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Neues zum Entgelttransparenzgesetz

Es gibt neue Entscheidungen zum Entgelttransparenzgesetz und zum Einsichtsrecht des Betriebsrats nach § 80 BetrVG. Einige davon sind aus Arbeitgebersicht sogar besonders erfreulich.

1. Bundesarbeitsgericht beschränkt die Einsichtsrechte des Betriebsrats zur Erfüllung von Auskunftsverlangen nach dem Entgelttransparenzgesetz - Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2020, Az.: 1 ABR 6/19:
Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel mehr als 200 Arbeitnehmer beschäftigt sind, haben bekanntlich einen Auskunftsanspruch über die Vergütung von Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeiten.
Zu "Sicherung" dieses Auskunftsanspruchs haben Betriebsräte das Recht, die Bruttoentgeltlisten einzusehen und auszuwerten, § 13 Abs. 2 des Entgelttransparenzgesetzes.

Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht entschieden: Dieses Einsichts- und Auswertungsrecht besteht nur, wenn der Betriebsrat die vom Arbeitnehmer verlangte Auskunft auch erteilt. Es besteht nicht, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach § 14 Abs. 2 oder § 15 Abs. 2 des Entgelttransparenzgesetzes berechtigterweise an sich gezogen hat.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liegt bislang nur als Pressemitteilung vor. Sollten sich aus dem Volltext weitergehende Erkenntnisse ergeben, werden wir hiervon natürlich berichten.

Das allgemeine Einsichtsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz des Betriebsverfassungsgesetzes bleibt von dieser Entscheidung unberührt.

Zu diesem allgemeinen Einsichtsrecht gibt es ebenfalls zwei interessante Urteile, von denen wir Ihnen in diesem Zusammenhang berichten möchten.

  • In dem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 01.08.2019 (Az.: 5 TaBV 313/19) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden:

    § 80 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz des Betriebsverfassungsgesetzes gibt dem  Betriebsrat lediglich das Recht, Einblick in die Bruttogehaltslisten zu nehmen. Ein Recht, die Aushändigung der Listen zu verlangen, hat der Betriebsrat nicht.

    Auch § 13 Abs. 2 Satz 1 des Entgelttransparenzgesetzes verpflichtet den Arbeitgeber nach Meinung der Berliner Richter nicht, solche Listen auszuhändigen.  Zwar sei in § 13 Abs. 2 des Entgelttransparenzgesetzes nicht nur von Einsichtnahme, sondern auch von Auswertung die Rede; eine Auswertung sei aber auch durch bloße Einsichtnahme möglich.
    EU-rechtlich sei die Aushändigung von Listen ebenfalls nicht geboten.

    Da die vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu § 13 Absatz 2 des Entgelttransparentzgesetzes vertretene Auffassung noch keine gesicherte Erkenntnis ist, hat das Gericht die Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Mittlerweile ist die Entscheidung ohne Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts rechtskräftig.

  • Die vor kurzem veröffentlichte weitere Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23.05.2019 (Az.: 5 TaBV 9/18) befasst sich mit der ebenfalls interessanten Frage, wie oft der Betriebsrat Einsicht in die Bruttogehaltslisten nehmen kann.

    Im entschiedenen Fall wollte der Betriebsrat eine monatliche Einsichtnahme in die Gehaltslisten.
    Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ist dem Betriebsrat nicht gefolgt.
    Begründung: Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nicht ohne Prüfung der Erforderlichkeit von vornherein die monatlich wiederkehrende Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten verlangen.
    Das heißt allerdings nicht, dass es kein monatliches Einsichtnahmerecht gibt. Entscheidend ist, ob die monatliche Einsichtnahme einen Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrats hat. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Betriebsrat feststellen möchte, welche Arbeitnehmer welche Entgeltbestandteile in welchen Abrechnungsmonaten erhalten.

    Eine voraussetzungslose Vorlagepflicht nach dem Gusto des Betriebsrats gibt es dagegen nicht.

    Auch diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.

2. Auch arbeitnehmerähnliche Personen haben einen Auskuftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.06.2020, Az.: 8 AZR 145/19:
Im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes gilt ein weiter Arbeitnehmerbegriff. Deshalb fallen auch arbeitnehmerähnliche Personen unter "Beschäftigte" im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Entgelttransparenzgesetzes.

Das hat das Bundesarbeitsgericht in seinem bisher nur als Pressemitteilung bekanntgemachten Urteil vom 25.06.2020 (8 AZR 145/19) entschieden. Das folgt laut Bundesarbeitsgericht aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Entgelttransparenzgesetzes im Sinne der EU-Richtlinie 2006/54/EG.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall wurde daher einer freien Redakteurin eines Fernsehsenders ein Auskunftsanspruch nach § 10 des Entgelttransparenzgesetzes zuerkannt.

3. Eine Auskunft nach § 11 des Entgelttransparenzgesetzes ist kein Indiz im Sinne von § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 01.08.2019, Az.: 5 Sa 196/19:
Eine der noch offenen Fragen seit Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes lautet: Ist eine nach § 11 des Entgelttransparenzgesetzes erteilte Auskunft, derzufolge das Gehalt eines Arbeitnehmers unter dem Median der Vergleichsgruppe liegt, ein Indiz im Sinne von § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes?

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat diese wichtige Frage in seinem allerdings noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 01.08.2019 (Az.: 5 Sa 196/19) mit einem klaren "Nein" beantwortet.
Und nicht nur das: Die niedersächsischen Arbeitsrichter gehen in ihrer Entscheidung hart mit dem Gesetzgeber ins Gericht. Ihrer Meinung nach sind die im Gesetz vorgesehenen Auskunftsansprüche bezogen auf den sogenannten Median missglückt. Hierfür bilden die Richter folgendes Beispiel:
Sieben Frauen in der Vergleichsgruppe verdienen jeweils dasselbe wie ihre sieben männlichen Kollegen, nämlich jeweils zwischen € 1.600,00 und € 2.500,00. Der Median beider Vergleichsgruppen ist daher gleichgroß und liegt beispielsweise bei € 1.900,00.

Wenn jetzt eine weibliche Arbeitnehmerin mit einem monatlichen Einkommen von 
€ 1.600,00 nach dem "männlichen" Median fragt, erhält sie natürlich die Auskunft, dass dieser bei € 1.900,00 liegt. Nach Meinung der niedersächsischen Landesarbeitsrichter wäre es aber ein Fehler, hierin ein Indiz für eine Entgeltdiskriminierung zu sehen. Denn die weibliche Arbeitnehmerin, die € 1.600,00/Monat verdient, befindet sich ja nur zufällig am unteren Rand des ansonsten identischen Vergütungsniveaus.

Der Gesetzgeber scheint den Arbeitnehmern mit dem Auskunftsanspruch also Steine statt Brot gegeben zu haben.
Ob dem tatsächlich so ist, wird einmal mehr das Bundesarbeitsgericht entscheiden müssen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.
Das Revisionsverfahren läuft auch schon und ist beim Bundesarbeitsgericht unter Az.: 8 AZR 488/19 anhängig.

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