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Das hat die neue Regierung im Arbeitsrecht geplant

Der Regierungswechsel wird sich auch im Arbeitsrecht bemerkbar machen. Damit Sie schon jetzt wissen, was auf Sie zukommt, möchten wir uns heute ansehen, welche Neuregelungen und Änderungen die neue Ampel-Koalition im Bereich des Arbeitsrechts geplant hat. Wir haben die aus unserer Sicht wichtigsten und praxisrelevantesten Vorhaben für Sie herausgesucht:

Arbeitszeit
Die neue Regierung hat sich vorgenommen, flexible Arbeitszeitmodelle zu unterstützen:

„Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume). Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.“

 
Arbeitsort
Was die alte Regierung nicht mehr geschafft hat, wollen die Ampel-Koalitionäre nun auf den Weg bringen: Eine rechtliche Grundlage für das Homeoffice.

Homeoffice grenzen wir als eine Möglichkeit der Mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung ab. Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen. Dies erfordert Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung 69 durch ihre Arbeitgeber. Zur gesunden Gestaltung des Homeoffice erarbeiten wir im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen. Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen. Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Das heißt, dass eine Ablehnung nicht sachfremd oder willkürlich sein darf. Für abweichende tarifvertragliche und betriebliche Regelungen muss Raum bleiben. Mobile Arbeit soll EU-weit unproblematisch möglich sein.“

Geplant ist also kein „Anspruch auf Homeoffice“, wie in der Vergangenheit teilweise diskutiert, sondern eine „Erörterungspflicht“. Diese sah auch der letzte Gesetzesentwurf der großen Koalition bereits vor, den wir in unserem Newsletter vom 30.12.2020 analysiert haben. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Regierung hieran anknüpft oder ob sie einen eigenen Entwurf vorlegt.

Die Ampel-Koalition scheint außerdem das Problem der Einordnung des Homeoffice in die bekannten Kategorien „Mobile Arbeit“ und „Telearbeit“ erkannt zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass auch eine klare Regelung über die einzuhaltenden Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen wird. Hier sind im Moment nämlich noch einige sehr praxisrelevante Fragen ungeklärt. Mobile Arbeit soll zudem in allen EU-Staaten möglich sein. Auch das ist unter der jetzigen Gesetzeslage vor allem aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht mit Problemen verbunden.
 
Mindestlohn
Die wohl prominenteste Änderung im Arbeitsrecht ist die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde. Dies soll eine einmalige Anpassung sein; danach entscheidet wieder die unabhängige Mindestlohnkommission über etwaige Erhöhungen.

Mini- und Midijobs
Im Bereich der Mini- und Midijobs hat die Ampel-Regierung folgendes vor:

„Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen. Wir erhöhen die Midi-Job-Grenze auf 1.600 Euro. Künftig orientiert sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Sie wird dementsprechend mit Anhebung des Mindestlohns auf 520 Euro erhöht. Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden. Die Einhaltung des geltenden Arbeitsrechts bei Mini-Jobs werden wir stärker kontrollieren.“

Befristungen
Auch hinsichtlich der Möglichkeit zur Befristung von Arbeitsverträgen soll sich etwas ändern:

„Um Kettenbefristungen zu vermeiden, begrenzen wir mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber auf sechs Jahre. Nur in eng begrenzten Ausnahmen ist ein Überschreiten dieser Höchstdauer möglich.“

Bisher gibt es Beschränkungen der Befristungsmöglichkeit nur bei Befristungen ohne Sachgrund. Künftig soll auch eine Befristung mit Sachgrund nicht grenzenlos möglich sein. Wie genau die Regelung dann aussehen wird, bleibt abzuwarten.

 
Tarifautonomie
Hier hat sich die neue Regierung folgendes vorgenommen:

„Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht. Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht werden wir verhindern, indem wir die Fortgeltung des geltenden Tarifvertrags sicherstellen.“

Mitbestimmung
Im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung setzt die Ampel-Koalition verstärkt auf digitale Alternativen:

„Betriebsräte sollen selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Maßstäbe werden wir Online-Betriebsratswahlen in einem Pilotprojekt erproben.“

Das gerade erst im Sommer verabschiedete Betriebsrätemodernisierungsgesetz wird daher vermutlich noch einmal angepasst werden.
 
Ökonomische Gleichstellung
 
„Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu lassen.“

Dieses Vorhaben könnte dem bisher eher unscheinbar gebliebenen Entgelttransparenzgesetz in der Praxis mehr Gewicht verleihen.
 
"Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Damit die Brückenteilzeit künftig von mehr Beschäftigten in Anspruch genommen werden kann, werden wir die sogenannte „Überforderungsklausel“ entsprechend überarbeiten und gleichzeitig für die Unternehmen übersichtlicher gestalten.“

Eine Klarstellung der komplizierten Regelung ist zu begrüßen; die Auswirkungen der inhaltlichen Änderungspläne auf Arbeitgeber bleiben abzuwarten.

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