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Sozialpläne in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - wo kann man sparen?

Etliche Unternehmen werden durch die Pandemie gezwungen sein, Personal abzubauen.
Ist ein Betriebsrat im Spiel, wird ein größerer Personalabbau nicht ohne Interessenausgleich und Sozialplan funktionieren. Das ergibt sich aus §§ 111 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes. Für Unternehmen besonders wichtig ist § 112 a des Betriebsverfassungsgesetzes; denn hier spielt die "wirtschaftliche Musik", wenn es um die Frage geht, wann der Betriebsrat bei einem reinen Personalabbau einen Sozialplan fordern kann.

Im Folgenden möchten wir Ihnen, beginnend mit dem gerade veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.10.2020, Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie bei Sozialplänen sparen können.

Vorneweg möchten wir gerne noch ein paar grundlegende Bemerkungen zu Sozialplänen
machen:

Sozialpläne haben Überbrückungsfunktion. Bei Sozialplänen geht es also hauptsächlich darum, die wirtschaftlichen Nachteile, die die vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer bis zu einem neuen Job oder bis zur Rente haben, auszugleichen, zumindest aber abzumildern.
Und genau das ist ein wichtiger Unterschied zu Abfindungen, die im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren gezahlt werden; denn bei diesen Abfindungen geht es weniger um Überbrückung als vielmehr um den Ausgleich von Besitzständen.

Bemessungsgrundlage für eine Sozialplanabfindung sind ausschließlich die den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern entstehenden Nachteile und nicht die Wirtschaftskraft des Unternehmens. Der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Sozialplans für das Unternehmen kommt "nur" eine Korrekturfunktion zu; das ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und folgt aus § 112 Abs. 5 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. 

Nun aber zu dem möglichen Einspar-Potenzial, das Sie bei Sozialplänen haben:

1.
Wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 14.10.2020 (Az.: 2 Sa 227/20) entschieden hat, können Sie Sozialplanabfindungen bei einem bestimmten Betrag deckeln. Eine solche Deckelung oder Kappungsgrenze ist deshalb interessant, weil Sozialplanabfindungen in der Regel nach folgender Formel berechnet werden:

Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt (oder Bruttomonatsgrundentgelt) x Abfindungsfaktor

Gerade bei Arbeitnehmern, die gut verdienen und schon lange beschäftigt sind, kann nach dieser herkömmlichen Formel also einiges zusammenkommen.

Und nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg spricht nichts dagegen, die sich aus dieser Formel ergebenden Abfindungsbeträge bei einem bestimmten Betrag zu deckeln bzw. zu kappen.

In dem vom Landesarbeitsgericht Nürnberg entschiedenen Fall lag die Kappungsgrenze bei € 75.000,00 brutto.

Nach Auffassung der Nürnberger Landesarbeitsrichter ist eine solche Kappungsgrenze weder eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unzulässige Benachteiligung wegen des Alters, noch verstößt sie gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes.

2.
Auch beim Abfindungsfaktor haben Sie Einsparpotenzial, zumal wenn die wirtschaftliche Situation Ihres Unternehmens nicht rosig ist. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.2019 (Az.: 1 ABR 54/17) hat das Bundesarbeitsgericht folgende Abfindungsfaktoren genügen lassen:

Faktor 0,15 für die Altersgruppe bis 45,99 Jahren.
Faktor 0,25 für die Altersgruppe von 46 bis 52,99 Jahren.
Faktor 0,32 für die Altersgruppe von 53 bis 60,99 Jahren.
und
Faktor 0,25 für die Altersgruppe ab 61 Jahren (wobei Sie Rentnerjahrgänge sogar ganz von der Abfindung ausschließen können, wie wir Ihnen gleich in Ziffer 3 zeigen.

Aber Achtung: Das Bundesarbeitsgericht hat diese verhältnismäßig geringen Abfindungsfaktoren vor allem deshalb genügen lassen, weil es in dem entschiedenen Fall so war, dass

  • die Arbeitnehmer durchschnittlich eine lange Betriebszugehörigkeit hatten (sodass die Arbeitnehmer in der Altersgruppe von 46 bis 52,99 Jahren im Durchschnitt auf eine Gesamtabfindung von knapp € 28.000,00 sowie diejenigen in der Altersgruppe 53 bis 61-Jährigen auf einen durchschnittlichen Abfindungsbetrag von rund € 38.000,00 kamen)
    und
  • auch für die älteren von einer Kündigung betroffenen Personen keine dauerhafte Arbeitslosigkeit drohte, weil sich die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit für über 55-jährige in der entsprechenden Branche  nach den Angaben Bundesagentur für Arbeit auf zwischen 11,7 und 17,7 Monate belief.

Soll sagen: Bei durchschnittlich geringen Betriebszugehörigkeiten und/oder schlechteren Jobaussichten werden solch niedrige Abfindungsfaktoren nicht reichen, um die zukünftigen wirtschaftlichen Nachteile zumindest abzumildern.

3.
Weiteres Einsparpotenzial gibt es in Bezug auf rentennahe Jahrgänge.
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.2019 (Az.: 1 ABR 54/17) können Sie sich hier Folgendes merken:

Es ist zulässig, Arbeitnehmern keine Sozialplanabfindung zu zahlen, wenn sie nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I in die ungekürzte oder gekürzte Altersrente gehen können.

Aber Achtung: Die vorzeitigen Rentenbezugsmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen sowie für Frauen müssen Sie ausdrücklich außer Betracht lassen. Denn sonst benachteiligen Sie behinderte und weibliche Arbeitnehmer. Und das wäre weder mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz noch mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Betriebsverfassungsgesetzes vereinbar.
Diese Ungleichbehandlung können Sie nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.07.2020 (Az.: 1 AZR 590/18) auch nicht dadurch auffangen, dass Sie Arbeitnehmern, die spätestens nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I in die gekürzte Rente gehen können (und damit auch schwerbehinderten und weiblichen Arbeitnehmern) eine Teilabfindung zahlen.

Demgegenüber sieht das Bundesarbeitsgericht für die verbleibende Gruppe der "langjährig versicherten" Arbeitnehmer, die spätestens nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I in die gekürzte Rente gehen können, keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters.
Nicht zu beanstanden ist die Herausnahme langjährig versicherter Arbeitnehmer mit einem gekürzten Rentenanspruch laut Bundesarbeitsgericht jedenfalls dann, wenn der betroffene Personenkreis im Durchschnitt eine lange Beschäftigungszeit und ein verhältnismäßig hohes Einkommensniveau hat, sodass sich selbst mit der gekürzten Rente leben lässt.

Die Formulierung, die das Unternehmen in dem vom Bundesarbeitsgericht am 07.05.2019 (Az.: 1 ABR 54/17) entschiedenen Urteil gewählt hatte, könnte also auch für Sie Vorbild sein. Und die ging so:

"Keine Leistungen nach den Bestimmungen dieses Sozialplans erhalten Mitarbeiter, ...
die entweder unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder im Anschluss an eine mögliche Bezugnahme von Arbeitslosengeld I (unabhängig von der tatsächlichen Bezugnahme des Arbeitslosengeldes) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen können (sogenannte rentennahe Arbeitnehmer), wobei eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen gem. §§ 37, 236a SGB VI sowie eine Altersrente für Frauen gem. § 237a SGB VI außer Betracht bleibt."


Praxistipp: Bevor Sie in Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat gehen, kann es sich also lohnen, sich mit Fragen wie der durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit, der potentiellen Dauer der Arbeitslosigkeit in dem entsprechenden Tätigkeitsfeld sowie den rentennahen Jahrgängen zu befassen.


Wir wünschen allen Leser:innen schöne Weihnachten.

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