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Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

Es gibt (aus Arbeitgebersicht) einige schöne und weniger schöne Entscheidungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), von denen wir Ihnen gerne berichten möchten:

1. Kein "Mindesthaltbarkeitsdatum" für ein BEM
Fürsorgliche Arbeitgeber führen mit ihren Arbeitnehmer:innen schon dann ein BEM durch, wenn die/der Beschäftigte das erste Mal länger als sechs Wochen innerhalb der letzten zwölf Kalendermonate arbeitsunfähig gewesen ist.
Hat das BEM keinen Erfolg und setzen sich erhebliche Krankheitszeiten der/des Beschäftigten fort, wird oft der Ruf nach einer krankheitsbedingten Kündigung laut.
Da eine krankheitsbedingte Kündigung ohne ein vorangegangenes vorschriftsmäßiges BEM keine Aussicht auf Erfolg hat, stellt sich folgende Frage:

Wie lange hält ein einmal durchgeführtes BEM?
Oder anders gefragt: Muss ein BEM ggfs. wiederholt werden, zumal wenn der Arbeitgeber aus krankheitsbedingten Gründen kündigen möchte?


Einige (auch Gerichte) sind der Meinung, dass ein einmal durchgeführtes BEM 12 Monate hält, also innerhalb von 12 Monaten nicht wiederholt werden muss. 

Anderer Auffassung ist u. a. das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 09.12.2020 (Az.: 12 Sa 554/20). 

Nach Meinung der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter gibt es keine "Mindesthaltbarkeit" für ein einmal durchgeführtes BEM. 
Richtig sei vielmehr: Arbeitgeber müssen erneut ein BEM durchführen, wenn die Beschäftigten nach Abschluss des vorangegangenen BEM erneut länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig geworden sind. 
Wenn das vorangegangene BEM abgeschlossen bzw. die dort besprochenen Maßnahmen umgesetzt sind, tickt die Uhr also wieder von vorne.

Im Ergebnis genauso hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf auch das Arbeitsgericht Fulda in dessen Urteil vom 11.03.2020 (Az.: 4 Ca 249/19) entschieden. 

Im praktischen Endergebnis bedeutet das: Arbeitgeber, die aus krankheitsbedingten Gründen kündigen möchten, werden in aller Regel vor der Kündigung (erneut) ein erfolgloses BEM durchführen müssen. 
Wenn sich diese Auffassung durchsetzt, werden krankheitsbedingte Kündigungen daher noch schwerer werden. 

Das letzte Wort in dieser Frage ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesaarbeitsgericht zugelassen. Hoffentlich entscheidet das Bundesarbeitsgericht diese für die betriebliche Praxis so wichtige Frage schnell. 


2. Arbeitnehmer haben keinen einklagbaren Anspruch auf ein BEM!
Nach § 167 Absatz 2 SGB IX sind Arbeitgeber verpflichtet, mit Beschäftigten, die innerhalb der letzten 12 Monate länger als 6 Wochen arbeitsunfähig krank waren, ein BEM durchzuführen. 

Aber folgt aus dieser Verpflichtung der Arbeitgeber auch ein einklagbarer Anspruch der Arbeitnehmer:innen?

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat diese Frage in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 08.10.2020 (Az.: 5 Sa 117/20) mit "Nein" beantwortet. 

Ein Anspruch auf ein BEM besteht nach Auffassung der Nürnberger Landesarbeitsrichter nur, wenn dies ausdrücklich gesetzlich angeordnet sei. 

Solche gesetzlichen Anordnungen finden sich in 

  • § 167 Absatz 2 Satz 6 SGB IX: Initiativrecht für die Mitarbeitervertretungen sowie 
  • § 164 SGB IX: Anspruch von schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer:innen auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, wozu auch die Durchführung eines BEM gehört. 


Auch in dieser Frage sind "die Messen" noch nicht endgültig gelesen; da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das letzte Wort wird also wieder und hoffentlich bald das Bundesarbeitsgericht haben.

Arbeitgebern, die krankheitsbedingt kündigen möchten, nutzt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nichts. Denn diese Arbeitgeber müssen vor der Kündigung ein BEM durchführen, siehe Ziffer 1. 


3. Keine Rechtsanwälte beim BEM!
Es passiert immer wieder, dass Arbeitnehmer:innen, die zu einem BEM eingeladen wurden, ihren Anwalt mit dabei haben möchten. 
In seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 23.01.2020 (Az.: 7 Sa 471/19) hat das Landesarbeitsgericht Köln ausführlich begründet, dass Rechtsanwälte in einem BEM grundsätzlich nichts zu suchen haben. 
Zum einen verweisen die Kölner Landesarbeitsrichter hierbei auf die nach § 167 Absatz 2 SGB IX zu beteiligenden Stellen, bei denen von Rechtsanwälten keine Rede ist. 
Zum anderen führen die Kölner Landesarbeitsrichter aber auch aus, dass die Hinzuziehung externer Anwälte oder Verbandsvertreter zu einem BEM nicht hilfreich, sondern - O-Ton - eher kontraproduktiv sei. 

Wörtlich heißt es in der Entscheidung u. a.:

"Die Hinzuziehung externer Anwälte oder Verbandsvertreter scheint in Anbetracht dessen nicht hilfreich, sondern eher kontraproduktiv. Dabei ist zu bedenken, dass, wenn eine Seite darauf besteht, z. B. einen Rechtsanwalt hinzuziehen, dieses Recht auch der anderen Seite im Interesse der Waffengleichheit zugebilligt werden müsste. [...]

Die Teilnahme externer Rechtsvertreter an den Gesprächen selbst führt dagegen zu einer "Verrechtlichung" der Gespräche, die die notwendige Vertraulichkeit beeinträchtigt und somit nicht zielführend erscheint. [...]

Dabei ist auch zu bedenken, dass ein externer Rechtsvertreter im Zweifel selbst wenig bis gar nichts zum Gelingen der Gespräche in der Sache beitragen kann. Als Jurist besitzt er im Zweifel nicht die notwendige medizinische Sachkenntnis, um beurteilen zu können, in welcher Weise am Arbeitsplatz zweckmäßig auf bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen der/des Beschäftigten reagiert werden könnte oder müsste. Als externe Person ist er darüber hinaus im Zweifel mit den internen betrieblichen Gegebenheiten nicht vertraut, um etwa sachdienliche Hinweise auf eine Änderung der Arbeitsorganisation, eine Umsetzung an eine andere Arbeitsstelle o. ä. beurteilen und vorschlagen zu können."

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