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Neues vom Bundessozialgericht zum Elterngeld

Das Elterngeld ist eine wichtige finanzielle Leistung, die viele Eltern in Form des „ElterngeldPlus“ auch neben einer Teilzeittätigkeit für viele Monate beziehen. Es berechnet sich bei Arbeitnehmer:innen auf Basis des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens aus nicht selbstständiger Erwerbstätigkeit. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche laufenden Zahlungen des Arbeitgebers in diese Bemessungsgrundlage mit einfließen.
 
Dazu hat das Bundessozialgericht in seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 25.06.2020 (Az.: B 10 EG 3/19 R) einiges klargestellt, und darum soll es heute gehen.
 
Die Basics des Falls
Die Klägerin war bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt und bezog dort neben ihrem festen Gehalt jeden Monat eine Provision in Höhe von € 600. Diese Provision wies der Arbeitgeber in den Lohnsteueranmeldungen stets als „sonstigen Bezug“ aus.
 
Als die Klägerin Elterngeld beantragte, flossen die Provisionen nicht in die Berechnung ein – zum Nachteil der Klägerin. Der Grund: Die Elterngeldstelle berief sich auf die Lohnsteueranmeldungen und darauf, dass sie an die steuerrechtliche Einordnung der Bezüge in den Lohnsteueranmeldungen gebunden sei.
 
Damit war die Klägerin nicht einverstanden, weil es sich nach ihrer Auffassung um laufenden Arbeitslohn handelte. Darin sah sie sich auch deshalb bestätigt, weil der zwischenzeitlich ergangene Einkommensteuerbescheid die Provisionen ebenfalls als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einstufte. Sie griff den Elterngeldbescheid an und die Sache ging bis zum Bundessozialgericht (Urteil v. 25.06.2020 – B 10 EG 3/19 R). Das Bundessozialgericht gab ihr Recht. Die wichtigsten Punkte aus dem Urteil möchten wir heute folgendermaßen für Sie zusammenfassen:
 
„Sonstige Bezüge“ und Elterngeld

  • „Sonstige Bezüge“ zählen beim Elterngeld nicht zum maßgeblichen Einkommen, wenn es um die Bestimmung der Elterngeldhöhe geht.
  • „Sonstige Bezüge“ sind Entgeltbestandteile, deren Auszahlungen von dem regulären Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abweichen. Maßgeblich ist die Abweichung von dem Lohnzahlungszeitraum, der arbeitsvertraglich vereinbart wurde. Es kommt also darauf an, ob die betroffenen Zahlungen in den gleichen Intervallen gezahlt werden wie das Grundgehalt.
    Das bedeutet: Wenn das Gehalt monatlich gezahlt wird, andere Leistungen des Arbeitgebers (z. B. eine Provision) aber nur quartalsweise, sind diese anderen Leistungen bereits deshalb ein „sonstiger Bezug“. Handelt es sich aber um eine lückenlos monatliche Leistung, kommt eine Berücksichtigung als Arbeitslohn grundsätzlich in Betracht – auch wenn sie in der Höhe variieren.
  • Was ein „sonstiger Bezug“ ist, entscheidet das Steuerrecht, und zwar mit Wirkung auch für das Elterngeld. Man spricht deshalb auch vom „steuerakzessorischen Regelungskonzept“ des Elterngeldrechts. Die Elterngeldstellen sollen sich auf die Lohnsteueranmeldungen verlassen können.
  • Die bestandskräftige Lohnsteueranmeldung durch den Arbeitgeber hat für das Elterngeldverfahren deshalb grundsätzlich Bindungswirkung (auch, wenn sie in der Sache fehlerhaft ist). Die Elterngeldbehörde darf also gar nicht inhaltlich prüfen, ob der Arbeitgeber die einzelnen Leistungen in der Lohnsteueranmeldung „richtig“ eingeordnet hat.
  • ABER: Die Elterngeldbehörde kann sich auf die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung nicht mehr berufen, wenn sie nicht mehr Grundlage für die Besteuerung ist, insbesondere also dann, wenn es einen nachfolgenden Einkommensteuerbescheid des Antragstellers gibt. Dann muss sie selbst prüfen, wie die Zahlung zu steuerrechtlich behandeln ist.
    So war es auch hier, denn im Rahmen des Einkommensteuerbescheids wurden die Provisionen nicht mehr als „sonstige Bezüge“, sondern als laufender Arbeitslohn angesehen. Damit hätte sich die Behörde – so das Bundessozialgericht – auseinandersetzen müssen, und wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die Provisionen in die Berechnungen einfließen mussten.

 
Folgen für Arbeitgeber

Dieses Urteil des BSG erinnert Arbeitgeber daran, insbesondere bei Provisionen, aber auch bei anderen laufenden Gehaltsbestandteilen, genauer hinzusehen: Wenn die Auszahlung im selben Rhythmus erfolgt wie die Gehaltszahlung, sollte genau geprüft werden, ob es sich lohnsteuerrechtlich um einen „sonstigen Bezug“ oder um laufenden Arbeitslohn handelt. Ob die Auszahlungen in der Höhe gleichbleibend sind, spielt dabei zunächst keine Rolle.
 
Eine falsche Beurteilung in der Lohnsteueranmeldung kann für Arbeitnehmer:innen mit Anspruch auf Elterngeld zum Nachteil werden. Nicht auszuschließen, dass dafür künftig auch der Arbeitgeber haftbar gemacht wird, wenn er bei der Lohnsteueranmeldung „geschlafen“ hat.

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