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EuGH: Kopftuchverbot am Arbeitsplatz kann zulässig sein

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich schon häufiger mit dem Thema „Kopftuchverbot am Arbeitsplatz“ bzw. der Abwägung zwischen Religionsfreiheit und dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach religiöser Neutralität beschäftigt.
So auch in dem heute verkündeten Urteil (Az.: C-804/18 und C-341/19), um das es gleich gehen soll.

Bevor wir uns damit beschäftigen, zunächst ein kleiner Rückblick:

Im Jahr 2017 hat der EuGH in einem viel besprochenen Urteil entschieden: Das Interesse des Arbeitgebers an einem religiös „neutralen“ Erscheinungsbild einer Mitarbeiterin am Empfang mit direktem Kundenkontakt kann berechtigt sein.
Mit anderen Worten: Die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers kann die Religionsfreiheit überwiegen und ein Kopftuchverbot deshalb zulässig sein.

Die deutsche Rechtsprechung ist aufgrund der hierzulande hochgehaltenen Religionsfreiheit zurückhaltender und setzt die Hürden für Arbeitgeber höher an.
So entschied das Bundesarbeitsgericht erst vor kurzem (Urteil vom 27.08.2020, Az.: 8 AZR 62/19), dass ein pauschales Kopftuchverbot auch unter Berufung auf ein Neutralitätsgesetz (in diesem Fall des Landes Berlin) nicht gerechtfertigt sein kann. Es müssten vielmehr Anhaltspunkte für „konkrete Störungen“ durch das Tragen eines Kopftuchs dargelegt werden.

Auch in der heutigen Entscheidung des EuGH beschäftigte sich dieser mit Neutralitätsvorgaben gleich zweier Unternehmen, gegen die sich zwei Arbeitnehmerinnen, eine Kita-Erzieherin und eine Kassiererin und Kundenberaterin in der Drogerie, unter Berufung auf ihre Religionsfreiheit wandten. Die angerufenen deutschen Gerichte – das Hamburger Arbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht – stellten dem EuGH daraufhin die Frage, ob betriebliche Neutralitätsvorgaben eines privaten Unternehmens, die das Tragen jeglicher sichtbarer Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbieten, mit dem EU-Recht vereinbar sind.

Der EuGH antwortete:

  • Ein solches betriebliches Neutralitätsgebot stellt eine mittelbare Diskriminierung wegen der Religion dar.
  • Diese kann aber gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ein nachgewiesenes Bedürfnis an betrieblicher Neutralität hat und eine Beeinträchtigung seiner unternehmerischen Freiheit droht.
  • Außerdem muss die Neutralitätspolitik konsequent durchgesetzt werden, was etwa dadurch erreicht werden kann, dass das Tragen aller sichtbaren, auch kleineren, Zeichen verboten wird.
  • Schließlich müssen aber auch die nationalen Vorschriften zum Schutz der Religionsfreiheit beachtet werden. Diese können – wie das in Deutschland etwa der Fall ist – auch strengere Vorgaben für den Grundrechtsschutz als das Unionsrecht vorsehen.

Der EuGH bestätigt also einerseits, dass das Interesse des Arbeitgebers an religiöser Neutralität ein Kopftuchverbot grundsätzlich rechtfertigen kann. Durch den Verweis auf nationale Regelungen spielt er den Ball aber andererseits zurück an die Mitgliedsstaaten und ihre Gerichte.

Im Ergebnis wird sich daher aus deutscher Sicht wohl nichts ändern: Pauschale Kopftuchverbote dürften weiter unzulässig sein. Ausnahmsweise kann ein Verbot gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber konkrete Störungen seiner unternehmerischen Freiheit darlegen kann.

Das letzte Wort haben aber noch die beiden deutschen Gerichte, die nun auf Grundlage der Antwort des EuGH ihre Entscheidung treffen müssen.

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