Skip to main content

Die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts zu Stichtagsregelungen bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen sind da!

Außerdem hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Bezahlung von Reisezeiten weiter präzisiert.

 

1. Bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen sind Stichtagsregelungen immer zulässig. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2018, Az.: 10 AZR 290/17)

Am 25.07.2018 hatten wir bereits über die Pressemitteilung dieser wichtigen Entscheidung berichtet. Nun liegt die Entscheidung auch im Volltext vor. Die wichtigsten Ergebnisse der Entscheidung möchten wir folgendermaßen für Sie zusammenfassen:

  • Bei tarifvertraglichen Sonderzahlungen sind Stichtagsregelungen selbst dann zulässig, wenn mit der Sonderzahlung auch die Arbeitsleistung belohnt wird.
  • Das Bundesarbeitsgericht geht noch einen Schritt weiter:

Der Stichtag darf sogar außerhalb des Bezugszeitraums liegen, wenn sich der Stichtag nicht zu weit vom Bezugszeitraum entfernt. Bei einer im November geleisteten Sonderzahlung für das gesamte Kalenderjahr in Höhe eines Monatsgehalts ist eine Bindung des Arbeitnehmers bis zum 31.03. des Folgejahres laut Bundesarbeitsgericht okay. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer nach der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist die Möglichkeit hatte, kurze Zeit nach dem Stichtag auszuscheiden, ohne die Sonderzahlung zu verlieren.

In der vom Bundesarbeitsgericht begutachteten Tarifregelung hieß es, dass Arbeitnehmer die Jahressonderzahlung bekommen, wenn sie nicht in der Zeit bis einschließlich 31.03. des Folgejahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis ausscheiden. Da die tarifvertraglichen Kündigungsfristen immer zum Monatsende endeten, hätten die Arbeitnehmer also auch per 30.04. ausscheiden können, ohne die Sonderzahlung zu verlieren. Nach dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Tarifvertrag waren die Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu kündigen, da der Tarifvertrag keinen ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bei Auszahlung vorsah. Wäre das der Fall gewesen, würde das allerdings nicht zwangsläufig bedeuten, dass die tarifliche Regelung unwirksam gewesen wäre.

However: Tarifvertragliche Klauseln, die Arbeitnehmer von Jahresend-Sonderzahlungen ausschließen, wenn deren Arbeitsverhältnis bis einschließlich 31.03. des Folgejahres endet, sind jedenfalls möglich.

  • Zulässig ist es bei tariflichen Sonderzahlungen dementsprechend außerdem, den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der schon geleisteten Sonderzahlung zu verpflichten, wenn er bis zum 31.03. des Folgejahres ausscheidet.

Tarifliche Sonderzahlungen sind gegenüber arbeitsvertraglichen Sonderzahlungen daher im Vorteil. Denn in Arbeitsverträgen, Gesamtzusagen etc. sind Stichtags- und Rückzahlungsklauseln bei leistungs- oder erfolgsbezogenen Sonderzahlungen bekanntlich nicht (mehr) zulässig. Und der Leistungsbezug einer Sonderzahlung liegt ja schon dann vor, wenn es im Arbeitsvertrag, der Gesamtzusage o.ä. heißt, dass die Sonderzahlung für Zeiten ohne Gehaltsanspruch gekürzt wird.

Arbeitgeber, die nicht tarifgebunden sind, werden sich daher jetzt fragen: Können wir uns in unserem Arbeitsvertrag oder unserer Gesamtzusage nicht einfach auf den Sonderzahlungs-Passus eines Tarifvertrages beziehen?

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht folgende Antworten gegeben:

  • Um in den Genuss der vorteilhaften Regelungen eines Tarifvertrages zu kommen, muss der räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages eröffnet sein.
  • Außerdem muss grundsätzlich der gesamte Tarifvertrag in Bezug genommen werden. Eine punktuelle Bezugnahme auf einzelne Vorschriften des Tarifvertrages reicht in der Regel nicht. Das Ausnahmen die Regel bestätigen, hatten wir in Bezug auf § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG in unserem Newsletter vom 17.08.2018 erklärt.
  • Nach wie vor offen ist die Frage, ob es genügt, wenn nur abgrenzbare Teilkomplexe eines tariflichen Regelungswerkes übernommen werden. Diese Frage würde sich allerdings nur dann stellen, wenn eine tarifliche Sonderzahlung eine eigenständige und von der übrigen Vergütung losgelöste Regelung darstellt, was in vielen Tarifverträgen schon deshalb nicht der Fall sein dürfte, weil die Sonderzahlung Teil einer einheitlichen tariflichen Vergütungsregelung ist.

2. Vergütungspflicht von Reisenzeiten/Mindestlohn (Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 25.04.2018, Az.: 5 AZR 424/17)

In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht seine neuere Rechtsprechung bekräftigt, dass auch betrieblich veranlasste Fahrt-/Reisezeiten = Arbeitszeit sind, selbst wenn das Reisen (wie z. B. beim Außendienstmitarbeiter ) keine Hauptpflicht ist.

Dienstreisen (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind keine Dienstreisen) sind daher grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Allerdings ist es laut Bundesarbeitsgericht zulässig, eine gesonderte Vergütungsregelung für solche Reisezeiten zu vereinbaren. Dies muss man in einem Arbeits- oder Tarifvertrag dann aber auch ausdrücklich tun. Regelungsspielräume haben Arbeitgeber daher vor allem dann, wenn es um die Vergütung von Reisezeiten geht, die über die vereinbarte und daher ohnehin zu bezahlende Arbeitszeit hinausgehen. Infolgedessen dürfte es beispielsweise zulässig sein, die Vergütungspflicht solcher Reisezeiten bei x Stunden pro Arbeitstag zu deckeln oder geringer zu vergüten.

Aber Achtung: Am Ende des Monats muss auch unter Berücksichtigung solcher Reisezeiten immer der Mindestlohn herauskommen, wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden hat. Das gilt auch für Tarifverträge.

Anmerkung: Denken Sie bitte außerdem daran, dass die Vergütung von Reisezeiten nicht heißt, dass Reisezeiten auch Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind.

 

  • Erstellt am .