Skip to main content

Vorsicht Falle: Arbeitgeber sollten über die Versteuerung von Abfindungen besser keine Auskünfte erteilen

In unserem Newsletter vom 21.07.2020 hatten wir Ihnen bereits von einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgericht berichtet, das da lautet:

Auch wenn Arbeitgeber freiwillig Auskünfte erteilen, müssen die Auskünfte richtig sein. Anderenfalls droht Schadensersatz!

Dieser Grundsatz wäre einem Unternehmen, das angeblich (die Einzelheiten waren streitig) falsche Auskünfte zur Versteuerung von Abfindungszahlungen erteilt hatte, fast zum Verhängnis geworden.

Passiert war Folgendes:
In dem Unternehmen gab es eine Anlage zu den Muster-Aufhebungsverträgen, in denen die Arbeitnehmer:innen ankreuzen konnten, ob sie

  • die gesamte Abfindung mit der letzten Gehaltsabrechnung,
  • die gesamte Abfindung im Monat xy des Folgejahres nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder
  • einen Teilbetrag in Höhe von € xy bei Beendigung und einen weiteren Teilbetrag in Höhe von € xy zu Beginn des Folgejahres haben wollten.

Ein Arbeitnehmer, der laut Aufhebungsvereinbarung eine Abfindung von rund € 114.000,00 brutto bekommen sollte, füllte die Anlage zur Aufhebungsvereinbarung so aus, dass ihm € 20.000,00 brutto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und weitere rund € 94.000,00 im Januar des Folgejahres ausgezahlt werden sollten.

Nach Zugang seiner Einkommensteuerbescheide staunte der Arbeitnehmer nicht schlecht: Das Finanzamt hatte die Abfindung nämlich "normal" und nicht nach der günstigeren Fünftelregelung besteuert, die für Abfindungen zur Anwendung kommen kann.

Das Finanzamt hatte mit der von ihm vorgenommenen Versteuerung auch recht: Denn die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist grundsätzlich nur anwendbar, wenn die Abfindung in einem Veranlagungszeitraum (also einem Kalenderjahr) ausgezahlt wird.

Dem Arbeitnehmer war es also zum steuerlichen Verhängnis geworden, dass er einen Teilbetrag in dem einen Kalenderjahr und einen weiteren Betrag im nächsten Kalenderjahr bekommen hatte.

Die Schuld für seinen "Steuerschaden" gab der Arbeitnehmer dem Personalleiter des Unternehmens. Dieser habe ihm nämlich gesagt, dass er, der Arbeitnehmer, die steuerlichen Vorteile der sogenannten Fünftelregelung auch bei der von ihm vorgenommenen Aufteilung der Abfindung in Anspruch nehmen könne.

Der Rechtsstreit endete mit dem gerade veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 05.11.2020 (Az.: 17 Sa 12/20). Darin stellten die baden-württembergischen Landesarbeitsrichter fest:

  • Arbeitgeber sind zwar nicht verpflichtet, die Vermögensinteressen ihrer Arbeitnehmer wahrzunehmen.
  • Erteilen Arbeitgeber aber trotzdem Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein.
    Sind sie das nicht, haften Arbeitgeber grundsätzlich auch für Schäden freiwillig erteilter Auskünfte, die falsch waren.

Der verklagte Arbeitgeber hatte allerdings noch Glück im Unglück: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied nämlich trotzdem zu Lasten des Arbeitnehmers, da es dem Arbeitnehmer nicht gelungen war, plausibel vorzutragen, wie er sich bei richtiger Aufkunft entschieden hätte.

Was lernen wir daraus?
Unternehmen sollten sich hüten, Auskünfte zu erteilen, die sie nicht erteilen müssen. Dies gilt auch und gerade für die steuerrechtliche Behandlung von Abfindungen. Denn hier steckt der Teufel derart im Detail, dass man Arbeitnehmer an die dafür berufenen Stellen, nämlich die Finanzverwaltung oder den Steuerberater, verweisen sollte.

Manchmal ist weniger eben mehr, auch wenn man es noch so gut meint.

  • Erstellt am .