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BAG: Rechtsprechungsänderung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen

Wie Sie durch unsere und andere Berichterstattungen wissen, sind die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen immer wieder Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen. Mit dem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.2020 (Az.: 8 AZR 58/20) ist eine weitere, sehr praxisrelevante hinzugekommen.

Die vom Bundesarbeitsgericht einmal mehr zu beantwortende Frage lautete:
Muss eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung Ansprüche aus vorsätzlicher Haftung ausdrücklich ausnehmen?

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nun mit Ja beantwortet und zur Begründung auf § 202 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches verwiesen. Nach § 202 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann die Verjährung bei einer Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus vertraglich erleichtert werden. Und nichts anderes gilt nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts für Ausschlussfristen.

Das ist neu. Denn bislang war der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts der Meinung, dass es nicht erforderlich sei, Ansprüche aus vorsätzlicher Haftung ausdrücklich aus einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung auszunehmen.
An dieser alten Rechtsprechung hält das Bundesarbeitsgericht aber nicht mehr fest.
Es gilt daher jetzt:

Eine Ausschlussfristenregelung, die Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht ausdrücklich ausnimmt, ist nichtig.

Es besteht also akuter Handlungsbedarf: Ausschlussfristenregelungen in bestehenden Arbeitsverträgen und Vertragsmustern sollten entsprechend angepasst werden.
 
Damit der Neuerungen, die uns dieses Urteil beschert, aber nicht genug. 

Das Bundesarbeitsgericht hat in demselben Urteil nämlich auch entschieden:

Auch der Arbeitgeber kann sich auf die Unwirksamkeit einer solchen Ausschlussfristenregelung berufen.

Die Profis unter Ihnen werden sich aufgrund dieser Aussage verwundert die Augen reiben, hatten Sie doch bisher immer gelernt:

Arbeitgeber, die AGB-widrige Arbeitsverträge vorformulieren, können sich selbst nicht auf die Unwirksamkeit der Regelung berufen. Dieses Privileg hat vielmehr nur der Arbeitnehmer.

Soll dieser Grundsatz jetzt nicht mehr gelten?
Doch, der Grundsatz, dass Arbeitgeber sich nicht auf die Unwirksamtkeit von Klauseln, die gegen die AGB-Vorschriften der § 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoßen, berufen dürfen, gilt nach wie vor.
Für eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die unwirksam ist, weil sie Ansprüche wegen vorsätzlicher Haftung nicht ausdrücklich ausnimmt, gilt nur deshalb eine Ausnahme, weil sich die Unwirksamkeit hier (auch) aus § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (gesetzliches Verbot) ergibt. Und dieses Verbot schützt nicht nur den Arbeitnehmer als Vertragspartner, sondern beide Parteien.
Aus dem Munde des Bundesarbeitsgerichts hört sich das so an:

„Die in § 276 Abs. 3 BGB und in § 202 Abs. 1 BGB getroffenen Bestimmungen bezwecken nicht allein den Schutz des Vertragspartners des Verwenders, sondern verbieten entsprechende Haftungsbeschränkungen schlechthin ohne Rücksicht darauf, auf welche Weise und auf wessen Initiative hin eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Das Verbot nach § 276 Abs. 3, § 202 Abs. 1 BGB ist umfassend und soll auch denjenigen, der eine hiervon abweichende Bedingung in den Vertrag einbringt, schützen. Damit unterscheiden sich die Regelungen in § 276 Abs. 3 BGB und § 202 Abs. 1 BGB zudem von den Bestimmungen des zwingenden Arbeitsrechts, die typischerweise nur einseitig zwingend sind, weil sie dem Schutz des Arbeitnehmers als strukturell grundsätzlich unterlegener Vertragspartei dienen.“

Man darf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts also nicht missverstehen. Die Bundesarbeitsrichter haben das Prinzip, dass sich der Arbeitgeber als Verwender von Arbeitsverträgen nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst geschaffenen Klauseln berufen kann, nicht in Frage gestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat aus den gerade genannten Gründen nur eine Ausnahme für die Haftung wegen Vorsatzes gemacht.
Oder anders gesagt: Verstößt eine Klausel in einem Arbeitsvertrag "nur" gegen die Klauselverbote der §§ 307, 308, 309 des Bürgerlichen Gesetzbuches, bleibt es dabei, dass sich der Verwender hierauf nicht zu seinen Gunsten berufen kann.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts klärt also weitere Fragen im wichtigen Themenkomplex der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen und schafft damit ein Stück mehr Rechtssicherheit.

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