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Neues vom Bundesarbeitsgericht zu Befristungen, Präventionsverfahren und Azubis

In den letzten Tagen wurden drei interessante Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu folgenden Themen veröffentlicht:

  • Können auch Arbeitgeber ohne Tarifbindung in den Genuss von tariflichen Regelungen kommen, die eine längere Befristung ohne sachlichen Grund erlauben?
  • Arbeitgeber dürfen das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX (vormals § 84 Abs. 1 SGB IX) nicht unterschätzen.
  • Wann laufen Arbeitgeber Gefahr, dass infolge der Beendigung der Ausbildung ein Arbeitsverhältnis entsteht?

1. Können auch Arbeitgeber ohne Tarifbindung in den Genuss von tariflichen Regelungen kommen, die eine längere Befristung ohne sachlichen Grund erlauben? -
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2018, Az.: 7 AZR 428/16:


Nicht tarifgebundenen Arbeitgebern geht es häufig wie folgt:
Sie haben Interesse an einzelnen Regelungen aus dem Tarifvertrag, den ganzen Tarifvertrag möchten sie aber nicht mit ihren Arbeitnehmern vereinbaren.

Juristen sprechen insoweit häufig von der bloß punktuellen Inbezugnahme von tariflichen Regelungen. 

Leider gibt es keinen Grundsatz, der da lautet, dass eine punktuelle Inbezugnahme tariflicher Regelungen immer zulässig ist. Das hat damit zu tun, dass ein Tarifvertrag ein in sich abgeschlossenes Regelwerk ist, das aus Arbeitnehmersicht sowohl bessere als auch schlechtere Regelungen als das Gesetz enthält.

Würde man einem Arbeitgeber nun erlauben, punktuell nur die für den Arbeitnehmer schlechteren (und für den Arbeitgeber günstigeren) Regelungen arbeitsvertraglich in Bezug zu nehmen, wäre dieses Gleichgewicht gestört. 

Infolgedessen müssen Arbeitgeber immer von Fall zu Fall prüfen, ob und in welchem Umfang eine punktuelle Inbezugnahme von tariflichen Regelungen zulässig ist.

In der Entscheidung vom 21.03.2018 ging es um die Frage, ob Arbeitgebern eine punktuelle Inbezugnahme von tarifvertraglichen Regelungen erlaubt ist, die eine längere Befristung ohne sachlichen Grund (§ 14 Absatz 2 TzBfG) erlauben.

Ausgangspunkt der Entscheidung ist also § 14 Absatz 2 Satz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Dort heißt es:

"Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren."

Wie das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat, können Tarifverträge die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 6 Jahren erlauben. Innerhalb dieser 6 Jahre können Tarifverträge außerdem eine bis zu neunmalige Verlängerung des Arbeitsvertrags vorsehen (vgl. BAG, Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 140/15).

Für § 14 Absatz 2 Satz 3 TzBfG hat das Bundesarbeitsgericht die punktuelle Bezugnahme so entschieden:

Ja, Arbeitgeber dürfen solche Befristungsregelungen punktuell in Bezug nehmen, sofern sie in den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags fallen.

Die schlechte Nachricht ist: Aus den eingangs genannten Gründen können sie diese Entscheidung nicht auf andere Fälle punktueller Bezugnahmen übertragen.

2. Arbeitgeber dürfen das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX (vormals § 84 Abs. 1 SGB IX) nicht unterschätzen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.01.2018, Az.: 2 AZR 382/17:

Durch die ganzen Diskussionen der letzten Jahre über das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), das in § 167 Absatz 2 (vormals § 84 Abs. 2 SGB IX) geregelt ist, ist das allgemeine Präventionsverfahren nach § 167 Absatz 1 SGB IX (vormals § 84 Absatz 1 SGB IX) etwas in Vergessenheit geraten. Durch die gerade veröffentlichte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2018 sollte sich das schleunigst ändern.

Zur Erinnerung: Im Gegensatz zum BEM gilt das allgemeine Präventionsverfahren nach § 167 Absatz 1 SGB IX nur für schwerbehinderte/gleichgestellte Arbeitnehmer.

Ist der Arbeitnehmer schwerbehindert oder gleichgestellt, ist das BEM sozusagen ein Spezialfall des allgemeinen Präventionsverfahrens nach § 167 Absatz 1 SGB IX. 

Daraus folgt für die Kündigung von schwerbehinderten/gleichgestellten Arbeitnehmern:

  • Geht es um eine krankheitsbedingte Kündigung, müssen Sie ein BEM machen.
  • Geht es um eine verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Kündigung, ist das allgemeine Präventionsverfahren nach § 167 Absatz 1 SGB IX einschlägig. Danach müssen Sie auch vor einer verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebsrat und das Integrationsamt einschalten, um gemeinsam zu überlegen, ob und wie die Kündigung ggf. vermieden werden kann.

Aber was passiert, wenn Sie das nicht tun?

Bisher ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass Ihnen ein nicht durchgeführtes Präventionsverfahren dann nicht schadet, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat. Von dieser Rechtsprechung rückt das Bundesarbeitsgericht nun ab.

Zumindest für den Fall der fristlosen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen hat das höchste Arbeitsgericht nämlich jetzt entschieden: Die Zustimmung des Integrationsamts hilft dem Arbeitgeber, der kein Präventionsverfahren durchgeführt hat, nicht.

Das hat zur Folge: Trotz Zustimmung des Integrationsamtes muss der Arbeitgeber, der kein allgemeines Präventionsverfahren gemacht hat, in einem Kündigungsschutzverfahren darlegen und beweisen, dass das Präventionsverfahren nichts genutzt hätte.

Ob das Gleiche auch für ordentliche Kündigungen aus verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen gilt, hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen. Sie müssen aber damit rechnen, dass das Bundesarbeitsgericht seine restriktivere Haltung auch in diesen Kündigungsfällen fortsetzen wird. 

Wir können allen Arbeitgebern daher nur raten, mit schwerbehinderten/gleichgestellten Arbeitnehmern vor jeder Kündigung ein allgemeines Präventionsverfahren unter Beteiligung von Schwerbehindertenvertretern, Betriebsrat und Integrationsamt durchzuführen.

Ausnahme sind schwerbehinderte/gleichgestellte Arbeitnehmer, die keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz haben: Hier ist weder ein BEM noch ein allgemeines Präventionsverfahren erforderlich.

3. Wann laufen Arbeitgeber Gefahr, dass infolge der Beendigung der Ausbildung ein Arbeitsverhältnis entsteht? -
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az.: 9 AZR 479/17:

§ 24 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ist für Ausbildungsbetriebe ein Gräuel. Denn danach kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis schon dann zustande, wenn der Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt wird. Die tatsächliche Beschäftigung im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis reicht also, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen. 

Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.03.2018 mit ausführlicher Begründung klargestellt hat, setzt die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses allerdings auch voraus, dass das Unternehmen positive Kenntnis von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses hat. 

Was Beendigung und positive Kenntnis davon konkret bedeutet, hat das Bundesarbeitsgericht folgendermaßen beantwortet:

  • Das Ausbildungsverhältnis endet grundsätzlich mit Ablauf der Ausbildungszeit.
  • Das Ausbildungsverhältnis endet vor Ablauf der Ausbildungszeit, wenn der Auszubildende die Abschlussprüfung schon vorher bestanden hat und ihm das Ergebnis der Abschlussprüfung vom Prüfungsausschuss verbindlich mitgeteilt worden ist.
  • Hängt das Bestehen der Abschlussprüfung nur noch davon ab, dass der Auszubildende eine weitere Ergänzungsprüfung in einem bestimmten Prüfungsbereich erfolgreich ablegt, ist das Ausbildungsverhältnis mit der verbindlichen Mitteilung des Gesamtergebnisses in diesem Prüfungsbereich vorzeitig beendet.
  • Für das Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch schlichte Weiterbeschäftigung genügt es, wenn das Unternehmen weiß, dass der Auszubildende die Abschlussprüfung erfolgreich bestanden hat. Eine Kenntnis über die Mitteilung des Prüfungsergebnisses gegenüber dem Azubi ist nicht erforderlich. Ggf. müssen Sie den Azubi laut Bundesarbeitsgericht fragen, ob ihm das Prüfungsergebnis schon vom Prüfungsausschuss mitgeteilt wurde, bevor Sie ihn weiterbeschäftigen.
  • Kenntnis haben müssen die organschaftlichen Vertreter oder Personen, denen das Unternehmen den Abschluss von Arbeitsverträgen übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen muss sich das Unternehmen in der Regel nicht zurechnen lassen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn andere Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb haben.
  • Der Azubi trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er weiterbeschäftigt wurde, obwohl die gerade genannten Personen Kenntnis von der bestandenen Abschlussprüfung hatten. 
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