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Kurzarbeit durch Änderungskündigung? Das erste Urteil ist da!

Die Corona-Krise macht in vielen Unternehmen Kurzarbeit erforderlich. 
Arbeitnehmer sind allerdings nicht automatisch zur Kurzarbeit verpflichtet, wenn die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III für das staatliche Kurzarbeitergeld vorliegen. 

Eine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Kurzarbeit besteht vielmehr nur in folgenden Fällen: 

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben im Zuge der Corona-Pandemie Kurzarbeit vereinbart. 
  • Arbeitgeber und Betriebsrat haben im Zuge der Corona-Pandemie Kurzarbeit im Wege einer Betriebsvereinbarung vereinbart. Eine solche Betriebsvereinbarung hat den Vorteil, dass sie unmittelbar gegenüber den Arbeitnehmern gilt, sodass Unternehmen keine Zustimmung der Arbeitnehmer mehr brauchen.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben bereits im Arbeitsvertrag Kurzarbeit vereinbart. Schon im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelungen über die Kurzarbeit sind allerdings rechtlich nicht unproblematisch. Denn sie können weder die Dauer noch die Kurzarbeitsquote regeln, sodass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht weiß, wie lange und mit welcher Quote er ggfs. in Kurzarbeit gehen muss und unbestimmte Regelungen in Arbeitsverträgen sind bekanntlich immer ein Problem.
    Hinzukommt, dass schon im Arbeitsvertrag vereinbarte Kurzarbeitsregelungen nach Auffassung einiger Gerichte nur dann wirksam sein sollen, wenn sie eine mindestens 2-wöchige Ankündigungsfrist enthalten. 

Was aber machen Unternehmen, die keinen Betriebsrat, keine (wirksame) Kurzarbeitsregelung im Arbeitsvertrag haben und deren Arbeitnehmer sich weigern, anlässlich der Pandemie einer Vereinbarung über die Kurzarbeit zuzustimmen?

Die einzige Möglichkeit, die diese Unternehmen haben, ist eine Änderungskündigung
Und da die meisten von der Pandemie betroffenen Unternehmen Kurzarbeit schnell einführen müssen, würde der Normalfall einer fristgerechten Änderungskündigung in der Regel nichts nutzen. 

Die Preisfrage in der Corona-Pandemie lautet also:
Sind außerordentliche Änderungskündigungen zur Durchführung von Kurzarbeit möglich?

In der Literatur ist diese Frage sehr umstritten. Der Meinungsstreit hat vor allem damit zu tun, dass die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel der Gehaltsreduzierung von der Rechtsprechung sehr hoch geschraubt worden sind. Im Normalfall fordert die Rechtsprechung für eine solche Änderungskündigung nämlich, dass ohne die Gehaltsreduzierung in absehbarer Zeit ein Personalabbau oder sogar eine Schließung des Betriebs droht und dass das Unternehmen vor der Änderungskündigung einen umfassenden Sanierungsplan erstellt hat, der belegt, dass die beabsichtigte Änderungskündigung das einzige Mittel ist, um den Betrieb vor dem Aus zu bewahren. 

Auf der anderen Seite ist die Kurzarbeit ein sogar staatlich anerkanntes und vom Gesetzgeber auch gewolltes Instrument, um Entlassungen zu verhindern. 

Am Ende geht es also um die Frage, ob die Kurzarbeit ein Ausnahmefall ist, der die gerade dargestellten hohen Anforderungen der Rechtsprechung durchbrechen kann. 

In seinem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil vom 22.10.2020 (Az.: 11 Ca 2950/20) hat das Arbeitsgericht Stuttgart den Weg für eine fristlose Änderungskündigung zur Durchsetzung von Kurzarbeit zugunsten der Arbeitgeber freigemacht und entschieden: 

Wenn die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III für das staatliche Kurzarbeitergeld erfüllt sind, muss eine Änderungskündigung möglich sein. Und zwar auch in der Variante der außerordentlichen Änderungskündigung, sofern der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht sinnvoll nutzen kann, wenn er erst die ordentliche Kündigungsfrist abwarten müsste.

Der bei jeder Kündigung zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz war nach Auffassung der Stuttgarter Arbeitsrichter im konkreten Fall gewahrt, da der Arbeitgeber in der Änderungskündigung den Kurzarbeitszeitraum (18.05.2020 bis 31.12.2020) genannt und außerdem eine Ankündigungsfrist von 3 Wochen für den Beginn, das vorzeitige Ende sowie schwankende Kurzarbeitsquoten während der Dauer der Kurzarbeit vorgesehen hatte. 

Viele Unternehmen werden sich nun fragen, wie sie eine Änderungskündigung zur Durchführung von Kurzarbeit formulieren sollen. 
Auch hier kann dem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart Vorbildfunktion zukommen.
In Anlehnung an dieses Urteil könnte eine außerordentliche Änderungskündigung zur Durchführung von Kurzarbeit, die Sie wie jeder andere Kündigung hilfsweise fristgerecht aussprechen sollten, wie folgt formuliert werden:

"Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Änderungskündigung zur Durchführung von Kurzarbeit

"Sehr geehrte Frau _______, /  Sehr geehrter Herr _______,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund.
Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens wie folgt fortzusetzen:

1. Die ______ als Ihre Arbeitgeberin ist berechtigt, für die Zeit vom ______
 bis höchstens ______ Kurzarbeit anzuordnen, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt ist, und sämtliche weiteren Voraussetzungen für Ihren Anspruch auf Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff. SGB III) vorliegen.

2. Den Beginn und das Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit während des Zeitraums der Kurzarbeit werden wir Ihnen unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen.
Die Verteilung der im Zeitraum der Kurzarbeit verbleibenden Arbeitszeit auf die einzelnen Kalendertage sowie die Lage der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen und unseren Weisungen. 

3. Für den Zeitraum der Kurzarbeit reduziert sich Ihre Vergütung entsprechend der Reduzierung der Arbeitszeit. 

Bitte teilen Sie uns unverzüglich mit, ob Sie mit der Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zu den vorstehend unter Ziffer 1. bis 3. genannten, geänderten Bedingungen ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Kündigungsschreibens einverstanden sind, diese ablehnen oder sie unter Vorbehalt annehmen. 

Nur für den Fall der Rechtsunwirksamkeit der zuvor erklärten außerordentlichen Änderungskündigung, kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis hiermit außerdem hilfsweise ordentlich und fristgerecht zum _____ und bieten Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem auf das Ende der Kündigungsfrist folgenden Tag, also ab dem _______, wie folgt fortzusetzen: 

1. Die ______ als Ihre Arbeitgeberin ist berechtigt, für die Zeit vom _______ bis höchstens _______ Kurzarbeit anzuordnen, sofern ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt ist, und sämtliche weiteren Voraussetzungen für Ihren Anspruch auf Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff. SGB III) vorliegen.

2. Den Beginn und das Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit während des Zeitraums der Kurzarbeit werden wir Ihnen unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen.
Die Verteilung der im Zeitraum der Kurzarbeit verbleibenden Arbeitszeit auf die einzelnen Kalendertage sowie die Lage der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen und unseren Weisungen. 

3. Für den Zeitraum der Kurzarbeit reduziert sich Ihre Vergütung entsprechend der Reduzierung der Arbeitszeit. 

Mit freundlichen Grüßen

__________
Arbeitgeber"


Rechtskräftig entschieden ist über die Möglichkeit einer obendrein fristlosen Änderungskündigung zur Durchführung der Kurzarbeit durch dieses eine Urteil zwar noch nicht. 
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart sollte Arbeitgebern aber Mut machen, gegenüber uneinsichtigen Arbeitnehmern nicht gleich klein beizugeben. 

 

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