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Was tun mit Resturlaub bei fristlosen Kündigungen? – Das BAG hat entschieden!

In den meisten Fällen, in denen Arbeitnehmern fristlos gekündigt wird, haben die Arbeitnehmer noch Resturlaub.

Da fristlose Kündigungen oft rechtlich riskant sind, stehen Arbeitgeber vor folgendem Dilemma:
 
Wenn die Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Resturlaub eine finanzielle Urlaubsabgeltung bezahlen und das Arbeitsgericht später entscheidet, dass die fristlose Kündigung unwirksam war, lauert folgende Gefahr: Arbeitgeber riskieren dann, dass sie dem Arbeitnehmer den zu Unrecht abgegoltenen Urlaub nochmal „in natura“ in dem dann ja noch bestehenden Arbeitsverhältnis gewähren müssen. Auch wenn das Kündigungsschutzverfahren lange dauert: Zu einem Verfall der Urlaubsansprüche kommt es in der Regel nicht, weil es durch die finanzielle Urlaubsabgeltung an der neuerdings vom Bundesarbeitsgericht für notwendig erachteten Aufforderung des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme des Urlaubs "in natura" gefehlt hat.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma hatte bereits das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 04.09.2019 (Az.: 4 Sa 15/19) aufgezeigt; über dieses Urteil hatten wir in unserem Newsletter vom 10.02.2020 berichtet.
 
Ausgangspunkt der Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung.
 
In dem Kündigungsschreiben hatte der beklagte Arbeitgeber hinsichtlich der noch offenen Urlaubsansprüche geschrieben:
 
„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihnen bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.
 
Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

 
In dem dann folgenden Kündigungsschutzverfahren schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich, in dem sie sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum ordentlichen Kündigungstermin und im Übrigen auf die ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses verständigten.
 
Auf Basis dieses Vergleichs gab es dann einen erneuten Rechtsstreit, da der Arbeitnehmer sich auf den Standpunkt stellte, dass der Arbeitgeber die bereits geleistete Urlaubsabgeltung aus verschiedenen Gründen nicht nachträglich als Urlaubsentgelt hätte behandeln dürfen.
 
Schon das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg folgte dem Arbeitnehmer nicht und gab dem Arbeitgeber recht.
 
In seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 25.08.2020 (Az.: 9 AZR 612/19) hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Baden-Württembergischen Landesarbeitsrichter bestätigt und ebenfalls zugunsten des Arbeitgebers entschieden.
 
Die wesentlichen Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts lauten:

  • Es ist zulässig, eine mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Urlaubsabgeltung für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung als Urlaubsvergütung für einen bestimmten, vom Arbeitgeber festgelegten Urlaubszeitraum zu deklarieren.
  • Dass zum Zeitpunkt der Urlaubserteilung noch nicht feststand, ob das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet wurde, ist egal: Der Urlaubszweck gebietet es laut Bundesarbeitsgericht nicht, dass bereits bei Urlaubsantritt abschließende Gewissheit über die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht.
  • Ebenso wenig schadet es der hilfsweisen Urlaubserteilung „in natura“, dass der Arbeitnehmer infolge der Kündigung verpflichtet ist, bei der Arbeitsagentur vorstellig zu werden und sich für Jobangebote der Arbeitsagentur bereit zu halten.
    In diesem Zusammenhang trifft das Bundesarbeitsgericht folgende und auch über diesen Fall hinausgehende, wichtige Aussage:
    Die nach der Urlaubserteilung eintretenden „urlaubsstörenden Ereignisse“ gehören zum persönlichen Lebensschicksal und fallen grundsätzlich in den Risikobereich des Arbeitnehmers. Ausnahme: Gesetze oder Tarifverträge sehen besondere Regelungen vor, nach denen solche „urlaubsstörenden Ereignisse“ nicht angerechnet werden, wie das beispielsweise bei §§ 9, 10 des Bundesurlaubsgesetzes der Fall ist. 
  • Wichtig sind auch die folgenden, weiteren Äußerungen des Bundesarbeitsgerichts: 
    Der Arbeitnehmer hat während des Urlaubs keine „Pflicht zur Erholung“. Auch § 8 des Bundesurlaubsgesetzes (danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit auszuüben) verbietet dem Arbeitnehmer nicht jede (Erwerbs-)tätigkeit oder Beschäftigung außerhalb des Arbeitsverhältnisses.

In Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung noch Urlaubsansprüche hat, sollten fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigungen in Zukunft wie folgt formuliert werden:


Sehr geehrte Frau ….,/ Sehr geehrter Herr …..,
 
hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung kündigen wir das Arbeitsverhältnis hilfsweise fristgerecht, unter Einhaltung der sich aus § … Ihres Arbeitsvertrages / des auf Ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages ergebenden ordentlichen Kündigungsfrist zum ….., hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.
 
Für den Ihnen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Urlaub von …. Urlaubstagen gilt Folgendes:
 
Für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung wird Ihnen dieser Urlaub ab dem auf den Zugang der fristlosen Kündigung folgenden Tag erteilt. Bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wird der noch nicht verbrauchte Urlaub nach Ihrer Genesung begonnen bzw. fortgesetzt.
 
Die Ihnen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Urlaubsabgeltung ist für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung daher als Zahlung des Urlaubsentgelts für den zuvor genannten Urlaubszeitraum zu verstehen.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
__________
Arbeitgeber“



Arbeitgeber, die fristlos kündigen, sollten von dieser Möglichkeit unbedingt Gebrauch machen, damit zumindest im Kündigungsjahr restliche Urlaubsansprüche vom Tisch sind.

Wenn zum Zeitpunkt des Ausspruches der fristlosen Kündigung bereits der gesamte Jahresurlaub entstanden ist, können auf diese Weise sogar alle Urlaubsansprüche für das Kündigungsjahr erledigt werden.

Wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung nur einen Teilurlaubsanspruch hat, ist es an Ihnen, ob Sie nur den Teilurlaub oder den gesamten Jahresurlaub auf die beschriebene Weise erledigen; sollte sich die fristlose Kündigung als wirksam erweisen, hätten Arbeitgeber, die nicht nur den Teil- sondern den Gesamturlaub auf diese Weise verbrauchen, allerdings zu viel gezahlt.

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