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Neues vom Bundesarbeitsgericht

Gerade hat das Bundesarbeitsgericht einige interessante Entscheidungen veröffentlicht, von denen wir Ihnen gerne berichten möchten.

1. Arbeitgeber dürfen Betriebsräte auch schlecht machen! – Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2018, Az.: 7 ABR 10/16:
Bisher war umstritten, ob Arbeitgeber - zumal vor einer Betriebsratswahl - den amtierenden Betriebsrat schlecht machen dürfen. Grund für diesen Mahnungsstreit ist § 20 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes, der dem Arbeitgeber verbietet, die Betriebsratswahl zu beeinflussen.

Wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden hat, folgt aus § 20 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes allerdings keine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers.
Arbeitgeber dürfen sich also durchaus kritisch über amtierende Betriebsräte äußern.
Im konkreten Fall hatte der Personalleiter eines Unternehmens über den amtierenden Betriebsrat u.a. gesagt, dass die Betriebsratsvorsitzende die Arbeit des Unternehmens behindere und die Belegschaft bei der kommenden Betriebsratswahl deshalb eine "gescheite Liste" aufstellen solle.

2. Vorsicht Schriftform, wenn das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung enden soll – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2017, Az.: 7 AZR 632/15:
Wenn Sie möchten, dass Ihre Arbeitnehmer mit Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, müssen Sie das vereinbaren.
Da es sich bei einer solchen Regelung um eine Befristung handelt, gilt hierfür die in § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vorgeschriebene Schriftform.
Wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschied, bedeutet das auch, dass diese Befristung grundsätzlich nur dann wirksam ist, wenn der Arbeitsvertrag vor Arbeitsbeginn von beiden Parteien im Original unterzeichnet worden ist.

Wichtig ist diese Erkenntnis für die betriebliche Praxis vor allem deshalb, weil Verträge mit solchen Altersbefristungen in der betrieblichen Praxis zur Kategorie der unbefristeten und nicht zur Kategorie der befristeten Arbeitsverträge gehören.

Für die betriebliche Praxis bedeutet dieses Urteil daher: In Zukunft müssen Sie dafür Sorge tragen, dass sowohl befristete als auch eigentlich unbefristete Arbeitsverträge von beiden Seiten unterschrieben worden sind, bevor der Arbeitnehmer seine Arbeit aufnimmt.

Achtung bei betriebsständischen Versorgungswerken:
Aus dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich darüber hinaus, dass eine solche Altersgrenzenregelung bei Arbeitnehmern, die nicht bei der Deutschen Rentenversicherung, sondern einem berufsständischen Versorgungswerk versichert sind, so aussehen sollte, dass die Beendigung mit Erreichen der nach der Satzung des Versorgungswerks maßgeblichen Regelaltersgrenze endet.

3. Wann haben Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang einen Wiedereinstellungsanspruch? Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.10.2017, Az.: 8 AZR 847/15:
Für die Wirksamkeit einer Kündigung gilt bekanntlich der Grundsatz: Es kommt auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an.
Was nach dem Zugang der Kündigung passiert, beeinflusst die Wirksamkeit der Kündigung also nicht.

Wenn sich Dinge nach dem Zugang der Kündigung ändern, können Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen allerdings einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Arbeitgeber haben.
In seiner Entscheidung vom 19.10.2017 hat das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen für einen solchen Wiedereinstellungsanspruch nach einer betriebsbedingten Kündigung und einem anschließenden Betriebsübergang noch einmal fein säuberlich herausgearbeitet, und das liest sich so:

  • Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist doch noch eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt.
    Oder andersherum gesagt: Entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, gibt es grundsätzlich keinen Wiedereinstellungsanspruch.
  • Wendet man diese Grundsätze auf Betriebs(teil-)übergänge an, die nach Zugang der Kündigung stattfinden, bedeutet das:
    - Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich dann einen Wiedereinstellungsanspruch, wenn es noch während seiner Kündigungsfrist zu einem Übergang des Betriebs oder Betriebsteils kommt, dem der Arbeitnehmer zugeordnet ist.
    - Geht der Betrieb oder Betriebsteil, dem der Arbeitnehmer angehörte, erst nach Ablauf seiner Kündigungsfrist über, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich nicht in Betracht.
    - Von Grundsätzen gibt es bekanntlich immer auch Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme erkennt das Bundesarbeitsgericht bei Betriebs(teil-)übergängen dann an, wenn der Betriebsübergang daraus resultiert, dass nach Ablauf der Kündigungsfristen die Hauptbelegschaft vom Erwerber weiterbeschäftigt wird. Die den Betriebs(teil-)übergang auslösende Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern ist also eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die den Übergang auslösenden Tatsachen bereits während der Kündigungsfrist eingetreten sein müssen.
    Aber was ist, wenn der Betriebs(teil-)übergang nicht durch die Weiterbeschäftigung von Personen, sondern die Übernahme von Sachmitteln ausgelöst wird und die Übernahme der Sachmittel erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt?
    Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht einmal mehr offen gelassen. Hier steht eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus.

Wenn Sie einen Betriebsübergang vermeiden möchten, wissen Sie jetzt, wie Sie das Ganze idealerweise zeitlich eintakten sollten.

Keine Wiedereinstellung nach Kündigung im Kleinbetrieb:
In diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht aber noch eine weitere Feststellung getroffen. Es hat nämlich auch entschieden, dass all die zuvor genannten Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung nicht für Kleinbetriebe gelten.
Begründung des Bundesarbeitsgerichts: Auf die Kündigung von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben (vgl. § 23 des Kündigungsschutzgesetzes) ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar und der Wiedereinstellungsanspruch ist eine Folge aus dem Kündigungsschutzgesetz.

4. Ein Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ist möglich – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2018, Az.: 10 AZR 392/17:
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurücktreten können, wenn die Voraussetzungen des § 323 des Bürgerlichen Gesetzbuches erfüllt sind.
Das ist aus folgenden Gründen interessant:

  • Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist ein Dauerschuldverhältnis, das normalerweise nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (§ 314 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Und die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund sind in der Regel höher als für einen Rücktritt nach § 323 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dadurch, dass das Bundesarbeitsgericht den Rücktritt erlaubt, kommen beide Seiten also besser (aber nie grundlos) vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot los.
  • Das Bundsarbeitsgericht möchte den Rücktritt selbst dann zulassen, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot Bestandteil des Arbeitsvertrages ist. Das ist erst recht bemerkenswert, weil Arbeitsverhältnisse bekanntlich nur gekündigt werden können, wobei in Bezug auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot keine ordentliche Kündigung, sondern nur eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht käme.
  • Die normalen Rechtsfolgen des Rücktritts wandelt das Bundesarbeitsgericht ebenfalls ab. Rücktritt heißt normalerweise, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt werden muss. Da die Unterlassung von Wettbewerb aber nicht rückabgewickelt werden kann, sagt das Bundesarbeitsgericht, dass der Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ausnahmsweise nur für die Zukunft (Juristen sagen dazu ex nunc) wirkt.
  • Vorsicht ist bei der Rücktrittserklärung angebracht. Im konkreten Fall hatte der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber bloß unter Druck setzen wollte, nämlich "nur" gesagt, dass er sich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle, da die Karenzentschädigung nicht gezahlt worden war.
    Schon diese Aussage reicht laut Bundesarbeitsgericht für einen Rücktritt. Der Schuss, den der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber verpassen wollte, ging also nach hinten los.

5. Vorsicht Arbeitnehmerdarlehen – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.09.2017, Az.: 8 AZR 67/15:
Wenn Sie Ihren Arbeitnehmern Darlehen gewähren, sollten Sie den Darlehensvertrag (oder die dementsprechende Regelung im Arbeitsvertrag) überprüfen.
Sollte darin – wie so oft – stehen, dass das Darlehen mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort in einer Summe zurückzuzahlen ist, ist die Regelung nämlich unwirksam.
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.09.2017 können Sie die Rückzahlung des restlichen Darlehens (statt der Ratenzahlung) im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur verlangen, wenn die Beendigung aus Gründen erfolgt, die nicht in Ihrem Verantwortungsbereich liegen.
Das bedeutet konkret, dass Sie bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses insbesondere dann keine sofortige Rückzahlung des gesamten Darlehens verlangen können, wenn Sie das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt haben oder Sie dem Arbeitnehmer durch eigenes vertragswidriges Verhalten oder eine von Ihnen in Aussicht gestellte betriebsbedingte Kündigung Anlass gegeben haben, selbst zu kündigen.
Damit gelten für die sofortige Rückzahlung von Darlehen jetzt praktisch die gleichen Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht schon vor einiger Zeit für die Rückzahlung von Fortbildungskosten entwickelt hat.
Auch bei der Vereinbarung über die Rückzahlung von Fortbildungskosten ist aber noch unklar, ob Rückzahlung dann verlangt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen des Arbeitnehmers endet.
Hier mehren sich mittlerweile die Stimmen, die dem Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rückzahlung versagen. Zuletzt wurde das vom Arbeitsgericht Ulm in dessen Entscheidung vom 08.05.2017 (Az.: 4 Ca 486/16) entschieden.

Für Sie bedeutet das:
Rückzahlungsklauseln in Darlehensverträgen und Fortbildungsvereinbarungen müssen sorgfältig formuliert werden. Es muss klar herausgearbeitet werden, in welchen Beendigungsfällen der Arbeitnehmer alles sofort zurückzahlen muss.
Geschieht dies nicht, ist die gesamte Rückzahlungsklausel unwirksam. Die Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel hat zur Folge, dass Rückzahlung des Darlehens selbst dann nicht verlangt werden kann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Ihrem Verantwortungsbereich liegt.
Auch das hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 28.09.2017 noch einmal klargestellt.

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