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Update zu leistungsbezogenen Sonderzahlungen

Wie Sie aus unseren bisherigen Berichterstattungen wissen, ist es im außertariflichen Bereich grundsätzlich nicht mehr möglich, Sonderzahlungen, die auch einen Leistungs- oder Erfolgsbezug haben, mit einer Stichtags- und/oder Rückzahlungsklausel zu belegen.

Die aktuelle Rechtsprechung zu außertariflichen Sonderzahlungen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Bei einer auch leistungs- und/oder erfolgsbezogenen Sonderzahlung ist keine Stichtags- und keine Rückzahlungsklausel möglich.
  • Solche Sonderzahlungen müssen daher immer zeitanteilig geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf des Bemessungszeitraums (also z. B. vor Ablauf des Kalender- oder Geschäftsjahres) ausscheidet.
  • Nur bei einer eindeutig nicht leistungs- und/oder erfolgsbezogenen Sonderzahlung sind Stichtags- und Rückzahlungsklauseln weiterhin legitim.

Aber Achtung: Schon eine Auszahlungsbedingung, die da lautet, dass die Sonderzahlung für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Vergütung keine Arbeitsleistung erbringt, gekürzt wird, hat nach der Rechtsprechung einen Leistungsbezug zur Folge!

Ist es Ihnen als Arbeitgeber im Grunde egal, ob die Sonderzahlung Leistungs- und/oder Erfolgsbezug hat oder nicht und geht es Ihnen in erster Linie darum, Geld zu sparen, wenn Arbeitnehmer keine aktive Arbeitsleistung mehr erbringen, gilt folgender Praxistipp:

  • Ist die Fluktuation in Ihrem Unternehmen groß, bietet sich eine nicht leistungs-/erfolgsbezogene Sonderzahlung mit einer Stichtags- und Rückzahlungsklausel an.
  • Hat Ihr Unternehmen dagegen weniger Probleme mit der Fluktuation als vielmehr mit hohen Krankheitsquoten, sollte besser eine Kürzungsregelung für Zeiten ohne Arbeitsleistung und ohne Arbeitsvergütung vereinbart werden.

Das sind, wie schon gesagt, die Regeln für außertarifliche Sonderzahlungen.

Bei tariflichen Sonderzahlungen ist die aktuelle Rechtsprechung gnädiger.
So hat es das Bundesarbeitsgericht per Urteil vom 27.06.2018 (Az.: 10 AZR 290/17 entschieden.
 
Die wichtigsten Erkenntnisse der Entscheidung möchten wir folgendermaßen für Sie zusammenfassen:
 
Bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen sind Stichtagsregelungen selbst dann zulässig, wenn mit der Sonderzahlung auch die Arbeitsleistung belohnt wird.
 
Das Bundesarbeitsgericht geht noch einen Schritt weiter: Der Stichtag darf sogar außerhalb des Bezugszeitraums liegen, wenn sich der Stichtag nicht zu weit vom Bezugszeitraum entfernt. Bei einer im November geleisteten Sonderzahlung für das gesamte Kalenderjahr in Höhe eines Monatsgehalts ist eine Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31.03. des Folgejahres laut Bundesarbeitsgericht okay. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, kurze Zeit nach dem Stichtag auszuscheiden, ohne die Sonderzahlung zu verlieren. In der vom Bundesarbeitsgericht begutachteten Tarifregelung hieß es, dass Arbeitnehmer die Jahressonderzahlung bekommen, wenn sie nicht in der Zeit bis einschließlich 31.03. des Folgejahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis ausscheiden. Da die tarifvertraglichen Kündigungsfristen immer zum Monatsende endeten, hätten die Arbeitnehmer also auch per 30.04. ausscheiden können, ohne die Sonderzahlung zu verlieren. Tarifvertragliche Klauseln, die Arbeitnehmer von jährlichen Sonderzahlungen ausschließen, wenn deren Arbeitsverhältnis bis einschließlich 31.03. des Folgejahres beendet wird, sind somit jedenfalls dann möglich, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der für ihn geltenden Kündigungsfrist kurze Zeit später ausscheiden kann, ohne die Sonderzahlung zu verlieren.
 
Zulässig ist es bei tariflichen Sonderzahlungen dementsprechend außerdem, den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der schon geleisteten Sonderzahlung zu verpflichten, wenn er bis zum 31.03. des Folgejahres ausscheidet.
 
Tarifliche Sonderzahlungen sind gegenüber arbeitsvertraglichen Sonderzahlungen daher im Vorteil. Denn in Arbeitsverträgen, Gesamtzusagen etc. sind Stichtags- und Rückzahlungsklauseln bei leistungs- oder erfolgsbezogenen Sonderzahlungen bekanntlich nicht (mehr) zulässig. Und der Leistungsbezug einer Sonderzahlung liegt nach aktueller Rechtsprechung ja schon dann vor, wenn es im Arbeitsvertrag, der Gesamtzusage o. ä. heißt, dass die Sonderzahlung für Zeiten ohne Gehaltsanspruch gekürzt wird.
 
Arbeitgeber, die nicht tarifgebunden sind, werden sich daher jetzt fragen: Können wir uns in unserem Arbeitsvertrag oder unserer Gesamtzusage nicht einfach auf den Sonderzahlungs-Passus eines Tarifvertrages beziehen?
 
Darauf hat das Bundesarbeitsgericht bereits folgende Antworten gegeben:
 
Um in den Genuss der vorteilhaften Regelungen eines Tarifvertrages zu kommen, muss der räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages eröffnet sein.
 
Außerdem muss grundsätzlich der gesamte Tarifvertrag in Bezug genommen werden. Eine punktuelle Bezugnahme auf einzelne Vorschriften des Tarifvertrages reicht in der Regel nicht.
 
Nach wie vor offen ist die Frage, ob es genügt, wenn nur abgrenzbare Teilkomplexe eines tariflichen Regelungswerkes übernommen werden. Diese Frage würde sich allerdings nur dann stellen, wenn eine tarifliche Sonderzahlung eine eigenständige und von der übrigen Vergütung losgelöste Regelung darstellt, was in vielen Tarifverträgen schon deshalb nicht der Fall sein dürfte, weil die Sonderzahlung Teil einer einheitlichen tariflichen Vergütungsregelung ist.

Bleibt die Frage, ob Stichtags- und/oder Rückzahlungsklauseln bei leistungs- und/oder erfolgsbezogenen Sonderzahlungen möglich sind, die in Betriebsvereinbarungen vereinbart wurden.

Hier hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 29.01.2020 (Az.: 4 Sa 1456/19) nun entschieden:
In einer Betriebsvereinbarung darf auch für eine leistungs- und/oder erfolgsbezogene Sonderzahlung vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Bezugszeitraums Bestand haben muss. Nach der von den Berliner Landesarbeitsrichtern vertretenen Auffassung sind Stichtags- und Rückzahlungsregelungen in Betriebsvereinbarungen also dann möglich, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, dass Arbeitnehmer, die erst nach Ablauf des Bemessungszeitraums (also z. B. nach Ablauf des Kalender- oder Geschäftsjahres) ausscheiden, die Sonderzahlung behalten dürfen.

Die Entscheidung ist deshalb interessant, weil das Landesarbeitsgericht Köln durch Urteil vom 23.08.2018 (Az.: 7 Sa 470/17) noch anders entschieden hatte.

Das letzte Wort wird jetzt das Bundesarbeitsgericht in dieser für die betriebliche Praxis wichtigen Frage haben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen.

In Ermangelung von wirksamen Alternativen können sich Unternehmen mit Betriebsrat daher überlegen, ob sie über außertarifliche Sonderzahlung nicht jetzt schon eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abschließen, der die Mitarbeiter bis zum Ende des Bemessungszeitraums an das Unternehmen bindet.

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