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Neuigkeiten zu Pflichtpraktika von Studierenden

Bei Pflichtpraktika von Studierenden stellt sich häufig die Frage, ob der Arbeitgeber den Mindestlohn schuldet oder aber nicht.
 
Besondere Probleme bereitet in der Praxis immer wieder die Ausnahmevorschrift des § 22 Absatz 1 Nr. 1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Danach gilt das MiLoG nicht für Arbeitnehmer:innen, die ein Praktikum verpflichtend auf Grund […] einer hochschulrechtlichen Bestimmung [...] leisten.
 
Warum das Handling dieser Vorschrift in vielen Fällen schwierig ist, zeigt das gerade veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.03.2021 (Az.: 8 Sa 206/20) anschaulich.
 
Dort ging es um eine junge Frau, die in einer Klinik ein 6-monatiges Praktikum machte, das sie nach den Zugangsregelungen einer privaten Universität für einen Studienplatz in Humanmedizin brauchte.
 
Die rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter:innen mussten nun entscheiden, ob die junge Frau Anspruch auf den Mindestlohn hat oder ob der Ausnahmefall des § 22 Absatz 1 Nr. 1 des MiLoG vorliegt.
 
Um das zu beantworten, mussten sich die rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter:innen daher auch fragen:

  • Was sind schulrechtliche Bestimmungen im Sinne von § 22 Absatz 1 Nr. 1 MiLoG und fallen auch private Universitäten darunter?

  • Kann auch ein vor Aufnahme des Studiums absolviertes Praktikum unter § 22 Absatz 1 Nr. 1 MiLoG fallen? Oder sind solche (vor Beginn des Studiums geleisteten) Praktika ein Fall von § 22 Absatz 1 Nr. 2 MiLoG (sog. Orientierungspraktika)? Denn wenn § 22 Absatz 1 Nr. 2 des MiLoG einschlägig ist, darf das Praktikum maximal 3 Monate dauern. Bei § 22 Absatz 1 Nr. 1 MiLoG gibt es diese zeitliche Begrenzung dagegen nicht.

Die rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter:innen haben all diese Fragen zugunsten des Arbeitgebers beantwortet und sich damit gegen die Zahlung von Mindestlohn in solchen Fällen entschieden.
 
Gerne möchten wir die sehr praxisrelevanten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz folgendermaßen für Sie auf den Punkt bringen:

  • Die Ausnahmeregelung des § 22 Absatz 1 Nr. 1 MiLoG ist weit auszulegen. Hochschulrechtliche Bestimmungen im Sinne der Vorschrift können daher sein:
    - Gesetze,
    - Verordnungen,
    - Satzungen,
    - aus Satzungen abgeleitete Zulassungsordnungen o. ä. oder auch      
    - Kooperationsverträge zwischen der Hochschule und einem Unternehmen.

  • Es spielt keine Rolle, ob es sich um hochschulrechtliche Bestimmungen einer staatlichen oder privaten Hochschule handelt.

  • Die Ausnahmebestimmung des § 22 Absatz 1 Nr. 1 setzt nicht voraus, dass Studierende bereits an der Hochschule eingeschrieben sind. Von der Ausnahmeregelung erfasst werden daher auch Zulassungsordnungen für Studienbewerber:innen.

Diese Feststellungen sind eine brauchbare Hilfestellung, wenn es um die Abgrenzung zwischen Orientierungspraktika nach § 22 Absatz 1 Nr. 2 MiLoG und von Hochschulen vorgeschriebene Zulassungspraktika geht.
 
Da es sich hierbei um grundsätzliche Rechtsfragen handelt, haben die rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter:innen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das letzte Wort wird also einmal mehr das Bundesarbeitsgericht haben.
 
Bis dahin macht die gut begründete Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz aber Hoffnung.

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