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Brandaktuell: Nebentätigkeiten und Arbeitszeitgesetz

Etliche Arbeitnehmer üben Nebentätigkeiten aus. Einige von ihnen schießen dabei aber über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinaus.

Aber was ist die Rechtsfolge, wenn zwei Arbeitsverhältnisse zusammengenommen die höchstzulässige Arbeitszeit überschreiten?

Hierauf hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 19.05.2020 (Az.: 7 Sa 11/19) Antworten gegeben.

Vorneweg zur Erinnerung:
Arbeitnehmer dürfen maximal 48 Wochenstunden arbeiten.
Das ergibt sich aus § 3 des Arbeitszeitgesetzes, in dem es heißt:

"Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden."

Da Werktage im Sinne des Arbeitszeitgesetzes die Tage Montag bis Samstag sind, folgt aus § 3 des Arbeitszeitgesetzes:

  • Arbeitnehmer dürfen 8 Stunden Montag bis Samstag arbeiten. Das sind 6 x 8 = 48 Stunden.
  • Da die werktägliche Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden verlängert werden kann, können diese 48 Stunden auch auf die Tage Montag bis Freitag verteilt werden, z. B. indem von Montag bis Donnerstag jeweils 10 Stunden und freitags 8 Stunden gearbeitet wird. Auch dann wird die durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten; denn die in unserem Beispiel geleisteten 48 Stunden ergeben einen Schnitt von werktäglich 8 Stunden (48 : 6 = 8).

Hierfür gibt es keine Umgehungsstrategie oder "clevere Gestaltung", sondern nur einige sehr eng begrenzte Ausnahmetatbestände, die sich in §§ 7, 14 und 15 des Arbeitszeitgesetzes finden.

Was aber passiert, wenn ein Arbeitnehmer zwei Arbeitsverhältnisse hat, mit denen er die zulässige Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden innerhalb des 6-monatigen bzw. 24-wöchigen Ausgleichszeitraums dauerhaft überschreitet?

Hierauf hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 19.05.2020 folgende Antworten gegeben:

  • Ein Arbeitsvertrag, der gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt, ist nichtig.
  • Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes müssen die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammengerechnet werden.
  • Verstoßen die Arbeitsverhältnisse nur zusammengenommen gegen das Arbeitszeitgsetz, sind allerdings nicht beide Arbeitsverträge nichtig. Nichtig ist vielmehr nur der Arbeitsvertrag, der später abgeschlossen wurde.
    Hier entscheidet also das Prioritätsprinzip!
  • Für das später abgeschlossene, nichtige Arbeitsverhältnis gelten die Grundsätze zum sogenannten fehlerhaften Arbeitsverhältnis.
    Das bedeutet: Das nichtige und zuletzt abgeschlossene Arbeitsverhältnis endet spätestens mit der Erklärung einer der Parteien, den Arbeitsvertrag nicht fortzusetzen.
    Es besteht kein Kündigungsschutz und das fehlerhafte Arbeitsverhältnis kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist durch schlichte "Lossagung" beendet werden.
  • Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg noch folgende interessante Aussagen getroffen:
    - Bei der Frage, ob ein oder zwei Arbeitsverhältnisse gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, sind genommene Urlaubstage nicht mit Nullstunden in die Berechnung einzubeziehen. Vielmehr ist entweder der gesetzliche Ausgleichszeitraum um Urlaubs- und im übrigen auch Krankheitstage zu verlängern oder Urlaubs- bzw. Krankheitstage werden mit der vertraglich vereinbarten durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit in die Berechnung eingestellt.
    - Die Regelung in § 3 des Arbeitszeitgesetzes gilt auch für (ausnahmsweise zulässige) Sonn- und/oder Feiertagsarbeit. Auch Sonn- und Feiertagsarbeit ist also grundsätzlich auf 8 Stunden/Tag begrenzt und darf nur dann auf 10 Stunden/Tag verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Und was folgt daraus für die betriebliche Praxis?

Wenn Sie einen Arbeitnehmer einstellen möchten, sollten Sie ihn unbedingt fragen, ob er noch ein weiteres Arbeitsverhältnis hat.

Und wenn ein Arbeitnehmer, der bei Einstellung noch kein Zweitarbeitsverhältnis hatte, einer Nebenbeschäftigung nachgehen möchte, dürfen Sie ihm die Nebentätigkeitserlaubnis nur erteilen, wenn die Arbeitszeiten insgesamt im Rahmen des § 3 des Arbeitszeitgesetzes liegen. Infolgedessen ist es wichtig, dass Sie sich von Arbeitnehmern vor Erteilung einer Nebentätigkeitserlaubnis sagen lassen, wie lange sie im Zweitarbeitsverhältnis tätig sein werden.

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