Skip to main content

Haftungsfalle Elterngeld - Wenn Arbeitgeber zu spät zahlen

Heute soll es wieder um das Thema Elterngeld gehen. Im Vordergrund dabei stehen zwei aktuelle Urteile der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf und Nürnberg, die Arbeitgebern vor Augen führen, dass sich ein Zahlungsverzug auch auf die Höhe des Elterngeldes auswirken kann und daher eine (weitere) Haftungsfalle ist.

Ausgangspunkt
Das Elterngeld berechnet sich bei nichtselbständiger Erwerbstätigkeit in der Regel anhand der Einkünfte der letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes, mit Ausnahme der Monate des Mutterschutzes.
 
Fällt das Elterngeld geringer aus, weil der Arbeitgeber schuldhaft mit der Zahlung von Gehalt oder Mutterschutzlohn in Verzug war, haftet er gegenüber dem betroffenen Elternteil auf Schadensersatz. Der Schadensersatz umfasst dabei den Betrag, um den das Elterngeld gemindert ist, und notwendige Rechtsverfolgungskosten (hier zur Errechnung einer Steuerersparnis). Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 27.05.2020 (Az.: 12 Sa 716/19) festgestellt. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat sich dem in seinem noch aktuelleren Urteil vom 20.01.2021 (Az. 2 Sa 253/20) angeschlossen und einen Schaden im Ergebnis nur deshalb verneint, weil der Steuervorteil der dortigen Klägerin durch die verspätete Auszahlung des Arbeitentgelts größer war als deren Nachteile beim Elterngeld.
Da sich auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg auf die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf bezieht, möchten auch wir die Problematik gerne anhand des von den Düsseldorfer Landesarbeitsrichtern entschiedenen Falls darstellen:
 
Der Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Überblick
Ein Zahnarzt (Z) stellte im September 2017 eine zahnmedizinische Mitarbeiterin (M) ein. Wenige Tage nach Vertrags- und Arbeitsbeginn wurde bei Z eine Schwangerschaft festgestellt. Z bot zwar ihre Arbeitsleistung weiter an, wurde aber wegen eines Beschäftigungsverbots bis zur Geburt des Kindes nicht mehr bei Z tätig. Z focht den Arbeitsvertrag an, wogegen M Klage erhob. Die Parteien einigten sich dann am 11.01.2018 vergleichsweise darauf, dass Z an M Zug-um-Zug gegen Vorlage einer Bescheinigung gem. § 5 MuSchG („rosa Schein“) für die Monate September bis Dezember 2017 Mutterschutzlohn i. H. v. jeweils € 2.000,00 zahlt.
Allerdings legte M die Bescheinigung nicht vor; Z zahlte die Beträge aus dem Vergleich erst am 20.03.2018; da das Lohnsteuerverfahren für 2017 zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war, erfolgte die Zahlung als „sonstige Bezüge“. In die Berechnung des Elterngeldes flossen diese Beträge nicht ein. Das Elterngeld fiel dadurch (unter Berücksichtigung einer Steuerersparnis) über die gesamte Bezugsdauer etwa € 1.200 geringer aus. Diesen Betrag und die Kosten der Steuerberatung zur Ermittlung der Steuerersparnis machte Z gerichtlich geltend.
Mit Erfolg!

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Der Fall bot dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit, zu zahlreichen Fragen rund um Mutterschaftsgeld, Beschäftigungsverbote und eben auch Schäden in Form von geringerem Elterngeld Stellung zu nehmen. Dies sind die wichtigsten Klar- und Feststellungen des LAG:

  • Der Anspruch auf Mutterschutzlohn setzt weder eine Wartezeit voraus, noch muss das Arbeitsverhältnis überhaupt in Vollzug gesetzt werden.
  • Mutterschutzlohn wird in gleicher Weise abgerechnet und ausgezahlt wie das Arbeitsentgelt, so dass der Abrechnungszeitraum und der Fälligkeitszeitpunkt sich auch für den Mutterschutzlohn nach der arbeitsvertraglichen Regelung richten. Der Zeitpunkt der Erstattung des Mutterschutzlohns an den Arbeitgeber im Umlageverfahren ändert daran nichts. Hier wären also die Leistungen jeweils Ende September, Oktober, November und Dezember zu zahlen gewesen.
    Der im konkreten Fall erst im Januar abgeschlossene Vergleich, dass Zug-um-Zug gegen Vorlage des „rosa Scheins“ gezahlt werden sollte, ändert daran nichts; Z befand sich weiterhin in Verzug.
  • Der Arbeitgeber hat in der Regel die verspätete Zahlung zu vertreten; er kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass er mit Verzögerung gezahlt hat, weil er die Erstattung des Mutterschutzlohns abklären musste. Dies fällt in seinen Pflichtenkreis, für den er einzustehen hat.
  • Entsteht durch die verspätete Auszahlung des Gehalts oder Mutterschutzlohns durch den Arbeitgeber bei dem Betroffenen ein Schaden, so ist er/sie so zu stellen, wie er/sie stünde, wenn rechtzeitig gezahlt worden wäre.
  • Wenn Bezüge aus dem Vorjahr nicht innerhalb der ersten drei Wochen des Folgejahres nachbezahlt werden, sind sie lohnsteuerrechtlich zwingend als „sonstige Bezüge“ zu behandeln. Und „sonstige Bezüge“ werden bei der Berechnung des Elterngelds nicht berücksichtigt, auch wenn es sich tatsächlich um verzögert gezahltes Gehalt oder (wie hier) Mutterschutzlohn handelt.
  • Hier hatten die Parteien sich erst kurz vor Ablauf dieser Frist auf den Vergleich verständigt. Dass M selbst mögliche nachteilige Folgen einer zu späten Zahlung auf das Elterngeld nicht erkannte und nicht auf eine zeitnahe Auszahlung hingewirkt hat, lastet das Gericht auch M an: Sie trägt ein Mitverschulden, das ihren Anspruch um 30 % mindert.

Auswirkungen auf die Praxis
Dass „sonstige Bezüge“ in die Berechnung des Elterngelds nicht einfließen, wissen nur wenige. Mit diesem Urteil wird die praktische Relevanz dieses Grundsatzes deutlich: Erfolgen Zahlungen aus dem Vorjahr nicht innerhalb der ersten drei Wochen des darauffolgenden Jahres, müssen sie als sonstige Bezüge abgerechnet werden, so dass sie beim Elterngeld nicht berücksichtigt werden können. Es können bei den Betroffenen dann u. U. ganz erhebliche Schäden entstehen, wenn das Elterngeld dadurch geringer ausfällt.
 
Wenn Sie mit einer/m Beschäftigten über Gehälter/Gehaltsbestandteile/Provisionen/Lohnersatzleistungen streiten und wissen, dass Nachwuchs ins Haus steht, sollten Sie sich spätestens den Jahreswechsel als „Rotfrist“ notieren, um die Sache genauer zu prüfen und einer Haftung aus dem Weg zu gehen:

  • Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass der Anspruch Ihre/s Beschäftigten besteht, zahlen Sie rechtzeitig (d. h. spätestens innerhalb der ersten drei Wochen des Folgejahres), so dass die Bezüge richtigerweise noch als Gehalt/Lohnersatzleistung ausgewiesen werden.
  • Besteht der Anspruch sicher nicht, müssen Sie natürlich nichts weiter veranlassen.
  • Wenn aber Zweifel bestehen, Zahlungen dem Grunde oder der Höhe nach streitig sind, und/oder Sie sich bereits in einem gerichtlichen Verfahren befinden, sollten Sie diesen Punkt mit auf dem Schirm haben. Dann ist es eine Frage des Einzelfalls, ob man z. B. etwaige Schadensersatzansprüche in einem möglichen Vergleich ausschließt, diese pauschaliert oder erstmal unter Vorbehalt zahlt.

Dass dies alles auch für zukünftige Väter in der Belegschaft gilt, versteht sich von selbst.

  • Erstellt am .