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Achtung Neuvertrag!

Im Laufe eines jeden Arbeitsverhältnisses kommt es immer wieder zum Abschluss von Änderungsvereinbarungen, z.B. weil der Arbeitnehmer ein höheres Gehalt bekommt.
Viele Arbeitgeber machen nach wie vor den Fehler, dass sie am Ende einer solchen Änderungsvereinbarung so oder so ähnlich schreiben:
"Im Übrigen bleibt es bei den Regelungen des Arbeitsvertrages vom .. .. ...."

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt dieser kleine Satz dazu, dass keine Änderungsvereinbarung, sondern ein Neuvertrag abgeschlossen wird.

Neuvertrag heißt, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag unter dem Datum der Änderungsvereinbarung neu abgeschlossen wird.

Je nachdem, wann der Ursprungsvertrag geschlossen wurde, kann dies für den Arbeitgeber fatale Konsequenzen haben.

Hierzu ein paar Beispiele:

  • Altverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden und auf Tarifverträge verweisen, werden vom Bundesarbeitsgericht noch als sogenannte Gleichstellungsabrede ausgelegt. Gleichstellungsabrede bedeutet: Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers (z.B. weil der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband austritt), können danach abgeschlossene Tarifverträge auch nicht durch eine arbeitsvertragliche Klausel, die auf den Tarifvertrag verweist, Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden. Denn bezogen auf vor dem 01.01.2002 geschlossene Arbeitsverträge legt das Bundesarbeitsgericht solche Verweisungsklauseln so aus, dass der Arbeitgeber nicht tarifgebundene Arbeitnehmer (also Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der einschlägigen Gewerkschaft sind), einfach nur genauso behandeln möchte wie gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer.
    Für Arbeitsverträge, die seit dem 01.01.2002 geschlossen wurden, gilt diese Auslegungsregel nicht mehr. Seit diesem Zeitpunkt muss aus der Verweisungsklausel vielmehr eindeutig und ausdrücklich hervorgehen, dass der Arbeitgeber eine Gleichstellung beabsichtigt.

    Wenn Sie einen vor dem 01.01.2002 abgeschlossenen Altvertrag heute aufgrund einer Gehaltserhöhung ändern und am Ende der Änderungsvereinbarung den gerade genannten Schlusssatz verwenden, haben Sie folglich keine Gleichstellungsabrede mehr. Die Folge: Der Arbeitnehmer kann sich weiterhin auf die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge berufen, auch wenn Sie längst aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind.

     
  • In Ihrem vor dem 01.01.2015 abgeschlossenen Arbeitsvertrag befindet sich eine Ausschlussfristenklausel, die Ansprüche auf den Mindestlohn noch nicht von den Ausschlussfristen ausnimmt (weil das Mindestlohngesetz erst am 01.01.2015 in Kraft trat). Auch hier hat eine Änderungsvereinbarung mit dem vorhin genannten kleinen Satz fatale Folgen: Da es sich um einen Neuvertrag handelt, ist eine Ausschlussfristenregelung ohne Herausnahme von Mindestlohnansprüchen nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam.
     

Soweit so gut oder nicht gut.

Aber was ist, wenn sich der oben genannte brandgefährliche Satz nicht in einer regelrechten Änderungsvereinbarung, sondern am Ende eines persönlich gehaltenen Schreibens (z.B. über eine Gehaltserhöhung) befindet und der Arbeitnehmer sich mit seiner Unterschrift auf dem Schreiben "nur" hiermit einverstanden erklären soll?

Dieser Fall war Gegenstand der gerade veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.07.2019 (Az.: 4 AZR 312/18).

Laut Bundesarbeitsgericht ist das Ergebnis leider das gleiche wie bei einer regelrechten Änderungsvereinbarung. Dies folgt (nach zutreffender) Meinung des Bundesarbeitsgerichtes daraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur den Erhalt des Schreibens, sondern sein Einverständnis mit den ihm im Schreiben mitgeteilten Veränderungen bestätigen soll.

Was folgt daraus für die Praxis?

Lassen Sie den eingangs genannten Satz in Ihren Änderungsvereinbarungen einfach weg.
Sie brauchen diesen Satz auch nicht, wenn sich aus Ihrer Änderungsvereinbarung klar ergibt, welche Regelungen des Altvertrages Sie ändern möchten.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an.

 

Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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