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Wann sind (Fremd-)Geschäftsführer wie Arbeitnehmer zu behandeln?

Wie Sie durch unsere früheren Berichterstattungen wissen, taucht bei den Arbeits- aber auch bei den Zivilgerichten immer wieder die Frage auf, ob insbesondere Fremdgeschäftsführer (also Geschäftsführer, die nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind) Arbeitnehmer sind. Nach deutschem Recht ist die Frage ziemlich klar zu beantworten:
Fremdgeschäftsführer sind keine Arbeitnehmer. Vielmehr sind sie, so das Bundesarbeitsgericht, arbeitgeberähnliche Personen.
Nur in extremen Ausnahmefällen können Fremdgeschäftsführer nach deutschem Recht Arbeitnehmer sein.

Allerdings steht das deutsche Arbeitsrecht ja nicht mehr alleine da, sondern wird in etlichen Bereichen durch EU-Recht bestimmt. Und da Fremdgeschäftsführer nach EU-Recht grundsätzlich Arbeitnehmer sind, müssen sich auch deutsche Gerichte vor dem Hintergrund von EU-Recht immer wieder fragen, was denn nun für Fremdgeschäftsführer gilt. So auch in dem gerade veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.04.2021 (Az.: 2 AZR 540/20).

Konkret ging es in dieser Entscheidung um die Frage:
Müssen GmbH-Fremdgeschäftsführer mitgezählt werden, wenn es um die Frage geht, ob ein Betrieb ein Kleinbetrieb im Sinne von § 23 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage mit Nein beantwortet und das folgendermaßen begründet:

  • Bei § 23 KSchG werden nur Arbeitnehmer gezählt.
    Es kommt also darauf an, ob die in dem Betrieb beschäftigten Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer sind. Und das ist, wie eingangs gesagt, nur in extremem Ausnahmefällen, insbesondere bei extremer Weisungsabhängigkeit der Fall.

    Auf die Prüfung, ob ein solcher extremer Ausnahmefall vorliegt, kann laut Bundesarbeitsgericht nicht schon wegen der Regelung in § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG verzichtet werden. Dort steht bekanntlich, dass der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes u. a. nicht für Geschäftsführer gilt.
    Die Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG steht aber nicht im ersten, sondern im vierten Abschnitt; Geschäftsführer und die anderen in § 14 KSchG genannten Personen können daher nicht schon per se bei der Kleinbetriebsklausel außen vor bleiben.

  • Bei § 23 KSchG kann laut Bundesarbeitsgericht nicht auf den europäischen Arbeitnehmerbegriff zurückgegriffen werden.
    Das Kündigungsschutzgesetz beruht nämlich nicht auf einer europäischen Richtlinie. Im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes gilt folglich nur der nationale, sprich deutsche Arbeitnehmerbegriff, der neuerdings in § 611 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert ist.

Dieses Urteil zeigt also einmal mehr, dass man sich bei Fremdgeschäftsführern (gleiches gilt für Geschäftsführer, die eine Minderheitsbeteiligung haben) immer wieder fragen muss, ob der deutsche oder aber der europäische Arbeitnehmerbegriff gilt.

Folgende Faustformeln (der Teufel steckt wie immer im Detail) können Sie sich insoweit merken:
Der deutsche Arbeitnehmerbegriff gilt immer dann, wenn den deutschen Bestimmungen keine EU-Richtlinie zu Grunde liegt.
Gibt es eine EU-Richtlinie, gilt grundsätzlich der europäische Arbeitnehmerbegriff. Ausnahme: Die EU-Richtlinie verweist insofern ausdrücklich auf die nationalen Rechtsordnungen.
Das macht die Rechtslage in Deutschland kompliziert. Denn so muss man immer schauen bzw. prüfen, ob es eine europäische Richtlinie gibt und welcher Arbeitnehmerbegriff hiernach gilt.

Im Folgenden möchten wir Ihnen gerne einen kurzen Überblick bezogen auf die wichtigsten Bestimmungen und deren Anwendbarkeit auf Fremdgeschäftsführer geben:

  • AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB: Ja, auch Geschäftsführer sind Verbraucher.
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Ja, hinsichtlich der in § 2 Absatz 1 Nr. 1 und 2 AGG geregelten Tatbestände; noch offen ist, ob auch § 2 Absatz 1 Nr. 3 bis 8 AGG auf Fremdgeschäftsführer oder Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung anwendbar sind; die Tendenz geht in Richtung "Ja".
  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Wohl ja.
  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Nein (vgl. § 18 ArbZG).
  • Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Wohl ja, jedenfalls für den gesetzlichen Mindesurlaub.
  • Entgelttransparenzgesetz: Wohl ja.
  • Mutterschutz: Ja.
  • Kündigungsschutzgesetz: Nein.
    Erstens wird das Kündigungsschutzrecht nicht durch EU-Recht bestimmt.
    Und zweitens ist durch § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG klargestellt, dass Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz haben. Dies gilt wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG im Übrigen selbst dann, wenn mal ein extremer Ausnahmefall vorliegen sollte, in dem ein Geschäftsführer Arbeitnehmer wäre. Einfach gesagt: Wegen § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG haben Geschäftsführer nie Kündigungsschutz, auch nicht, wenn ihre Geschäftsführung aufgrund extremer Weisungsabhängigkeit ein Arbeitsverhältnis sein sollte.
  • Massenentlassung nach §§ 17 ff. KSchG: Es kommt darauf an:
    - Schwellenwert (§ 17 Abs. 1 KSchG): Umstritten wegen § 17 Abs. 5 KSchG; nach h. M. wohl ja.
    - Pflicht zur Anzeige der Entlassung: Wohl ja.
    - Konsultationspflicht mit dem Betriebsrat (§ 17 Abs. 3 KSchG): Wohl nein, da der deutsche BR nicht für Fremdgeschäftsführer zuständig ist.
  • Teilzeit- und Befristungsgesetz: Nein.

Wie Sie sehen, ist die Rechtslage noch nicht überall abschließend geklärt. Es wird daher wohl abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung nach und nach positioniert.

Redaktioneller Hinweis: Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir in diesem Newsletter ausnahmsweise auf eine gendergerechte Sprache verzichtet

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