergangenen und prognostizierten Umsätzen im Verkaufsgebiet des Arbeitnehmers orientierten) abhängig waren, beliefen sich auf 40 % des Gesamtgehalts und wurden quartalsmäßig und später halbjährig ausgezahlt. Bei der Bemessung des Urlaubsentgelts wurde die Provision nicht vom Arbeitgeber berücksichtigt. Es gab allerdings einen Urlaubsvertreter für den Arbeitnehmer; außerdem wurden Urlaubszeiten vom Arbeitgeber bei der Festlegung der Ziele so berücksichtigt, dass diese trotz des Urlaubs erreichbar waren. Der Arbeitnehmer klagte trotzdem. 

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer im Ergebnis Recht. Zur Begründung verwies das BAG zunächst auf § 11 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). Der lautet:

„(1) Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.
(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.“

 
Das BAG führte aus, dass auch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile Teil des gewöhnlichen Arbeitsverdienstes im Sinne von § 11 BUrlG sind, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Der variable Vergütungsbestandteil wird für bestimmte Zeitabschnitte als Gegenleistung zur Arbeitsleistung gezahlt.
  2. Die Höhe des variablen Vergütungsbestandteils ist zumindest auch von der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung abhängig.
  3. Der variable Vergütungsbestandteil kann durch die fehlende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während des Urlaubs beeinflusst werden.

Diese Voraussetzungen waren im entschiedenen Fall erfüllt, da die sog. Provision als Gegenleistung für den individuell erzielten Umsatz im Verkaufsgebiet des Klägers innerhalb des Abrechnungszeitraums gezahlt wurde und die Höhe der Provision auch vom Einsatz und der Leistung des Klägers abhing.
 
Der variable Vergütungsbestandteil musste also bei der Bemessung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Und zwar in voller gesetzlicher Höhe und nicht nur anteilig.
Unerheblich ist hierbei, ob die/der Beschäftigte während seines Urlaubs vertreten wird.

Nicht maßgeblich ist außerdem, dass die Zielvorgaben und die Abrechnung der Provision oder des Bonus nicht monatlich, sondern quartals- oder halbjahresbezogen erfolgen, sofern nur die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
 
Der Vortrag des Arbeitgebers, dass er bei der Festlegung der Zielvorgaben die Urlaubszeiten bereits berücksichtigt, d. h. diese entsprechend niedriger angesetzt habe, hatte beim Bundesarbeitsgericht ebenso wenig Erfolg.
Begründung: § 11  BUrlG legt die Bemessungsgrundlage für das Urlaubsentgelt – durchschnittlicher Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen – abschließend fest. Die Vorschrift lässt keinen Raum für eine andere Berechnungsmethode.

Wichtig ist daher:
Einen kleinen, aber durchaus wichtigen Gestaltungsspielraum gesteht das Bundesarbeitsgericht Arbeitgebern dann aber doch zu: Für den vertraglichen Mehrurlaub kann eine von § 11 BUrlG abweichende Regelung zur Berücksichtigung von variablen Vergütungsbestandteilen beim Urlaubsentgelt vereinbart werden. Arbeitgeber sollten sich überlegen, ob sie diesen Spielraum nutzen wollen. Die Urlaubsregelung im Arbeitsvertrag müsste dann entsprechend ergänzt werden.

Exkurs:
Das Problem der Berücksichtigung von variablen Vergütungsbestandteilen stellt sich  auch bei der krankheitsbedingten Entgeltfortzahlung. Auch hier sind variable Vergütungsbestandteile grundsätzlich zu berücksichtigen. Anders als beim Urlaub wird hier allerdings nicht der vergangene, sondern ein zukünftiger, prognostizierter Arbeitsverdienst zugrunde gelegt, um die Höhe des Lohnfortzahlungsanspruchs zu bestimmen. Wenn eine solche Prognose – wie das in der Regel bei variablen Vergütungsbestandteilen der Fall ist (es ist ja nicht klar, ob provisionspflichtige Geschäfte abgeschlossen oder Zielvorgaben ohne die Krankheit erreicht worden wären) – nicht möglich ist, wird auf das gezahlte Entgelt in den letzten drei Monaten vor der Krankheit zurückgegriffen. Unterliegen die Provisions- oder Bonizahlungen starken Schwankungen, wird sogar auf die letzten 12 Monate abgestellt.

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