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Das höchste Gut von Arbeitnehmer:innen - Warum Arbeitgeber bei Selbstbeteiligungen von Arbeitnehmer:innen für Fahrzeug-Upgrades aufpassen müssen

Da das Auto immer noch des Deutschen liebstes Kind ist, wünschen sich viele Arbeitnehmer:innen ein höherwertigeres Fahrzeug als das, was ihnen aufgrund ihrer Funktion eigentlich zusteht.

Viele Unternehmen arbeiten daher gerne mit Regelungen, die eine Selbstbeteiligung der Arbeitnehmer:innen für das Fahrzeug-Upgrade vorsehen. Seitdem solche Eigenanteile auf den von der/dem Beschäftigten zu versteuernden geldwerten Vorteil angerechnet werden können, sind Selbstbeteiligungen sogar besonders en vogue. Es wird "einfach" mit der/dem Beschäftigten vereinbart, dass sie/er die Leasing-Mehrkosten aus eigener Tasche zu zahlen hat.

So weit, so gut.

Was diese Arbeitgeber aber nicht bedenken, sind die Probleme, die entstehen, wenn die/der Beschäftigte vor Ablauf der Leasingzeit ausscheidet.

Dass Beschäftigte in diesem Fall nicht mit den Mehrkosten belastet werden dürfen, hat das Landesarbeitsgericht München in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 03.12.2020 (Az.: 3 Sa 563/20) entschieden.

Der Reihe nach:

Bereits 2003 hat das BAG entschieden: Arbeitnehmer:innen dürfen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mit den Kosten für einen Dienstwagen belastet werden – und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Arbeitnehmer:innen zuvor selbst ein Kategorie-Upgrade oder eine Sonderausstattung für ihren Dienstwagen gewünscht hatten und vertraglich vereinbart wurde, dass die entsprechenden Mehrkosten von ihnen zu tragen sind.

Dann kamen Arbeitgeber auf die Idee, die Mehrkosten, die im Laufe der gesamten, meist 3-jährigen Leasingzeit entstehen, bereits zu Beginn der Dienstwagenüberlassung bzw. innerhalb der ersten Leasingmonate ersetzt zu verlangen.

Dem erteilte das LAG München nun mit seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 03.12.2020 (Az.: 3 Sa 563/20) eine Absage für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis vor Ende der Leasingzeit beendet und der Dienstwagen deswegen vom Arbeitgeber zurückgefordert wird.  

Gegenstand des Urteils war die Vereinbarung einer Nettozuzahlung eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Dienstwagenvertrages für eine von ihm gewünschte Sonderausstattung. Der Mehrbetrag für die Sonderausstattung belief sich für die insgesamt 36 Leasingmonate auf insgesamt EUR 3.780,00 (36 Monate à EUR 105,00). Diesen Mehrbetrag sollte der Arbeitnehmer in nur 12 Monaten mit monatlichen Zuzahlungen in Höhe von jeweils EUR 315,00 selbst zahlen, was auch geschah. Vor Ende des Leasingvertrages, nämlich zum 34. Leasingmonat, kündigte der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis und gab das Fahrzeug gemäß Dienstwagenvertrag an seinen Arbeitgeber zurück.

Allerdings forderte der Arbeitnehmer auch etwas vom Arbeitgeber zurück, nämlich die EUR 3.780,00, die er in den ersten 12 Monaten an den Arbeitgeber als Zuzahlung geleistet hatte. Schließlich habe er das Fahrzeug nur für 34 und nicht für die vollen 36 Monate nutzen können. Die entsprechende Klausel im Dienstwagenvertrag benachteilige ihn daher unangemessen und sei gemäß § 307 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches unwirksam.

Das Landesarbeitsgericht München gab dem Arbeitnehmer Recht und zwar in voller Höhe!

Die Münchener Richter bejahten eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit dem Argument, dass die Grenzen der zulässigen Vertragsgestaltung überschritten seien, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet werde, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ende des Leasingvertrags das Fahrzeug zurückzugeben, obwohl er bereits die Mehrkosten für den gesamten Leasingzeitraum gezahlt habe. Soll der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstwagenvertrages dazu verpflichtet werden, die Mehrkosten für eine Sonderausstattung zu zahlen, müsse dabei die Dauer der tatsächlichen Nutzung des Dienstwagens durch ihn berücksichtigt werden – was in der vorliegenden Konstellation nicht geschehen sei.

Kurzum: Arbeitnehmer:innen dürfen nicht mit den (Mehr-) Kosten belastet werden, die für die Monate entstehen, in denen sie den Dienstwagen tatsächlich nicht mehr nutzen. Nur so wird den Interessen der Arbeitnehmer:innen, insbesondere deren Interesse, sich nach Belieben aus einem Arbeitsverhältnis zu lösen, ausreichend Rechnung getragen.

So weit, so gut. Aber warum haben die Münchener Landesarbeitsrichter den Arbeitgeber verurteilt, die volle und nicht nur die anteilige Zuzahlung zurückzuzahlen? Schließlich hat der Arbeitnehmer das Fahrzeug doch 34 Monate von insgesamt 36 Monaten genutzt.

Der Grund liegt laut den Münchener Landesarbeitsrichtern in der besonderen Wirksamkeitskontrolle von Verträgen, die Arbeitgeber vorformuliert haben. Danach kommt es nämlich nicht auf die Auswirkungen in einem konkreten Fall an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Regelung generell unbillig ist. Und das war laut dem Landesarbeitsgericht München hier der Fall, da die volle Zuzahlung ungeachtet der tatsächlichen Nutzungsdauer vereinbart wurde.

Für die Praxis bedeutet das:

Zwar können Arbeitnehmer:innen auch weiterhin an den Mehrkosten für eine Sonderausstattung oder ein Kategorie-Upgrade des Dienstwagens – über die übliche Versteuerung hinaus – beteiligt werden, die entsprechende Regelung muss jedoch an die Zeit geknüpft werden, in der Arbeitnehmer:innen den Dienstwagen auch tatsächlich nutzen. Andernfalls werden die Arbeitnehmer:innen unangemessen benachteiligt im Sinne von § 307 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches und die Klausel ist unwirksam. Und weil das so ist, sollten sich Arbeitgeber gut überlegen, ob sie sich überhaupt auf ein Fahrzeug-Upgrade, das von der/dem Beschäftigten finanziert wird, einlassen wollen. Denn wenn die/der Beschäftigte die Leasingzeit nicht übersteht, bleibt der Arbeitgeber auf den anteiligen Mehrkosten sitzen. 

Zum anderen zeigt das Urteil (erneut) die Herausforderungen bei der Gestaltung von Dienstwagenverträgen, die – so wie auch hier – grundsätzlich der AGB-Kontrolle und damit der besonderen Wirksamkeitskontrolle der §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches unterliegen. 

Dienstwagenvereinbarungen haben dennoch Vorteile gegenüber den in Unternehmen gern gebrauchten Dienstwagen-Richtlinien
Denn erstens unterliegen auch Richtlinien der besonderen Wirksamkeitskontrolle.
Und zweitens können in Richtlinien nur Dinge geregelt werden, für die das Unternehmen ein Weisungsrecht hat. Selbstbeteiligungen können aber nicht angewiesen werden, sondern müssen vereinbart werden. Gleiches gilt beispielsweise für den Widerruf der Nutzung privater Dienstwagen z. B. im Fall der Freistellung und vieles andere mehr.
 

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