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Aktuelles zum Thema Ausschlussfristen und Mindestlohn

Heute möchten wir über drei interessante Urteile zum Thema Ausschlussfristen berichten, in denen es um folgende Themen geht:

  • Ausschlussfristen und Mindestlohn.
  • Auswirkungen von Verhandlungen auf Ausschlussfristen.

Außerdem möchten wir Ihnen sagen, welcher Mindestlohn Sie demnächst erwartet.

1. Ausschlussfristen gelten auch für Gehaltsansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, aber nur in dem Umfang, der den gesetzlichen Mindestlohn übersteigt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2018, Az.: 5 AZR 377/17:

Ansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind unabdingbar, so steht es im Gesetz, genauer gesagt, in § 12 des Entgeltfortzahlungsgesetzes.
Trotzdem gelten tarif- oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen auch für diese Ansprüche.
Das ist die gute Nachricht.

Jetzt kommt die schlechte: Ausschlussfristen greifen nur für den Teil der Entgeltfortzahlungsansprüche, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehen.
Mit dieser schlechten Nachricht hat das Bundesarbeitsgericht die juristische Fachwelt überrascht.
Der Reihe nach:
Der Mindestlohn wird bekanntlich nur für tatsächlich geleistete Arbeit garantiert.
Ansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind also grundsätzlich nicht mindestlohnpflichtig. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings schon in seinem Urteil vom 25. Mai 2016 (LINK zu unserem damaligen Newsletter) entschieden, dass der Mindestlohn auch in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit die unterste Grenze des fortzuzahlenden Gehaltes ist.
Eben weil der Mindestlohn dann aber nicht aufgrund des Mindestlohngesetzes, sondern aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes geschuldet wird, ging die juristische Fachwelt bisher davon aus, dass der durch die Entgeltfortzahlung geschuldete Mindestlohn genauso wie die anderen Entgeltfortzahlungsansprüche aufgrund von tarif- oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen kann.
In diesem Punkt hat das Bundesarbeitsgericht die juristische Fachwelt nun eines Besseren belehrt.

Daraus ziehen wir folgende Schlussfolgerung: Es ist also egal, ob Mitarbeiter arbeiten oder nicht: In Höhe des Mindestlohns verfallen Ansprüche nicht, wenn der Arbeitnehmer auch ohne Arbeit einen gesetzlich vereinbarten Gehaltsanspruch hat.

Für arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen, die ja einer strengen Transparenzkontrolle unterliegen, stellt sich damit gleich die nächste Frage:

Reicht es, wenn in einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung Mindestlohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz ausgenommen werden oder müssen die Ausnahmen künftig so formuliert werden, dass Ansprüche in Höhe des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz oder dem Arbeitnehmerentsendegesetz nicht von der Ausschlussfristenregelung erfasst sind?

Das ist dann auch eine perfekte Überleitung zu der nächsten Entscheidung.

2. Müssen Ansprüche auf den Mindestlohn überhaupt in einer arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristenregelung ausgenommen werden?
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 14.11.2017, Az.: 9 Sa 406/10:

Vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde bereits, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen intransparent und damit unwirksam sind, wenn Mindestlohnansprüche nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz nicht ausdrücklich ausgenommen werden.
Unklar ist noch, ob das auch für Mindestlohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz gilt.
Grund für die Unklarheit ist § 3 des Mindestlohngesetzes, der ausdrücklich nur die Unwirksamkeit von Vereinbarungen anordnet, insoweit sie die Geltendmachung von Mindestlohnansprüchen beeinträchtigen. Im Gegensatz zu § 9 des Arbeitnehmerentsendegesetzes geht § 3 des Mindestlohngesetzes also nicht von einer absoluten, sondern bloß teilweisen Unwirksamkeit aus.

Infolgedessen streitet sich die Fachwelt darüber, ob arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen nun auch Mindestlohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz ausdrücklich ausnehmen müssen oder aber nicht.

Das Landesarbeitsgericht München hat in seinem gerade veröffentlichten Urteil nun entschieden, dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen ohne den ausdrücklichen Ausschluss von Ansprüchen nach dem Mindestlohngesetz dann nicht unwirksam sind, wenn der Arbeitsvertrag vor dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16.08.2014 geschlossen worden ist.Genauso sieht es auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur.

Für Arbeitsverträge, die ab dem 16.08.2014 geschlossen wurden, ist die Frage nach wie vor offen. Ein Grund mehr also, bei arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelungen auf Nummer Sicher zu gehen.

3. Apropos Mindestlohn:
Der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz soll zum 01.01.2019 auf € 9,19 und zum 01.01.2020 auf € 9,35 steigen. Die Bundesregierung möchte demnächst eine entsprechende Mindestlohnanpassungsverordnung erlassen.

4. Vergleichsverhandlungen hemmen Ausschlussfristen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2018, Az.: 5 AZR 262/17:

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie haben in Ihrem Arbeitsvertrag folgende Ausschlussfrist vereinbart:
Ansprüche müssen innerhalb von 3 Monaten in Textform geltend gemacht werden. Werden die Ansprüche abgelehnt oder äußert sich der Gegner nicht, muss innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf Klage erhoben werden.
Der Arbeitnehmer macht seine Ansprüche innerhalb von 3 Monaten in Textform geltend. Sie lehnen die Ansprüche ab, sagen dem Arbeitnehmer aber gleichzeitig, dass Sie sich mit ihm einigen möchten. Alsdann verhandeln Sie mit dem Arbeitnehmer über die Ansprüche, und zwar länger als 3 Monate. Da die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, erhebt der Arbeitnehmer Klage. Und Sie berufen sich auf die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, weil seit Ihrer Ablehnung mehr als 3 Monate ins Land gegangen sind.

Wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschied, können Sie sich in dieser Situation nicht auf die nicht rechtzeitige Klageerhebung berufen. Die Frist für die klageweise Geltendmachung der Ansprüche ist laut Bundesarbeitsgericht nämlich für die Dauer der Vergleichsverhandlungen gehemmt. Das Bundesarbeitsgericht wendet den für die Verjährung geltenden § 203 BGB nun also auch auf Ausschlussfristen an.

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